Niederlegung eines Schriftstückes

17. September 2010 10:52 |
Preis: 30€ Historischer Preis
Hier finden Sie einen
Aktuellen Kostenvorschlag
|

Generelle Themen


Zusammenfassung

Wann ist die Zustellung eines Schriftstückes in einem familienrechtlichen Prozess erfolgt?

Die Zustellung eines Schriftstückes in einem familienrechtlichen Prozess ist erfolgt, wenn das Schriftstück in den Empfangsbereich des Empfängers gelangt ist. Dies kann beispielsweise durch Übergabe an den Empfänger selbst oder durch Einlegen in den Briefkasten geschehen. In bestimmten Fällen, wie beispielsweise bei Ladungen, genügt die Zustellung an einen der sorgeberechtigten Elternteile.

Es ist wichtig zu beachten, dass nicht alle Schriftstücke eines Gerichtsverfahrens formell zugestellt werden müssen. Nach § 15 FamFG sind nur solche Schriftstücke formell zuzustellen, die eine Frist auslösen.

Wenn der Empfänger behauptet, er habe von der Ladung keine Zustellung erhalten, ist entscheidend, wie er Kenntnis davon erlangt hat. Wurde er erst nach der Anhörung informiert, liegt ein Rechtsfehler vor, der zur sofortigen Beschwerde berechtigt. Hat er jedoch Kenntnis erlangt, sei es auch bloß mündlich, sind seine Interessen als Beteiligter ausreichend gewährt worden.

S.g. Damen und Herren,

im Rahmen eines familiengerichtlichen Prozesses wird behauptet, dass ein bestimmtes Schriftstück wegen der Unmöglichkeit der Auslieferung am Amtsgericht (in Bayern) niedergelegt wurde. Die offenbar vorgesehene Benachrichtigung über die Niederlegung habe ich jedoch nie erhalten (wodurch nun Fristen abgelaufen sind, etc.).

Der zustellende Justizwachtmeister behauptet, die Benachrichtigung in einem verschlossenen Kuvert mit einem Klebestreifen an die Wohnungstüre geklebt zu haben. Im Wohnhaus befinden sich etliche Gewerbebetriebe mit entsprechendem Parteienverkehr und die Gewerbebetriebe sorgen auch dafür, dass die Hauseingangstüre zumindest zu normalen Bürozeiten stets offengehalten ist.

Des Weiteren kommt es immer wieder mal zu verschwundenen Postsendungen (und sogar zu Erstattungen durch die Lieferunternehmen, weil diese oftmals Pakete einfach im Hausflur ablegen). Diesbzgl. gibt es seit längerem einen Kleinkrieg unter den Hausbewohnern/Gewerbetreibenden (so dass beispielsweise Briefkästen nicht mehr benutzt werden können). Die Hausverwaltung wurde bereits vor einigen Monaten in Kenntnis gesetzt, bleibt aber mehr oder weniger untätig.

Meine Frage: Man findet "Mit der Abgabe dieser schriftlichen Mitteilung über die Niederlegung eines zuzustellenden Schriftstücks gilt das Schriftstück als zugestellt...".

Kann im oben dargestellten Fall von einer ordnungsgemäßen Zustellung ausgegangen werden? Wenn die Aussage des Justizwachtmeisters stimmt (was vermutlich der Fall ist), muss die im Hausflur auf der Wohnungstüre außen angebrachte Mitteilung ganz offensichtlich von einem anderen Hausbewohner oder einem Kunden entfernt worden sein). Habe ich das nun zu beweisen oder gilt die Zustellung/Niederlegung als mangelhaft? Hat es Sinn, den hier mitgeteilten Sachverhalt auch dem Gericht mitzuteilen?

MfG.
Sehr geehrter Fragesteller,

anhand des von Ihnen mitgeteilten Sachverhalts beantworte ich ihre Frage wie folgt :

Eine Ersatzzustellung durch Niederlegung ist gemäß § 181 ZPO nur zulässig, wenn das Schriftstück Ihnen nicht zugestellt werden konnte und eine Ersatzzustellung in Ihrer Wohnung oder in Ihrem Geschäftsraum oder durch Einlegen in den Briefkasten nicht möglich war.

Gemäß § 181 Abs. 1 Satz 2 ZPO ist dann eine schriftliche Mitteilung über die Niederlegung des zuzustellenden Schriftstücks in der bei gewöhnlichen Briefen üblichen Weise abzugeben.
Das heisst, jede sonst von den Postzustellern praktizierten und von Ihnen hingenommene Art der Übergabe ist möglich.

Nur wenn dies alles nicht möglich war, darf der Justizwachtmeister die Mitteilung an der Wohnungstür befestigen.

Wenn z.B. ein Briefkasten vorhanden war, wäre diese Art der Zustellung unzuzlässig.
Falls die Voraussetzungen nicht vorlagen oder bei der Übergabe der Mitteilung Fehler gemacht wurden, ist die Zustellung unwirksam und damit wirkungslos.
Dies kann ich nicht beurteilen, weil hierzu keine Sachverhaltsangaben vorliegen.

Falls aber alles regelgerecht abgelaufen ist, wäre die Zustellung mit der Anbringung der Mitteilung an die Wohnungstür erfolgt. Es kommt dann nicht mehr darauf an, ob diese von Dritten später wieder entfernt worden ist oder dass Ihnen die Mitteilung überhaupt nicht zur Kenntnis gelangt ist.

In diesem Fall kommt eventuell noch die Einsetzung in den vorigen Stand gemäß § 233 ZPO in Betracht. Da ich nicht weiß, welche Fristen versäumt sind, kann ich hier nur allgemeine Hinweise geben.

Voraussetzung ist in jedem Fall, dass die Fristversäumnis und damit Ihre fehlende Kenntnis von der Zustellung unverschuldet ist. Dies halte ich nach Ihrem Vortrag für möglich. Es kann aber auf weitere Umstände ankommen, z.B. ob Sie mit dem Schriftstück rechnen mussten, ob Sie eine funktionierende Empfangseinrichtung für die Post vorhalten und regelmäßig kontrollieren. Falls hnen auch nur ein Mitverwchulden angelastet werden kann, wird die Wiereinsetzung wahrscheinlich scheitern.

Die Wiedereinsetzung müssen Sie beantragen und die Umstände, warum die Fristversäumung unverschuldet war, müssen dargelegt und glaubhaft gemacht werden. Zur Glaubhaftmachung kann außer den üblichen Beweismitteln auch Ihre Versicherung an Eides statt, dass die von Ihnen gemachten Angaben richtig und sie die Strafbarkeit (§ 156 StGB) einer falschen Versicherung kennen, kann ausreichend sein. Dies können aber nur Tatsachen sein, die Sie selbst wahrgenommen haben, z.B. dass sich die Mitteilung nicht an der Tür befand und Sie diese auch nicht an anderer Stelle vorgefunden haben, dass Sie regelmäßig und gewissenhaft Ihre Post geprüft haben, etc..

Wichtig ist außerdem, dass der Wiedereinsetzungsantrag und die verfristete Prozesshandlung binnen 2 Wochen beim Gericht eingehen müssen, §§ 234, 236 ZPO. Die Frist beginnt in der Regel schon ab der Kennntis davon, dass Ihnen das Schriftstück durch Niederlegung zugestellt wurde und nicht erst dann, wenn Sie es abholen, zu laufen.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit dieser ersten Einschätzung behilflich sein. Für eine Nachfrage stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Rückfrage vom Fragesteller 17. September 2010 | 15:59

S.g. Hr. RA,

ihren Ausführungen entnehme ich, dass es offenbar völlig unerheblich für die korrekte Zustellung ist, ob man als Empfänger Kenntnis davon erlangt hat oder nicht (die Anbringung an die Wohnungstüre war laut Gesetzestext wohl korrekt vom Justizwachtmeister vorgenommen worden). Selbst wenn die entsprechende Mitteilung gestohlen wurde, hat man die Nachteile zu akzeptieren.

Wenn dies so tatsächlich den Tatsachen entspricht, scheint mir hier ein nicht unerheblicher Mangel im System vorzuliegen und nicht nur, weil die Mitteilung ja vielleicht viele Wochen wegen Urlaubs an die Türe geklebt sein könnte, wobei dann mehrere hundert Kunden daran vorbeilaufen oder Nachbarn lange Zeit hätten, die Mitteilung "zu beseitigen". Es wäre den Justizwachtmeistern ja auch zumutbar, z.B. am Arbeitsplatz persönlich zuzustellen bzw. dies zumindest zu versuchen.

Bitte bestätigen Sie mir, dass meine Einwände völlig unerheblich sind und die Zustellung trotz offensichtlichen Diebstahls der Mitteilung und der Unmöglichkeit meiner Kenntnisnahme über die Niederlegung eines Schriftstückes ordnungsgemäß und rechtskräftig ist.

Vielen Dank! MfG.

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 17. September 2010 | 16:54

Sehr geehrter Fragesteller,

gerne beantworte ich Ihre Nachfrage.

Das Gericht veranlasst die Zustellung nur an die ihm genannte Anschrift. Zwar kann auch an die Arbeitsstelle zugestellt werden, aber nur, wenn diese vorher dem Gericht als Anschrift, an die zuzustellen ist, genannt wird.

Ich bestätige nochmals ausdrücklich, dass die Wirksamkeit der Zustellung nicht davon abhängt, dass Sie das Schriftstück tatsächlich erreicht hat, selbst wenn es gestohlen wurde.
In solchen Fällen sind Sie nur durch die Möglichkeit der Wiedereinsetzung geschützt.

Diese Regelung kann man als unzureichend empfinden. Sie entspricht aber seit Jahrzehnten der Gesetzeslage und wurde sowohl durch den Bundesgerichtshof als auch durch das Bundesarbeitsgericht so bestätigt.

Es tut mir leid, wenn diese Auskunft für Sie nicht zum gewünschten Erfolg führt. Ich hoffe, dass Ihnen noch die Möglichkeit der Wiedereinsetzung bleibt.

Mit freundlichen Grüßen

Ben Buder
Rechtsanwalt

Durchschnittliche Anwaltsbewertungen:
4,8 von 5 Sternen
(basierend auf 119006 Bewertungen)
FRAGESTELLER
Aktuelle Bewertungen
5,0/5,0
Vielen Dank für die ausführlichen Informationen. ...
5,0/5,0
Antwort war schnell und gut nachvollziehbar. Vielen Dank. ...
5,0/5,0
Vielen Dank, einer der Besten hier, wenn nicht sogar der Beste! Immer wieder gerne! ...