Studium und ALGII

19. Juli 2012 15:19 |
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Sozialrecht


Ich bin zur Zeit noch eingeschriebener Student, warte aber nur noch auf mein Abschlusszeugnis. Dieses werde ich wahrscheinlich in einem Monat ausgehändigt bekommen.


Jetzt habe ich folgendes Problem.
Seit 2 Monaten bekomme ich kein Unterhalt mehr (bin über 25, kein Kindergeld, kein Nichts mehr von Familie und Eltern). Bafög habe ich nie bekommen und mein Studentenjob ist regulär ausgelaufen. Ich habe schon eine neue Beschäftigung (Vollzeit), welche aber erst in 4 Monaten beginnt.

Aus meiner Not heraus, die nächsten 4 Monate irgendwie über die Runden zu kommen, habe ich ALGII beantragt, obwohl ich offiziell noch ca. 1 Monat Student bin. Dabei habe ich falsche Angaben gemacht, um zu darzulegen, dass ich bereits exmatrikuliert wäre.

Was droht mir? Ich plane eine Beamtenlaufbahn einzuschlagen.
Sehr geehrte Fragesteller,

gerne beantworte ich die von Ihnen gestellte Frage aufgrund der von Ihnen gemachten Angaben. Bitte beachten Sie, dass die nachstehenden Ausführungen nur eine erste rechtliche Einschätzung auf der Grundlage Ihrer Angaben darstellen können.

Studierende haben in der Regel keinen Anspruch auf ALG II. Ein Anspruch auf ALG II kann jedoch nach dem Abschluss des Studiums bestehen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Antragsteller noch an der Universität immatrikuliert ist, sondern auf den Studienabschluss, d.h. mit dem Abschluss wird auch kein Anspruch mehr auf BAföG bestehen.

Sie haben geschildert, dass Sie aus der Not heraus ALG II beantragt haben. Nach Ihren Ausführungen gingen Sie davon aus, dass Sie im Moment keinen Anspruch auf ALG II haben, was auch zutrifft, da Sie noch kein Abschlusszeugnis haben. Wer ALG II beantragt und davon Kenntnis hat, dass ihm kein Anspruch zusteht, erfüllt den Straftatbestand des (versuchten) Betruges nach § 263 StGB. Ihren Ausführungen zufolge wäre eine Strafbarkeit hier gegeben, denn Sie haben bei der Antragstellung von ALG II falsche Angaben gemacht und wollten damit den Bezug von ALG II ermöglichen. Auch war Ihnen bekannt, dass Sie keinen Anspruch hatten, so dass auch vorsätzliches Handeln gegeben ist. Der Vorsatz muss Ihnen jedoch im Strafverfahren nachgewiesen werden. Falls es wirklich zu einem Strafverfahren kommt, sind Sie nicht verpflichtet, an Ihrer Überführung mitzuwirken vgl. § 136 Abs. 1 S. 2 StPO. Nach den äußeren Umständen her, lässt die Beantragung von ALG II bei Nichtvorliegen der Voraussetzung für Leistungsbezug am Ende des Studiums alleine keinen Schluss darauf ziehen, dass der Antragsteller vorsätzlich Sozialeistungen erschleichen wollte. Ich empfehle Ihnen daher, sich nicht zu den Umständen der Antragstellung insbesondere des Wissens des Nichtvorliegens der Voraussetzungen ALG II zu erhalten, bei der Polizei oder dem JobCenter zu äußern.

Falls es zu einem Strafverfahren und zu einer Verurteilung kommt, droht Ihnen eine Geldstrafe im niedrigen oder mittleren Bereich, falls Sie nicht vorbestraft sind. Wenn Sie als Beamter im öffentlichen Dienst eingestellt werden möchten, kann die Behörde im Einstellungsverfahren eine erweiterte Auskunft des polizeilichen Führungszeugnisses verlangen. In dem erweiterten Führungszeugnis werden alle Verurteilungen aufgeführt. Öffentlich-rechtliche Dienstherren werden im Allgemeinen auf eine Einstellung im öffentlichen Dienst verzichten, wenn der Bewerber vorbestraft ist. Daher sollten Sie, sofern es zu einem Strafverfahren kommt, dringend einen Strafverteidiger aufsuchen. Dieser kann dann bereits im Ermittlungsverfahren auf die Staatsanwaltschaft zugehen, um zu verhindern, dass es zu einem Gerichtsverfahren und damit zu einer Verurteilung kommt. Die Einstellung kann dann auch mit einer Auflage der Zahlung eines Geldbetrages gemäß § 153a StPO erfolgen. Damit ist sichergestellt, dass es im polizeilichen Führungszeugnis zu keinerlei Eintragungen kommt.

Ich hoffe ich konnte Ihnen mit dieser Einschätzung der Rechtslage weiterhelfen und würde mich über eine positive Bewertung freuen. Auch stehe ich Ihnen im Falle der Einleitung eines Strafverfahrens gerne zu einer Vertretung Ihrer Interessen zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Dominik Bildt
Rechtsanwalt
Rückfrage vom Fragesteller 19. Juli 2012 | 17:46

Ich habe meinen Antrag auf ALG II nach dem Durchlesen Ihrer Einschätzung zurück gezogen, noch bevor ich irgendeine Leistung nach dem SGB erhalten habe.

Damit sollte sich die Sache erledigt haben?

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 19. Juli 2012 | 18:04

Sehr geehrter Fragesteller,


wenn Sie den Antrag auf Leistung von ALG II zurückgenommen haben, dürften Sie nach § 24 Abs. 1 2. Var.2 StGB strafbefreiend vom versuchten Betrug (vgl. §§ 263 Abs. 2, 22, 23) zurückgetreten worden sein. Danach wird derjenige nicht bestraft, wer freiwillig die Vollendung der Tat verhindert. Da Sie noch keine Auszahlung von Leistungen erhalten haben, ist die Tat nicht vollendet. Es liegt hier auch die erforderliche Freiwilligkeit vor, auch wenn vor dem Rücktritt des Versuchs der Anstoß von außen (nach Rücksprache mit einem Rechtsanwalt) kommt. Damit dürfte die Sache erledigt sein.

Falls Sie noch Fragen haben, können Sie sich gerne an mich wenden.

Mit freundlichen Grüßen

Dominik Bildt
Rechtsanwalt

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