Rechtswirksamer Kaufvertrag?

27. Februar 2016 23:31 |
Preis: 30€ Historischer Preis
Hier finden Sie einen
Aktuellen Kostenvorschlag
|

Kaufrecht


Sehr geehrte Damen und Herren,

vor zwei Wochen habe ich bei einem 450 km entfernten Zweiradhändler ein gebrauchtes Motorrad gekauft. Der Zustand des Fahrzeugs wurde in einer auf Mobile.de geschalteten Anzeige unter anderem als "sehr gut erhalten" und "unfallfrei" bezeichnet. Leider hatte ich beim Kauf und Besichtigung vor Ort dem Händler uneingeschränkt vertraut, und somit die Ware nur flüchtig begutachtet. Der Allgemeinzustand, bzw. die gute Optik gaben mir auch keinerlei Grund anzunehmen daß bei dem Fahrzeug ein grober Mangel vorhanden wäre. Nachdem ich das Motorrad beim Händler gekauft und abgeholt habe, hatte ich erst zuhause beim Entladen des Fahrzeugs festgestellt daß das Hinterrad einen Schiefstand aufweist, was ich dem Händler am Tag darauf zunächst informativ per e-mail mitgeteilt habe.
Nun hat sich nach Überprüfung durch einen KFZ-Mechaniker bestätigt, daß das Fahrzeug eine verbogene Hinterradschwinge und/oder einen verzogenen Rahmen aufweist. Nachdem das Motorrad meines Erachtens mangelhaft an mich vekauft wurde, möchte ich nun vom Händler eine Reparatur/ Nacherfüllung einfordern. Nun meine Frage: Habe ich denn überhaupt einen Anspruch auf Nacherfüllung? Denn §439 BGB besagt ja u.a. folgendes:
Damit überhaupt ein Anspruch auf Nacherfüllung seitens des Käufers besteht, müssen u.a.folgende Voraussetzungen gegeben sein:

Bestehen eines rechtswirksamen Kaufvertrages zwischen Verkäufer und Käufer!

Ich habe mit dem Händler keinen Vertrag abgeschlossen in dem der Zustand der Ware beschrieben wäre, also "unfallfrei", usw.. Die Anzeige auf Mobile.de wurde gelöscht. Auch hier habe ich keinen Nachweis/Ausdruck um den vom Händler beschriebene Fahrzeugzustand nachzuweisen. Ich habe eine Rechnung worauf der Fahrzeugzustand ebenfalls nicht aufgeführt ist. Gilt die Rechnung als rechtswirksamer Kaufvertrag? Habe ich im geschilderten Fall eine Rechtssicherheit, bzw. Aussicht auf Erfolg falls der Händler eine Nacherfüllung ablehnen sollte, evtl. auch wegen der 450km Entfernung?
Sehr geehrter Fragesteller,

ich bedanke mich für Ihre Anfrage, zu der ich auf der Grundlage Ihrer Schilderung und Ihres Einsatzes gerne wie folgt Stellung nehme:

I. Da Sie sich mit dem Händler dahin geeinigt haben, dass er Ihnen – was dann ja auch tatsächlich geschehen ist – gegen Zahlung eines bestimmten Betrages ein bestimmtes gebrauchtes Motorrad übergibt und übereignet, liegt ein wirksamer (mündlicher) Kaufvertrag i. S. des § 433 BGB vor. Dass dieser Vertrag nicht schriftlich geschlossen wurde, ist unschädlich; dieser Umstand erschwert Ihnen allenfalls den Beweis, dass das Motorrad mangelhaft ist (s. unten).

Schon weil er Ihnen eine Rechnung erteilt hat, wird der Händler kaum bestreiten, dass er mit Ihnen einen Kaufvertrag über das hier interessierende Motorrad geschlossen hat. Streit wird allenfalls über die Frage entstehen, ob das Motorrad im rechtlichen Sinne mangelhaft ist.

II. Ein Mangel läge zwar ohne Weiteres vor, wenn das als "unfallfrei" verkaufte Fahrzeug in der Vergangenheit tatsächlich einen Unfall erlitten hätte (vgl. § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB). Sie werden aber wohl nicht beweisen können, dass vertraglich vereinbart wurde, dass Sie ein "unfallfreies" Motorrad erwerben.

Sie müssen deshalb darauf abstellen, dass das – offenbar verunfallte – Motorrad schon bei der Übergabe an Sie nicht die Beschaffenheit aufwies, die für eine vergleichbare gebrauchte Maschine üblich ist und die Sie als Käufer deshalb erwarten durften (vgl. § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB; für den Autokauf: BGH, Urt. v. 10.10.2007 – VIII ZR 330/06).

III. Auch wenn jedenfalls deshalb ein Mangel – nämlich ein solcher i. S. des § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB – vorliegen dürfte, ist fraglich, ob Sie vom Verkäufer mit Erfolg Nacherfüllung verlangen können.

Denn daß Ihr Motorrad wohl nicht "unfallfrei" ist, lässt sich durch eine Nachbesserung (§ 439 Abs. 1 Fall 1 BGB) nicht korrigieren; die Maschine wird vielmehr immer ein Unfallfahrzeug bleiben (vgl. für den Autokauf BGH, Urt. v. 07.06.2006 – VIII ZR 209/05). Auch die ersatzweise Lieferung eines mangelfreien Motorrads dürfte, da es hier um eine gebrauchte Maschine geht, nicht in Betracht kommen (vgl. für den Autokauf erneut BGH, Urt. v. 07.06.2006 – VIII ZR 209/05).

Diese Frage sollten Sie aber m. E. nicht thematisieren, sondern vom Verkäufer, wie Sie es vorhaben, Nachbesserung verlangen. Der Verkäufer wäre aus meiner Sicht schlecht beraten, wenn er auf die Unmöglichkeit einer Nacherfüllung hinweisen
würde. Damit würde er Sie der Sache nach nämlich auf eine Minderung des Kaufpreises oder auf einen Rücktritt vom Kaufvertrag verweisen.

Ich hoffe, dass ich Ihnen mit dieser Einschätzung weiterhelfen konnte. Bitte nutzen Sie bei Bedarf die Möglichkeit, hier eine kostenlose Nachfrage zu stellen.

Mit freundlichen Grüßen

Peter Trettin
Rechtsanwalt
Durchschnittliche Anwaltsbewertungen:
4,8 von 5 Sternen
(basierend auf 119006 Bewertungen)
FRAGESTELLER
Aktuelle Bewertungen
5,0/5,0
Vielen Dank für die ausführlichen Informationen. ...
5,0/5,0
Antwort war schnell und gut nachvollziehbar. Vielen Dank. ...
5,0/5,0
Vielen Dank, einer der Besten hier, wenn nicht sogar der Beste! Immer wieder gerne! ...