Ihre Anfrage kann ich Ihnen anhand Ihrer Angaben und unter Berücksichtigung Ihres Einsatzes wie folgt beantworten:
zunächst einmal weise ich darauf hin, dass die Beantwortung Ihrer Frage ausschließlich auf Grundlage Ihrer Schilderung erfolgt. Die Antwort dient lediglich einer ersten rechtlichen Einschätzung, die eine persönliche und ausführliche Beratung durch einen Rechtsanwalt in der Regel nicht ersetzen kann.
Das Weglassen oder Hinzufügen weiterer Sachverhaltsangaben kann möglicherweise eine andere rechtliche Beurteilung zur Folge haben. Eine endgültige Einschätzung der Rechtslage ist nur nach umfassender Sachverhaltsermittlung möglich.
1. Verfassungswidrigkeit der Strafbarkeit von Vorbereitungshandlungen:
Die Strafbarkeit sämtlicher Vorbereitungshandlungen wäre mit Sicherheit ein Verstoß gegen Art. 2 Abs.1 GG.
Dies lässt sich schon mit einfachen Beispielen begründen:
Man kauft ein Brecheisen im Baumarkt (mögliche Vorbereitung zu einem Einbruchsdiebstahl); man hebt Geld vom Konto ab (mögliche Vorbereitungshandlung für den Ankauf von Diebesgut (Hehlerei) oder Betäubungsmitteln; man kauft einen Drucker und Papier (Vorbereitung einer Urkundenfälschung).
Diese Aufzählung ließe sich nahezu unbegrenzt fortführen
Sie sehen anhand dieser Beispiele, dass praktisch jede Handlung, die jemand vornimmt eine potentielle Vorbereitungshandlung zu einer Straftat sein könnte.
Aufgrund dieser Uferlosigkeit wäre eine generelle Strafbarkeit von Vorbereitungshandlungen nicht mit dem Grundgesetz und insbesondere nicht mit Art. 2 Abs. 1 GG vereinbar.
Anders als der Kollege Kehl sehe ich den § 176 Abs. 4 Nr. 3 unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht kritisch.
Art. 2 Abs. 1 GG gewährt jedermann das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, „soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt."
Art. 2 Abs. 1 GG gibt also seine Einschränkungen selbst vor.
Stellt der Gesetzgeber Vorbereitungshandlungen unter Strafe, so muss immer das Verhältnismäßigkeitsprinzip gewahrt werden.
Wie Sie an den von mir gewählten Beispielen oben (oder auch an dem Beispiel des Benzinkaufs) sehen können, hilft einem bei der Bewertung der Verhältnismäßigkeit in der Regel schon der gesunde Menschenverstand weiter.
Eine feste Grenze zu ziehen ist allerdings aufgrund der Vielzahl potentieller Vorbereitungshandlungen nicht möglich.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Marcus Bade, Rechtsanwalt
Vielen Dank
Erlauben sie mit unter Einbeziehung und Grundlage obigen Fragen einige Nachfragen:
Zuerst einmal ist das Sittengesetz ja kein festes kodifiziertes Gesetz, sondern kann sich in der Bevölkerung öfters ändern.
Gerade durch den Fiskalpakt und des zusammenwachsenden Europas reden wir ja von einer europäischen Kultur.
Aber auch nach jetziger Auffassung verstehe ich nicht, wieso dies das Sittengesetz berührt, eine Vorbereitungshandlubg ist ja noch vor dem Versuch angesiedelt und sie sagen ja richtigerweise, solche Taten, -wie etwa Brecheisen im Baumarkt kaufen- normalerweise nicht geahndet werden.
Der von ihnen als Beispiel genannte § 176 Abs. 4 Nr. 3 StGB zielt ja darauf ab, dass der Täter das Kind zu sexuellen Handlungen bringen will also bspw sagt, dass es jetzt an sich selbst masturbieren soll.
Solange wie dieses Einwirken, also die Fremdbestimmung und das Eingreifen in die natürliche Sexualität des Kindes nicht eingegriffen wurde und nur pornographische reden gehalten werden, liegt wohl allenfalls der § 184 StGB vor.
Wahrscheinlich wollte Herr Kehl darauf Hinweis das das ganze Wesen der Nr 3 eine strafbare Verfolgung einer Vorbereitungshandlung ist, da es zum Erfolg ja nicht kommen muss.
Die Gerichte scheinen aber auch konkret diese Vorbereitungshandlung noch zu verwischen, denn sie setzen bei den in § 11 Abs. 3 StGB genannten Schriften weder die Körperlichkeit der Schriften voraus, noch erkennen sie ab, dass ein Arbeitsspeicher kein Datenträger im Sinne des Gesetzes ist.
Steht jedenfalls in folgenden Quellen :
Sexuelle Kontaktaufnahme zu Kindern am Tatort Internet; Was wirklich strafbar ist, vielleicht, ito.de; Gercke/Brunst, Praxishandbuch Internetstrafrecht, S. 159; Duttge/Hörnle/Renzikowski, NJW 2004, S. 1067 f.
Der Strafrechtliche Schutz von Kinder und Jugendlichen S. 4 Prof. Dr. Joachim Renzikowski; vgl. Hörnle in :LK(FN.12) , § 176 Rn.90 ;näher zu dieser höchstrichterlich eumstrittenen noch nicht geklärten Frage in Radke in :Münchener Kommentar zum StGB,BD1,2.Auflage 2011, § 11 Rn. 147 f.
Münch.Komm. StGB/Radtke, StGB, § 11 Rn 147; SK/Rudolphi/Stein, StGB, § 11 Rn 63; Walther, NStZ, 1990, S. 523.
Dieses gilt auch für Schriften im Sinne des § 176 StGB
Kann es sein, dass sie hier davon ausgegangen sind, dass Gerichte den Abs.4 Nr.3 durch diese Verwischung von Arbeitsspeicher und Datenträger nicht vorgenommen haben und so eine verfassungswidriger im Sinne der Vorbereitungshandlung nicht besteht ?
Das BVerfG selber hat ja im Fall Görguli selber festgestellt, dass die Emrk Teil des GG ist.
Sie ist nur in Ausnahmen und mit Begründung nicht zu befolgen.
Staatsrechtler und Richter Ress am EGMR vertritt nun weiter, dass das EMRK System nun eine "Konventionsgemeinschaft" sei i.S.d Art. 24 Abs. 1 GG Dies hätte dann wohl den Vorteil, so Ress, dass der "Integrationshebel" einen etwa bestehenden Vorrangbefehl der Konvention gegenüber deutschem Recht mitumfaßt und somit EMRK - Recht materiell entgegenstehendes deutsches Verfassungsrecht bricht, siehe Fn. 54
Wiki Seite 11 Beitrag 5 HFR 1999.
Zumindest für die Fälle in § 182 StGB und der ungleichen Behandlung in § 184 und 184 c StGB gab es ein Urteil des EGMR, dass die sexuelle Selbstbestimmung auch unter 18 jährige in Anspruch nehmen dürfen:
" Der EGMR gab einem 17 Jährigen Recht, der seinerzeit sich immer zu älteren Partner hingezogen fühlte und sich durch das in Österreich geltenden Strafrecht in seinen auf Erfüllung der intimen Beziehungen angelegte Begehren zu älteren, verletzt wurde. Durch die Verletzung seines sexuellen Selbstbestimmungsrechts, sprach das Gericht ihm Schadensersatz zu. Es darf in Analogie davon ausgegangen werden, dass Vorschriften, die einem Jugendlichen ( ab 14 Jahren), dass sexuelle Selbstbestimmungsrecht zu sehr beschneiden, Konventionswidrig sein kann, die zu scharfe Formulierung der aktuellen Gesetze wird daher auch unter dem Gesichtpunkt der EGMR Entscheidung kritisiert.."
EGMR: S.L. vs. Austria, appl. 45330/99, judg. 9. Januar 2003, par. 49, 52 (im Internet Archive)
Sind also diese Vorbereitungshanflungen dann nicht konventions oder verfassungswidrig ?
Ich hatte in meiner Ausgangsfrage gebeten, mir für und wider aufzuzählen und mir das in einem kurzen Gutachten hier darzulegen.
Ich habe jetzt kein Bedürfnis nochmal 55 Euro auszugeben.
Sie haben die Frage so angenommen, ich bitte daher um nachprüfbare Quellen hinsichtlich meiner Frage.
Sehr geehrter Ratsuchender,
zunächst erlaube ich mir den Hinweis, dass für ein Rechtsgutachten mit umfangreicher wissenschaftlicher Quellenrecherche (und hiermit meine ich keinesfalls ein bekanntes Onlinelexikon) wie Sie es jetzt in Ihrer Nachfrage erbeten weder der hier vorgegebene Zeitrahmen von 2 Stunden, noch der von Ihnen gebotene Einsatz ausreichen dürfte.
Nichts desto trotz werde ich natürlich Ihre Nachfrage in angemessenem Umfang beantworten:
Ich bleibe bei meiner Auffassung, dass die genrelle Bestrafung von Vorbereitungshandlungen verfassungswidrig wäre.
Im konkreten Fall des § 176 Abs. 4 Nr. 3 StGB sehe ich persönlich kein verfassungsrechtliches oder europarechtliches Problem.
Die von Ihnen zitierte Entscheidung des EGMR dürfte hier nicht anwendbar sein.
Dies Entscheidung ist ausdrücklich auf Jugenliche zwischen dem 14. und 18. Lebensjahr bezogen wogegen § 176 StGB Handlungen gegenüber Kinder UNTER 14 Jahren unter Strafe stellt.
Eine Anwendbarkeit dieser Entscheidung auf § 176 StGB ist daher vollkommen ausgeschlossen.
Auch einen sonstigen Verstoß gegen die EMRK vermag ich in § 176 StGB nicht zu erkennen.
Folglich liegt auch keine Konventionswidrigkeit vor.
Verfassungswidrigkeit des § 176 Abs. 4 StgB ist wie bereits gesagt auch nicht gegeben.
Ich gehe sehr wohl davon aus, dass die in § 176 StGB genannten Taten Verstößen gegen das Sittengesetz der heutigen Zeit darstellen.
Sie haben Recht, dass der Begriff Sittengesetz nicht zu jedem Zeitpunkt gleich auszulegen war (im Mittelalter sicher anders als heute); maßgeblich für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit ist jedoch der aktuelle Stand und nicht der Stand vor 50 Jahren oder in 20 - 50 Jahren.
Beachten Sie bitte auch, dass, wie der Kollege Ihnen schon erläutert hat, ein erheblicher Unterschied zwischen der Besitzverschaffung und dem Einwirken besteht.
Insgesamt bleibe ich also dabei, dass meiner Auffassung nach § 176 Abs. 4 Nr. 3 StgB verfassungsrechtlich und europarechtlich vollkommen unbedenklich ist.
Es gibt nach meiner Auffassung und Recherche nichts, was für eine verfassungswidrigkeit sprechen würde.
Mit freundlichen Grüßen
Bade
Rechtsanwalt