3. Februar 2025
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08:02
Antwort
vonRechtsanwalt Steffan Schwerin
Golmsdorfer Str. 11
07749 Jena
Tel: 036412692037
Web: https://www.jena-rechtsberatung.de
E-Mail: info@raschwerin.de
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Da beide Elternteile sorgeberechtigt sind, ist für wesentliche Entscheidungen, wie die Anmeldung zur Offenen Ganztagsschule (OGS), grundsätzlich die Zustimmung beider Elternteile erforderlich.
Eine Ausnahme besteht dann, wenn die Entscheidung in den Bereich der sogenannten „Alltagssorge" fällt, also eine Angelegenheit von geringerer Bedeutung darstellt, die der betreuende Elternteil allein treffen darf.
Die Rechtsprechung unterscheidet hierbei klar zwischen Angelegenheiten des täglichen Lebens, die von dem Elternteil, bei dem das Kind überwiegend lebt, allein entschieden werden dürfen, und Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung, bei denen eine Einigung beider Elternteile erforderlich ist. Die Anmeldung zur OGS wird von den Gerichten in der Regel als eine wesentliche Entscheidung gewertet, da sie Auswirkungen auf die Tagesstruktur des Kindes hat.
Da Ihr Ex-Mann die Zustimmung verweigert, bleibt Ihnen die Möglichkeit, das Familiengericht anzurufen und die Entscheidung auf sich übertragen zu lassen (§ 1628 BGB). Voraussetzung hierfür ist, dass eine Einigung nicht erzielt werden kann und das Gericht im Sinne des Kindeswohls entscheidet. Maßgeblich für die gerichtliche Entscheidung ist allein, was für das Kind am besten ist – nicht die Wünsche der Eltern.
In Ihrer Situation spricht einiges für eine gerichtliche Übertragung der Entscheidung auf Sie:
Ihr Sohn war bereits über Jahre in der Kita mit einem 45-Stunden-Platz betreut. Eine Fortführung einer geregelten Nachmittagsbetreuung durch die OGS würde für ihn Stabilität und Struktur gewährleisten. Plötzliche Veränderungen im Betreuungsmodus können für ein Kind belastend sein.
Sie schildern, dass der Vater selbst die Betreuung des Kindes nicht übernimmt, sondern seine neue Ehefrau dies tun soll. Es besteht daher die Frage, ob dies tatsächlich eine gleichwertige Betreuungslösung im Sinne des Kindeswohls darstellt oder ob es eher darum geht, den Einfluss der Mutter zu reduzieren.
Das Kindeswohl erfordert eine verlässliche und stabile Betreuungssituation. Ein täglicher Wechsel zwischen Schule, Betreuung durch eine Stiefmutter und dann wieder Rückkehr zur Mutter kann für ein Kind emotional anstrengender sein als ein strukturierter Alltag in der OGS mit festen Bezugspersonen und gleichaltrigen Kindern.
Die Erfolgsaussichten vor Gericht sind daher als gut einzuschätzen, insbesondere wenn Sie nachweisen können, dass die OGS-Betreuung eine objektiv bessere Lösung für das Kind darstellt als die alternative Betreuung durch die Stiefmutter.
Ich empfehle Ihnen, sich anwaltlich vertreten zu lassen und einen Antrag nach § 1628 BGB beim Familiengericht zu stellen. In diesem müssen Sie darlegen, dass die OGS-Betreuung im besten Interesse des Kindes liegt. Ergänzend können Sie ein pädagogisches Gutachten oder eine Stellungnahme der Schule/Kita einholen, um die positiven Auswirkungen der OGS auf die Entwicklung Ihres Kindes zu belegen.
Da bereits eine Moderation und Gespräche gescheitert sind, spricht dies ebenfalls für eine gerichtliche Klärung. Das Gericht wird sich am Kindeswohl orientieren und insbesondere darauf achten, dass eine verlässliche Betreuungssituation geschaffen wird. Die Weigerung des Vaters ohne eine gleichwertige Alternative könnte daher als nicht kindeswohldienlich gewertet werden.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Rechtsanwalt Steffan Schwerin