Lange Kündigungsfrist verkürzen durch Elternzeit - sinnvolle Möglichkeiten?

22. Juni 2020 10:54 |
Preis: 48,00 € |

Arbeitsrecht


Beantwortet von

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich arbeite als Führungskraft in einem Großkonzern und habe eine Kündigungsfrist von 6 Monaten zum Quartalsende. Im Februar haben wir Nachwuchs bekommen, so daß mir noch 2 Monate Elternzeit zustehen (meine Partnerin nimmt 12).

Ich bin aktuell in Verhandlung für eine neue Position außerhalb, aber bezweifle, daß wir noch im Juni einen Arbeitsvertrag hinbekommen.
Um nicht erst zum 1.4. starten zu können sehe ich folgende Optionen und bräuchte ihre Bewertung:

1) Kann ich die Kündigung einreichen z B im Juli -> Rechnerisches Austrittsdatum 1.4. -> und dann innerhalb der 6 Monate Kündigungsfrist Elternzeit nehmen? Muss der Arbeitgeber diese dann, trotz erfolgter Kündigung, genehmigen? Könnte ich trotz längerer Kündigungsfrist zum Ende der Elternzeit kündigen, oder übertrumpft in diesem Szenario die Kündigungsfrist die Elternzeit?

2) Oder sollte ich besser erst die Elternzeit einreichen und dann die Kündigung zum Enddatum der Elternzeit (mit genau 3 Monaten Vorlauf)?

3) Gibt es noch andere Möglichkeiten, aus dem laufenden Arbeitsvertrag und der langen Kündigungsfrist rauszukommen, um einen anderen Job annehmen zu können?

Gibt es noch etwas zu beachten? - Natürlich würde meinem Arbeitgeber auch eine Aufhebung vorschlagen, bin aber skeptisch, daß das klappt.

Vielen Dank vorab für Ihre Antwort!

Einsatz editiert am 22.06.2020 14:38:14
22. Juni 2020 | 16:28

Antwort

von


(1757)
Alexander-Puschkin-Str. 59
39108 Magdeburg
Tel: 0391-24306582
Tel: 0176-45636963
Web: https://www.frag-einen-anwalt.de/anwalt/Rechtsanwalt-Andreas-Wilke-__l108520.html
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Sehr geehrter Fragesteller,

gerne beantworte ich Ihre Frage unter Zugrundelegung Ihrer Angaben wie folgt:


Das Elternzeitgesetz hebt vertragliche Kündigungsfristen nicht auf.

Kündigen Sie also mit der 6-monatigen Kündigungsfrist, ist und bleibt diese wirksam. Während dieser Zeit können Sie die Elternzeit noch nehmen, da Sie ja auch in der Kündigungsfrist noch beschäftigt sind.

Wollen Sie aber von dem Sonderkündigungsrecht § 19 BEEG Gebrauch machen, muss dies auch fristtechnisch möglich sein.

Gesetz zum Elterngeld und zur Elternzeit (Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz - BEEG):

§ 19 Kündigung zum Ende der Elternzeit
Der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin kann das Arbeitsverhältnis zum Ende der Elternzeit nur!!! unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten kündigen.


Diese Möglichkeit kommt also nur in Betracht, wenn Sie eine dreimonatige Kündigung einhalten können.

Es fragt sich daher, wie diejenigen Fälle zu behandeln sind, in denen dem Arbeitgeber eine Kündigung gem. § 19 BEEG zugeht, aber die Elternzeit so kurz war, dass die 3-Monatsfrist nicht eingehalten werden konnte.

Dies ist umstritten und höchstrichterlich noch nicht geklärt.

Die harte Variante lässt die Kündigung dann als normale Kündigung gelten, Sie müssten sich also trotzdem an die 6-Monatsfrist halten.

Die restriktive Argumentation lässt die Dreimonatsfrist zu, allerdings müsste der Arbeitnehmer hier dann je nach Dauer der Elternzeit noch über diesen Zeitpunkt hinaus weiter arbeiten bis die Dreimonatsfrist erreicht ist.

Der Gesetzeswortlaut lässt die 2.Meinung meines Erachtens nicht zu, da eben nur! mit einer Kündigungsfrist von 3 Monaten zum Ende der Kündigungsfrist von diesem Sonderkündigungsrecht Gebrauch gemacht werden kann.

Deshalb empfehle ich Ihnen, die normale Kündigung auszusprechen (6Monate) und innerhalb dieser Frist die Elternzeit zu nehmen.

Das scheint mir die früheste Variante zu sein.

Ein Aufhebungsvertrag wäre sicherlich auch möglich, hier können Ihnen aber Ansprüche verlustig gehen, so dass der Inhalt sorgfältig zu prüfen wäre.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen weiterhelfen.

Viele Grüße!








Rückfrage vom Fragesteller 22. Juni 2020 | 17:07

Sehr geehrter Herr Wilke,

zunächst vielen Dank für Ihre Antwort. Lassen Sie mich bitte konkretisieren, damit ich Sie richtig verstehe:

Sie empfehlen also Variante 2 aus meinem Text:
"2) Oder sollte ich besser erst die Elternzeit einreichen und dann die Kündigung zum Enddatum der Elternzeit (mit genau 3 Monaten Vorlauf)?"

Das bedeutet, ich könnte
-gegen Ende Juli eine Elternzeit anmelden mit Vorlauf von 8 Wochen, die mir i. d. R. nicht verwehrt werden darf
-Die Elternzeit liefe dann im Beispiel von Ende September für 2 Monate bis Ende November
-Vor Ende August könnte ich mit 3 monatiger Frist zum Ende der Elternzeit Ende November "legal" kündigen
-Die tatsächliche Kündigungsfrist gem. Arbeitsvertrag bis Ende März wäre somit ausgehebelt

--> Ich wäre "frei" für neue Aufgaben ab 1.12. ?
--> Letzter Arbeitstag wäre technisch gesehen dann der Start der Elternzeit, wenn ich die Fristen entsprechend einhalte?

Noch einmal vielen Dank - das hilft mir wirklich weiter!

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 22. Juni 2020 | 18:11

Lieber Fragesteller,

Sie können das -so, wie von Ihnen in Ihrer Nachfrage beschrieben- gerne probieren.

Nur versprechen kann ich Ihnen nicht, dass Ihre Kündigung nicht trotzdem als ordentliche Kündigung mit 6 monatiger Frist gewährt wird.

Die Elternzeit beginnt ja nicht schon mit Antragstellung, weshalb Sie mit der Einreichungszeit meines Erachtens nicht den dritten Monat, den § 19 nach seinem Wortlaut zwingend verlangt, herausholen.

In jedem Fall aber sollten Sie die Kündigung auf § 19 BEEG stützen und „hilfsweise zum nächst möglichen Termin „ aussprechen.

Bitten Sie den Arbeitgeber um eine Bestätigung des benannten Wunschtermins.

Vielleicht kennt er die Raffinessen dieser doch komplexeren Regelung nicht und stimmt zu.

Viele Grüße!


Ergänzung vom Anwalt 22. Juni 2020 | 18:40
....wenn Sie die Chance haben wollen, in den Genuss des § 19 BEEG kommen zu können, dann sollten Sie die Genehmigung der Elternzeit abwarten und dann gleich kündigen, eventuell kommen Sie damit durch,

wenn Sie allerdings davon ausgehen, Ihr Arbeitgeber könnte es darauf ankommen lassen wollen, sich mit Ihnen um die möglichen Mehrmonate zu streiten, dann sollten Sie gleich kündigen und die Elternzeit in der Kündigungsfrist nehmen und beantragen.

In beiden Fällen kann der Arbeitgeber allerdings auch nicht zustimmen und dann müssten Sie ohnehin gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen.

Viele Grüße!
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