Rechtswirksamkeit des Übergabeprotokolls

| 25. Juli 2015 10:29 |
Preis: 52€ Historischer Preis
Hier finden Sie einen
Aktuellen Kostenvorschlag
|

Mietrecht, Wohnungseigentum


Beantwortet von

Mein Schwiegersohn hatte gestern eine Wohnungsübergabe, bei der er ein Übergabeprotokoll unterschrieben hat.
Anwesend waren der Vermieter, eine Maklerin (nach Aussage des Vermieters müsse das so sein), der junge Mann und ich (damit es einen weiteren Zeugen gibt).
Der junge Mann ist gerade familiär sehr eingespannt (Krankenhausaufenthalt der Frau, Versorgung der Kinder) und kam zur Übergabe aus der Nachtschicht. Er war völlig übermüdet, was man ihm erstens ansah (sehr blass, fahrig, unkonzentriert) und er zweitens während der zweistündigen Übergabe mehrfach sagte ('ich habe die Nacht gearbeitet und vorher das Baby versorgt, ich muss schlafen')
Der strittige Punkt ist ein Schaden auf einem fest verlegten Teppich. Der Teppich ist jetzt knapp 10 Jahre alt, der Schaden entstand vor drei Jahren. Leider wurde versäumt, den Schaden damals der Haftpflichtversicherung zu melden, das wird jetzt nachgeholt.
Sowohl der Vermieter als auch die Maklerin sagten mehrmals, er müsse den Teppich vollständig ersetzen, auf meinen Einwand, dieser Teppich sei 10 Jahre alt, sagten sie, das sei unerheblich. Die Maklerin schrieb in Übereinkunft mit dem Vermieter in das Protokoll, der Mieter würde die Differenz zwischen der Erstattung der Versicherung und den tatsächlichen Kosten für einen vollständigen Ersatz des Teppichs (Entfernen, entsorgen, neu verlegen) tragen. Auf meinen Einspruch, sie möge dann auch dazu schreiben, dass Herr X das anders sähe, sagte der Vermieter, es könne ja nicht sein, dass er da einen Teppich hineingelegt habe und nun einen neuen bezahlen solle. Sie hat es nicht hineingeschrieben. In meiner Abwesenheit drohte er, wenn Herr X das nicht unterschreibe, werde er ihm den Teppich der gesamten Wohnung in Rechnung stellen. Er gibt für die Wohnung einen Mietinteressenten, der allerdings Parkett möchte.
Das Protokoll wurde ohne Durchschrift erstellt, der Vermieter sagte, er könne es auch nicht ausdrucken, die Maklerin wollte es mir schicken (einscannen und dann per mail).
Herr X hat unterschrieben, um die Situation zu beenden.
Ich habe keine Mail mit dem Protokoll bekommen.
Kann mein Schwiegersohn seine Unterschrift unter dieses Schriftstück, das ihm nicht vorliegt, widerrufen und was muss er dafür tun?
25. Juli 2015 | 12:52

Antwort

von


(2749)
Brandsweg 20
26131 Oldenburg
Tel: 0441-7779786
Web: https://www.jan-wilking.de
E-Mail: info@jan-wilking.de
Sehr geehrter Fragesteller,

Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:

Die Aussagen der Maklerin und des Vermieters sind falsch, und ich gehe davon aus, dass diese Aussagen wider besseren Wissens getätigt wurden.
Abnutzungen des Teppichs, die durch normalen Gebrauch entstanden sind, muss der Mieter dem Gesetz nach gar nicht ersetzen. Für Schäden, die durch einen unsachgemäßen Gebrauch entstanden sind (z.B. Brandlöcher), muss der Mieter zwar haften, allerdings nur in Höhe des Zeitwerts des Teppichs. Der Vermieter muss sich also einen Abzug "neu für alt" gefallen lassen und kann nicht die Verlegung bzw. Kosten eines neuen Teppichs verlangen. Bei einem normalen Teppich gilt zudem regelmäßig nur eine Lebensdauer von etwa 10 Jahren (vgl. z.B. AG Dortmund, Urt. v. 26.8.2014 – 425 C 2787/14), sodass in Ihrem Fall der Teppich wahrscheinlich sogar schon "aufgebraucht" war und daher gar kein Schadensersatz zu leisten wäre.

Problem ist aber in dem von Ihnen geschilderten Fall, dass im Rahmen der Vertragsfreiheit von dieser gesetzlichen Regelung abgewichen und etwas anderes vereinbart werden kann. Dies kann auch in einem Übergabeprotokoll geschehen, wobei es auch nicht darauf ankommt, ob der Mieter eine Durchschrift bekommt (diese könnte er aber anfordern) - entscheidend ist allein, ob er die Übereinkunft durch seine Unterschrift bestätigt hat, was nach Ihrer Schilderung der Fall war. Allerdings dürfte in Ihrem Fall die Möglichkeit bestehen, diese Vereinbarung gemäß § 123 BGB anzufechten, und zwar wegen arglistiger Täuschung (über die Pflicht, den Teppich vollständig zu ersetzen) und wegen widerrechtlicher Drohung ("wenn Herr X das nicht unterschreibe, werde er ihm den Teppich der gesamten Wohnung in Rechnung stellen"). Diese Anfechtung der Vereinbarung sollte unverzüglich und schriftlich gegenüber dem Vermieter erfolgen und die Gründe für die Anfechtung konkret darlegen.

Bei erfolgreicher Anfechtung wäre die Vereinbarung nichtig und es würden die gesetzlichen Regelungen gelten, sodass je nach Qualität des Teppichs nur ein geringer oder ggf. sogar gar kein Schadensersatz geschuldet wird.


Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.

Mit freundlichen Grüßen


Rechtsanwalt Jan Wilking

Bewertung des Fragestellers 27. Juli 2015 | 12:43

Hat Ihnen der Anwalt weitergeholfen?

Wie verständlich war der Anwalt?

Wie ausführlich war die Arbeit?

Wie freundlich war der Anwalt?

Empfehlen Sie diesen Anwalt weiter?

"Die Antwort kam schnell, die entscheidende Problematik wurde genau erfasst und zu meiner Zufriedenheit beantwortet.
Die Vebindlichkeit der Aussage (immer auf der Basis meiner Angaben) schafft Sicherheit.
Ich werde dieses Portal gern wieder nutzen."
Mehr Bewertungen von Rechtsanwalt Jan Wilking »
BEWERTUNG VOM FRAGESTELLER 27. Juli 2015
4,6/5.0

Die Antwort kam schnell, die entscheidende Problematik wurde genau erfasst und zu meiner Zufriedenheit beantwortet.
Die Vebindlichkeit der Aussage (immer auf der Basis meiner Angaben) schafft Sicherheit.
Ich werde dieses Portal gern wieder nutzen.


ANTWORT VON

(2749)

Brandsweg 20
26131 Oldenburg
Tel: 0441-7779786
Web: https://www.jan-wilking.de
E-Mail: info@jan-wilking.de
RECHTSGEBIETE
Internet und Computerrecht, Vertragsrecht, Kaufrecht, Urheberrecht, Arbeitsrecht, Wettbewerbsrecht, Medienrecht, Miet- und Pachtrecht