vielen Dank für die Anfrage über das Online Portal frag-einen-anwalt.
Vorweg möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, dass dieses Forum dafür angedacht ist, einen ersten Eindruck zu der Rechtslage zu vermitteln. Durch Weglassen oder Hinzufügen von wesentlichen Tatsachen kann die Beurteilung Ihres Anliegens völlig anders ausfallen.
Auf Grundlage Ihrer Angaben beantworte ich die Frage weiter wie folgt:
1)
Ein Kostenvoranschlag ist eine kaufmännische Vorkalkulation, die jedoch kein rechtsverbindliches Angebot zum Festpreis ist. Die Kalkulation ist jedoch zumindest mit einem rechtsverbindlichen Angebot vergleichbar, da die in einem Kostenvoranschlag getroffenen Aussagen den kalkulierten Gesamtpreis nicht mehr als 15 bis 20 Prozent überschreiten sollten.
Hauptmerkmale eines Kostenvoranschlags sind regelmäßig:
+ eine Beschreibung zu Art und Umfang der nötigen Arbeiten
+ die dafür nötige Arbeitszeit und die zugehörigen Arbeitskosten
+ das dafür nötige Material und die zugehörigen Materialkosten
+ der Erfüllungszeitraum
Der Kostenvoranschlag hat gesetzliche Regelungen in den Paragrafen § 632 Absatz 3 BGB und insbesondere § 650 BGB gefunden:
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§ 650 BGB
Kostenanschlag
(1) Ist dem Vertrag ein Kostenanschlag zugrunde gelegt worden, ohne dass der Unternehmer die Gewähr für die Richtigkeit des Anschlags übernommen hat, und ergibt sich, dass das Werk nicht ohne eine wesentliche Überschreitung des Anschlags ausführbar ist, so steht dem Unternehmer, wenn der Besteller den Vertrag aus diesem Grund kündigt, nur der im § 645 Abs. 1 bestimmte Anspruch zu.
(2) Ist eine solche Überschreitung des Anschlags zu erwarten, so hat der Unternehmer dem Besteller unverzüglich Anzeige zu machen.
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Selbst wenn es sich bei dem vom Unternehmer vorliegend erstellten "Angebot" um ein "Kostenangebot" handeln sollte, so wären Sie spätestens nach der/den Mitteilung(en) des Handwerkers nun nicht mehr auf der sicheren Seite - vgl. nur: Urteil des OLG Celle vom 03.04.2003, Az.:22 U 179/01, OLGR Celle 2003, 261.
2)
a)
Sie können nun als Besteller der Werkleistung vor Vollendung des Werkes jederzeit den Vertrag FRISTLOS kündigen - vgl.: § 649 BGB.
b)
Wenn Sie kündigen, so ist der Handwerker allerdings berechtigt, die vereinbarte Vergütung zu verlangen; er muss sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrags an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt.
Es wird vermutet, dass danach dem Unternehmer 5 vom Hundert der auf den noch nicht erbrachten Teil der Werkleistung entfallenden vereinbarten Vergütung zustehen (§ 649 BGB).
Die Angebotssumme lag vorliegend bei 11.600 Euro inkl. Mwst.
Der Handwerker fordert nun völlig überraschend eine Summe in Höhe von 16.500 Euro inkl. Mwst.
Wenn Sie also fristlos kündigen, so könnte er nach erster Einschätzung maximal
11.147 Euro
abzüglich der bereits bezahlten Abschlagszahlungen fordern.
Wohlgemerkt - vorausgesetzt, dass keine Baumängel vorliegen!
Diese genannte Summe ergibt sich gemäß § 649 BGB wie folgt:
11.600 Euro = 100 %
x = 85 %
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x = 9.860 Euro
Die erbrachten Leistungen (85 %) entsprechen gemäß Angebot 9.860 Euro inkl. Mwst.
Aus den restlichen 15 % (1.740 Euro) könnte der Handwerker unter Umständen (vgl.: § 649 BGB) 5 % fordern:
1.740 Euro = 100 %
x = 5 %
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x = 87 Euro
Bei fristloser Kündigung wären damit zu bezahlen:
Erbrachte Leistung (85 %) : 9.860 Euro
5 % aus den nicht Erbrachten 15% = + 87 Euro
Nachverhandelt: + 1.200 Euro
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Gesamt: 11.147 Euro
Sollten die von Ihnen gezahlten Abschlagszahlungen also 11.147 Euro bereits überschreiben, so dürfte der Unternehmer bei fristloser Kündigung wohl nichts mehr zu fordern haben.
3)
Wurde vorliegend neben dem "Angebot" ein schriftlicher Vertrag geschlossen, so sollte dieser von einem Anwalt eingehend geprüft werden.
Da der Handwerker nicht verhandlungsbereit zu sein scheint, könnten Sie also per Einschreiben mit Rückschein nun fristlos kündigen, sollten dabei nochmals auf die mehr oder weniger willkürliche Nichteinhaltung seines ursprünglichen "Angebots" Bezug nehmen und auch die von Ihnen in der Frage aufgeführten Punkte 1 bis 3 nochmal ansprechen/monieren.
In Betracht kommt vor dem Ausspruch der fristlosen Kündigung insbesondere auch, einen Bausachverständigen mit der Prüfung der erbrachten Leistungen hinsichtlich der befürchteten Mängel zu beauftragen!!!
Sollten nämlich tatsächlich Baumängel vorliegen, so wäre die Rechtslage grundlegend anders zu beurteilen.
Bedenken Sie bitte, dass ich Ihnen hier im Rahmen einer Erstberatung ohne Kenntnis aller Umstände keinen abschließenden Rat geben kann.
Bei Unklarheiten können Sie gerne die kostenfreie Nachfragefunktion benutzen.
Ich hoffe, Ihnen eine erste hilfreiche Orientierung ermöglicht zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Kohberger
Rechtsanwalt
Sehr geehrter Herr Kohberger,
vielen Dank für die schnelle und ausführliche Antwort.
Um Missverständnisse zu Vermeiden habe ich dazu eine Rückfrage.
In der Schilderung der Problemlage habe ich erläutert, dass ich ein Angebot und keinen Kostenvoranschlag erhalten habe. In wie weit kann ich mich trotzdem auf die für uns günstigen Regelungen zum Kostenvoranschlag stützen? Wie kann ich den Unterschied zwischen einem Kostenangebot (im konkreten Fall als Angebot bezeichnet) und einem quasi-Kostenvoranschlag (wenn auch nicht so benannt) erkennen? In der Tat ist die im 650 BGB erwähnte unverzügliche Informationen bei Kostenüberschreitung für uns vorteilhaft. Wir haben erst einen Monat nach Abschluss der Arbeiten von unserem Glück erfahren.
Vielen Dank!
Sehr geehrte(r) Fragesteller(in),
vielen Dank für die Nachfrage, die ich wie folgt beantworte.
1)
Der Kostenvoranschlag kann verschiedene Bedeutungen haben.
Auch das Gesetz geht davon aus, dass er lediglich eine unverbindliche Berechnung der voraussichtlichen Kosten im Rahmen der Vertragsanbahnung ist.
Mehr Sicherheit gibt dem Besteller nur die Vereinbarung eines "Festpreises".
Daher könnte man vorliegend gut vertreten, dass das von Ihnen eingeholte Angebot ein Kostenvoranschlag im Sinne des § 650 BGB darstellt und der Handwerker vorliegend eine vertragliche PLICHT, nämlich die Mitteilung, dass die Kosten das Angebot deutlich übereschreiten werden, verletzt hat.
Wird diese Anzeigepflicht verletzt, so muss der Unternehmer das sogenannte negative Interesse des Bestellers ersetzen.
Das heißt, dass Sie so zu stellen wären, wie Sie bei rechtzeitiger Anzeige stünden.
Einzelheiten sind dabei meist stark umstritten.
Teils wird wohl die Rechtsauffassung vertreten, dass der Besteller in Höhe des Kostenvoranschlages zuzüglich dessen zulässiger Überschreitung (15 bis 20 %) bezahlen muss, wenn er das erbrachte Werk behält - Celle NJW-RR 03, 1243.
2)
Bemerkenswert ist insbesondere, dass selbst ohne Kostenvoranschlag der Unternehmer zu einem Hinweis auf außergewöhnliche, vom Besteller nicht vorhersehbare Kostensteigerungen verpflichtet sein kann - so Köln NJW-RR 98, 1429.
In der Entscheidung des OLG Köln heißt es hierzug wie folgt:
"Der Höhe nach beschränkt sich der Vergütungsanspruch der Klägerin jedoch auf einen Betrag von 3.500,00 DM. Die Zuerkennung eines höheren Betrages verbietet sich unter Berücksichtigung des Rechtsgedankens des § 650 Abs. 2 BGB. Insoweit hat das Landgericht in seinen ergänzenden Ausführungen zutreffend darauf hingewiesen, daß die Klägerin eine vertragliche Nebenpflicht verletzt hat, indem sie die Beklagte nicht hinreichend deutlich darauf hingewiesen hat, daß die nach Stundenaufwand zu vergütenden Entwicklungs- und Anpassungsarbeiten sich weit schwieriger und zeitaufwendiger gestalteten als ursprünglich angenommen und daß damit auch ein beträchtliches Anwachsen der Kosten verbunden war. Zu einem derartigen Hinweis war die Klägerin spätestens zu dem Zeitpunkt verpflichtet, als die Entwicklungskosten einschließlich der Kosten der hierbei verwendeten Materialien eine Größenordnung von 3.500,00 DM brutto erreicht hatten...."
"Der Klägerin ist somit die SCHULDHAFTE VERLETZUNG einer als VERTRAGLICHE NEBENPLICHT bestehenden HINWEISPLICHT vorzuwerfen.
Dies hat unter Berücksichtigung des Grundsatzes von TREU UND GLAUBEN zur Folge, daß sie die Beklagte so zu stellen hat, wie diese bei rechtzeitigem Hinweis auf die unvorhergesehene Ausdehnung der Entwicklungskosten und einer daraufhin ausgesprochenen Kündigung stehen würde (vgl. Palandt/Thomas, BGB, 56. Aufl., § 650 Rdn. 3). Der Senat hält insoweit den Ansatz einer fiktiven Kostengrenze von brutto 3.500,00 DM für sachgerecht..."
Quelle: OLG Köln, 16.01.1998 - 19 U 98/97
Ich hoffe, ich konnte Ihre Rechtsfragen hinreichend und verständlich beantworten.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Kohberger
Rechtsanwalt
Kündigungsrecht des Bestellers
Der Besteller kann bis zur Vollendung des Werkes jederzeit den Vertrag kündigen. Kündigt der Besteller, so ist der Unternehmer berechtigt, die vereinbarte Vergütung zu verlangen; er muss sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrags an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Es wird vermutet, dass danach dem Unternehmer 5 vom Hundert der auf den noch nicht erbrachten Teil der Werkleistung entfallenden vereinbarten Vergütung zustehen.