Rechtmäßigkeit einer WEG-Sonderumlage

| 6. Oktober 2025 10:21 |
Preis: 99,00 € |

Mietrecht, Wohnungseigentum


Beantwortet von

Sehr geehrte Damen und Herren,

zur Rechtmäßigkeit einer Sonderumlage in einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) bitte ich um Klärung folgender Punkte:

1. Ist es nach gefestigter Rechtsprechung korrekt, dass die Erhebung einer Sonderumlage einen konkreten, fälligen und anderweitig (z.B. durch die Erhaltungsrücklage) nicht gedeckten Finanzbedarf voraussetzt?

2. Kann ein Beschluss über eine Sonderumlage, der lediglich mit der allgemeinen Begründung "Liquiditätsvorsorge" oder zur pauschalen "Aufstockung der Rücklage" gefasst wird, diese Voraussetzung erfüllen? Oder handelt es sich hierbei um eine unzulässige, anlasslose Vermögensbildung, die dem Wirtschaftsplan vorbehalten ist?

3. Wäre ein Beschluss über eine solche anlasslose Sonderumlage wegen Verstoßes gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung erfolgreich anfechtbar?
6. Oktober 2025 | 12:29

Antwort

von


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Sehr geehrter Fragesteller,

vielen Dank für Ihre Anfrage zur Rechtmäßigkeit einer Sonderumlage in einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG). Nach aktueller Rechtsprechung und der einschlägigen Kommentarliteratur (u.a. BeckOK BGB/Hügel, Hau/Poseck, 75. Edition, § 28 Rn. 10 ff.) beantworte ich Ihre Fragen wie folgt:

1. Voraussetzungen einer Sonderumlage

Eine Sonderumlage darf nur beschlossen werden, wenn ein konkreter, nachvollziehbarer Finanzbedarf besteht, der durch die vorhandenen Mittel der Gemeinschaft – insbesondere laufende Vorschüsse oder die Erhaltungsrücklage – nicht gedeckt werden kann. Sie dient der Deckung besonderer oder unvorhergesehener Aufwendungen (§ 28 Abs. 1 WEG; BGH NJW 2024, 2039). Erforderlich ist also, dass der Finanzbedarf bestimmbar, sachlich begründet und in seiner Höhe kalkulierbar ist, etwa durch einen Kostenvoranschlag oder eine konkrete Maßnahme. Zulässig ist auch eine Sonderumlage als Vorschuss, wenn feststeht, dass die Ausgaben in naher Zukunft entstehen. Nicht zulässig ist dagegen eine pauschale oder unbestimmte Umlage zur willkürlichen Vermögensbildung.

2. Sonderumlage zur Liquiditätsvorsorge oder Rücklagenaufstockung

Ein Beschluss mit der Begründung „Liquiditätsvorsorge" oder „Aufstockung der Rücklage" kann grundsätzlich wirksam sein, wenn ein tatsächlicher Anlass besteht, also die Gemeinschaft nachvollziehbar darlegt, dass eine Unterdeckung oder ein absehbarer Liquiditätsengpass droht. In diesem Fall kann die Schaffung zusätzlicher Liquidität ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen, etwa wenn laufende Verpflichtungen (z. B. Instandsetzungsaufträge, Wohngeldausfälle) absehbar nicht gedeckt werden können.

Fehlt jedoch eine konkrete Begründung oder bleibt unklar, wofür die Mittel tatsächlich benötigt werden, liegt keine zulässige Sonderumlage vor. Dann handelt es sich um eine anlasslose Kapitalbildung, die dem Wirtschaftsplan oder einem gesonderten Rücklagenbeschluss vorbehalten ist (vgl. BeckOK BGB/Hügel, § 28 Rn. 62; Lehmann-Richter, ZWE 2014, 105). Entscheidend ist also die sachliche Begründung im Beschluss selbst bzw. in den begleitenden Unterlagen der Eigentümerversammlung.

3. Anfechtbarkeit bei fehlendem Anlass oder unzureichender Begründung

Ein Beschluss über eine Sonderumlage, der keinen konkreten Finanzierungszweck erkennen lässt oder eine bloß abstrakte Vorsorge bezweckt, entspricht nicht ordnungsgemäßer Verwaltung im Sinne von § 19 Abs. 2 Nr. 4 WEG und kann daher erfolgreich angefochten werden. Gleiches gilt, wenn die Höhe der Umlage oder der Verteilungsschlüssel nicht hinreichend bestimmt ist. Sind die Voraussetzungen hingegen dargelegt und der Bedarf plausibel begründet, wird der Beschluss in der Regel Bestand haben.

Zusammengefasst ist eine Sonderumlage rechtmäßig, wenn sie auf einen klar umrissenen, aktuell oder absehbar entstehenden Finanzbedarf gestützt wird. Maßgeblich ist, dass der Beschluss diesen Zweck erkennen lässt und sich auf nachvollziehbare Tatsachen stützt. Fehlt diese Begründung, ist die Umlage anfechtbar.

Mit freundlichen Grüßen

Hussein Madani
Rechtsanwalt


Rückfrage vom Fragesteller 6. Oktober 2025 | 16:04

Sehr geehrter Herr Madani,

vielen Dank für Ihre präzise und fundierte Antwort. Sie bestätigt, dass eine Sonderumlage einen "klar umrissenen, aktuell oder absehbar entstehenden Finanzbedarf" erfordert und der "Beschluss diesen Zweck erkennen lassen" muss.

Um dies für ein typisches Praxisszenario zu schärfen, bei dem genau diese Grenze entscheidend ist, bitte ich um Klärung:

Eine WEG plant eine kostenintensive Sanierungsmaßnahme. Die genauen Kosten sind noch unklar. Die Verwaltung stellt nun einen Antrag auf eine hohe Sonderumlage. In der Einladung und im Beschlussantrag wird als Zweck jedoch ausschließlich die allgemeine "Liquiditätsvorsorge" genannt. Die anstehende Sanierung wird als konkreter Anlass mit keinem Wort erwähnt.

Hierzu meine präzisierenden Fragen:

1. Ist ein solcher Beschluss, der sich ausschließlich auf die abstrakte "Liquiditätsvorsorge" beruft, anfechtbar, obwohl im Hintergrund ein potenziell legitimer (aber unbestimmter und im Antrag nicht genannter) Anlass wie eine Sanierung existiert? Oder anders gefragt: Ist die im Beschlussantrag genannte Begründung für die rechtliche Prüfung maßgeblich, nicht ein möglicher, aber verschwiegener Hintergrund?

2. Wäre der Beschluss selbst dann noch anfechtbar, wenn die Verwaltung erst mündlich in der Versammlung behauptet, die Mittel seien "eigentlich" für die Sanierung gedacht? Oder heilt eine solche mündliche Ergänzung den Mangel der unzureichenden schriftlichen Begründung in der Einladung, die ja die Entscheidungsgrundlage der Eigentümer ist?

3. Wäre eine derart erhobene, nur abstrakt mit einer "Liquiditätsvorsorge" begründete Sonderumlage in irgendeiner Weise zweckgebunden?

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 6. Oktober 2025 | 16:59

Sehr geehrter Fragesteller,

vielen Dank für Ihre ergänzenden Hinweise.

1. Anforderungen an die Tagesordnung und Bedeutung der Einladung

Nach § 23 Abs. 2 WEG muss der Gegenstand der Beschlussfassung in der Einladung zur Eigentümerversammlung so bezeichnet sein, dass die Wohnungseigentümer erkennen können, worum es geht, und nicht durch neue oder unerwartete Themen überrascht werden. Zweck dieser Vorschrift ist es, den Eigentümern eine sachgerechte Vorbereitung und Entscheidung darüber zu ermöglichen, ob sie an der Versammlung teilnehmen wollen (BGH NZM 2012, 275; OLG München ZMR 2007, 989).

Eine ausführliche Begründung oder Darlegung der Hintergründe ist hingegen nicht erforderlich. Es genügt eine schlagwortartige, aber inhaltlich zutreffende Bezeichnung des Beschlussgegenstandes. Entscheidend ist allein, dass den Eigentümern die Tragweite des beabsichtigten Beschlusses erkennbar ist. Eine zu vage oder missverständliche Bezeichnung („Sonstiges", „Verschiedenes") reicht nicht, aber ein Punkt „Sonderumlage zur Liquiditätsvorsorge" wäre als solcher ausreichend bezeichnet, sofern klar ist, dass über eine finanzielle Belastung entschieden werden soll.

Die Einladung ist also keine Begründungspflicht im rechtlichen Sinne; sie muss nur Transparenz über den Beschlussgegenstand schaffen. Grundlage für die rechtliche Bewertung ist nicht die Einladung, sondern die tatsächliche Beschlussfassung in der Versammlung.

2. Maßgeblichkeit der in der Versammlung gegebenen Begründung

Für die Rechtmäßigkeit eines Beschlusses über eine Sonderumlage ist entscheidend, ob die Eigentümer in der Versammlung selbst ausreichend über den Zweck und die Notwendigkeit der Umlage informiert wurden. Die Begründung kann – und soll – dort erfolgen.

Wird im Rahmen der Sitzung dargelegt, dass die Umlage zur Vorbereitung einer konkret geplanten Sanierung erhoben werden soll, genügt dies den Anforderungen ordnungsgemäßer Verwaltung (§ 19 Abs. 2 Nr. 4 WEG). Selbst wenn der Beschlussantrag in der Einladung nur allgemein von „Liquiditätsvorsorge" spricht, kann der Beschluss rechtmäßig sein, wenn in der Versammlung klargestellt und für alle erkennbar erläutert wurde, dass die Mittel tatsächlich für eine bevorstehende Sanierungsmaßnahme vorgesehen sind.

Anders liegt der Fall, wenn auch in der Versammlung keine sachliche Konkretisierung erfolgt. Fehlt ein erkennbarer Zweck völlig, ist der Beschluss mangels Bestimmtheit und nachvollziehbarer Begründung anfechtbar, da er den Anforderungen an ordnungsgemäße Verwaltung nicht entspricht (BeckOK BGB/Hügel, § 28 Rn. 66).

Mündliche Erläuterungen können somit eine unklare Formulierung in der Einladung heilen, sofern sie inhaltlich eindeutig sind und den Eigentümern eine sachgerechte Entscheidung ermöglichen. Das Gericht wird in einem späteren Verfahren auf die Gesamtumstände der Beschlussfassung abstellen, insbesondere auf das Protokoll und eventuelle Wortbeiträge (vgl. LG Frankfurt a.M. ZMR 2019, 141; ZWE 2023, 460).

3. Anfechtbarkeit und Zweckbindung der Sonderumlage

Ein Beschluss über eine Sonderumlage, der inhaltlich unklar bleibt, ist regelmäßig nur anfechtbar, nicht nichtig (§ 23 Abs. 4, § 43 Abs. 2 Nr. 4 WEG). Die Gerichte prüfen dabei, ob der Beschluss noch einen erkennbaren Regelungsinhalt hat. Enthält er einen nachvollziehbaren, wenn auch unvollständig bezeichneten Zweck, bleibt er wirksam, bis er rechtskräftig aufgehoben wird (vgl. BGH NJW 1998, 3716; OLG Hamburg ZMR 2007, 210). Nur ein völlig inhaltsleerer oder widersprüchlicher Beschluss wäre nichtig.

Auch eine als „Liquiditätsvorsorge" bezeichnete Umlage bleibt zweckgebunden im Sinne des § 28 Abs. 1 WEG. Die Mittel dürfen nur zur Deckung des Zwecks verwendet werden, der in der Versammlung tatsächlich erläutert wurde. Eine spätere abweichende Verwendung wäre ein Verstoß gegen ordnungsgemäße Verwaltung.

4. Zusammenfassung

* Die Einladung muss keine Begründung der Sonderumlage enthalten; sie muss nur den Gegenstand des Beschlusses so bezeichnen, dass den Eigentümern der Abstimmungsinhalt und seine Tragweite erkennbar sind.
* Maßgeblich für die Wirksamkeit des Beschlusses ist die Beschlussfassung selbst, also was in der Versammlung erläutert und beschlossen wurde.
* Wird in der Versammlung klargestellt, dass die Sonderumlage zur Vorbereitung einer anstehenden Sanierung dienen soll, genügt dies den Anforderungen ordnungsgemäßer Verwaltung.
* Erfolgt dagegen keinerlei Konkretisierung des Zwecks, ist der Beschluss mangels Bestimmtheit anfechtbar.
* Auch eine als „Liquiditätsvorsorge" bezeichnete Sonderumlage ist zweckgebunden – an den in der Versammlung tatsächlich erläuterten Zweck, nicht an eine beliebige spätere Verwendung.

Mit freundlichen Grüßen

Hussein Madani
Rechtsanwalt

Bewertung des Fragestellers 6. Oktober 2025 | 17:20

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