Resturlaub - Merger

19. Februar 2021 11:39 |
Preis: 40,00 € |

Arbeitsrecht


Sehr geehrte Damen und Herren,

unsere Firmen A soll mit einer anderen Firma B zu einem neuen Unternehmen C zusammengelegt werden. Alternativ werden wir in B integriert. Das konkrete Vorgehen ist noch nicht bekannt. Es soll aber ab dem 01.04.21 vollzogen sein.

Bei A galt bislang die Regelung, dass Urlaubstage generell nicht verfallen und auch über den 31.03 erhalten bleiben. A hat seine Angestellten nicht informiert, dass die Regelung sich ändern soll. Manche Angestellten haben somit gut 30 Tage alten Urlaub auf dem Konto.

Frage: Wie muss mit den Urlaubsguthaben umgegangen werden werden / Was empfehlen Sie einem Angestellten von A?

Optionen:
a) Die Rechtsnachfolgerin von A muss das Urlaubsguthaben übernehmen, kann aber z.B. verlangen, dass es bis Ende 2021 oder spätestens März 2022 aufgebraucht wird. "Prima"
b) Die Situation erlaubt das Auszahlen der Urlaubstage (Zwang oder Wahl für den Arbeitnehmern?)
c) Die Angestellten sollten so viel Urlaub wie möglich vor dem Merger nehmen; die Firma muss diesen auch genehmigen. "Schaden / Risiko begrenzen"
d) Der Urlaub verfällt mit Übergang zur neuen Firma. "Pech gehabt"
e) Ganz anders als gedacht

Vielen Dank
Sehr geehrter Fragesteller,

„ ganz anders als gedacht" :

Es ist nicht nur die Frage nach den Urlaubstagen zu klären, sondern das Schicksal der jeweiligen Arbeitsverträge. Die Frage ist, ob diese fortgelten oder nicht. Das hat dann nämlich nicht nur auf die Urlaubstage Auswirkungen, sondern auch auf die Frage der Betriebszugehörigkeit, nach der sich die Kündigungsfristen bemessen und gegebenenfalls sonstiger spezielle Inhalte des Arbeitsvertrages, wie Bonus Leistungen etc.

Demnach ist also zu klären, ob ein Betriebsübergang vorliegt oder nicht. Wenn die wesentlichen Inhalte der Tätigkeiten, die Arbeitsmittel, die Belegschaft übernommen werden, so sind diese Punkte, die für ein Betriebsübergang sprechen. Letztlich ist dies im Rahmen einer Gesamtschau zu beurteilen.

Daher ist es unerlässlich, dass Sie darauf bestehen, zu erfahren, was hier genau passieren soll. Man muss dies Ihnen auch mitteilen. Vorsicht ist geboten, wenn man Ihnen einen neuen Arbeitsvertrag vorlegt und das alte Arbeitsverhältnis kündigt.

Hier sind Sie nicht zwingend zum unterschreiben verpflichtet, sondern können gegebenenfalls die Frage des Betriebsübergangs beim Arbeitsgericht klären.

Das Ziel muss auf jeden Fall sein, die alten Konditionen bei zu behalten und so die Urlaubstage zu bewahren.

Andernfalls müsste man ihr altes Arbeitsverhältnis beenden und Ihnen würden dann die Urlaubstage noch gewährt, beziehungsweise ausbezahlt werden müssen.

Ich hoffe Ihnen weiter geholfen zu haben und verbleibe mit freundlichen Grüßen

Draudt Rechtsanwältin
Rückfrage vom Fragesteller 22. Februar 2021 | 14:08

Sehr geehrte Frau Draudt, vielen Dank für die ausführliche Antwort.

Verstehe ich richtig:

Sollten die Vorraussetzungen für einen Betriebsübergang gegeben sein, müssen die alten Arbeitsverträge und Betriebsvereinbarungen übernommen werden. Möchte der Arbeitgeber dies vermeiden, muss er uns gemäß den individuellen Fristen kündigen (dann Resturlaub gewähren oder falls die Zeit nicht ausreicht, auszahlen)

Gibt es eine Frist, bis wann der AG (vermutlich schriftlich) über die konkreten Maßnamen informieren muss?

Vielen Dank

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 22. Februar 2021 | 15:15

Sehr geehrter Fragesteller,

zu Ihrer Nachfrage nehme ich gerne wie folgt Stellung:

Ich zitiere Ihnen mal den einschlägigen § 613 a BGB:

"Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
§ 613a Rechte und Pflichten bei Betriebsübergang
(1) Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Sind diese Rechte und Pflichten durch Rechtsnormen eines Tarifvertrags oder durch eine Betriebsvereinbarung geregelt, so werden sie Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer und dürfen nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden. Satz 2 gilt nicht, wenn die Rechte und Pflichten bei dem neuen Inhaber durch Rechtsnormen eines anderen Tarifvertrags oder durch eine andere Betriebsvereinbarung geregelt werden. Vor Ablauf der Frist nach Satz 2 können die Rechte und Pflichten geändert werden, wenn der Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung nicht mehr gilt oder bei fehlender beiderseitiger Tarifgebundenheit im Geltungsbereich eines anderen Tarifvertrags dessen Anwendung zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer vereinbart wird.
(2) Der bisherige Arbeitgeber haftet neben dem neuen Inhaber für Verpflichtungen nach Absatz 1, soweit sie vor dem Zeitpunkt des Übergangs entstanden sind und vor Ablauf von einem Jahr nach diesem Zeitpunkt fällig werden, als Gesamtschuldner. Werden solche Verpflichtungen nach dem Zeitpunkt des Übergangs fällig, so haftet der bisherige Arbeitgeber für sie jedoch nur in dem Umfang, der dem im Zeitpunkt des Übergangs abgelaufenen Teil ihres Bemessungszeitraums entspricht.
(3) Absatz 2 gilt nicht, wenn eine juristische Person oder eine Personenhandelsgesellschaft durch Umwandlung erlischt.
(4) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers durch den bisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Inhaber wegen des Übergangs eines Betriebs oder eines Betriebsteils ist unwirksam. Das Recht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen bleibt unberührt.
(5) Der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber hat die von einem Übergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang in Textform zu unterrichten über:
1.
den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs,
2.
den Grund für den Übergang,
3.
die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und
4.
die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen.
(6) Der Arbeitnehmer kann dem Übergang des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung nach Absatz 5 schriftlich widersprechen. Der Widerspruch kann gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber oder dem neuen Inhaber erklärt werden."

Normiert ist in den Absätzen 5 und 6, dass der Arbeitgeber Sie vorher informieren muss und Sie haben ein Recht zum Widerspruch. Diese Frist kann sich verlängern, falls Sie nicht informiert werden würden.

Das Arbeitsverhältnis geht über, falls es ein Betriebsübergang ist. Allein deswegen dürfen Sie nicht gekündigt werden. Hier schreiben Sie, dass es bis zum April bereits vollzogen sein soll. Haben Sie schon ein Schreiben erhalten, woher wissen Sie das ? Sie teilen das nicht mit, doch ich rate zur Vorsicht. Wenn Sie ein Schreiben oder eine Textformnachricht erhalten sollten, werden Sie ggf. mit anwaltlicher Hilfe tätig. Unterschreiben Sie nicht ohne weiteres einen neuen Arbeitsvertrag.
Vermeiden kann der Arbeitgeber den Betriebsübergang nicht, da es viele Kriterien gibt, die einen Betriebsübergang "festlegen". Das sind zahlreiche von der Rechtsprechung genannte Kriterien, von denen ich Ihnen die wichtigsten genannt habe.

Mit freundlichen Grüßen

Draudt
Rechtsanwältin

Durchschnittliche Anwaltsbewertungen:
4,8 von 5 Sternen
(basierend auf 119006 Bewertungen)
FRAGESTELLER
Aktuelle Bewertungen
5,0/5,0
Vielen Dank für die ausführlichen Informationen. ...
5,0/5,0
Antwort war schnell und gut nachvollziehbar. Vielen Dank. ...
5,0/5,0
Vielen Dank, einer der Besten hier, wenn nicht sogar der Beste! Immer wieder gerne! ...