Antwort
vonRechtsanwalt Olaf Tank, Wirtschaftsjurist
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Sie schildern, dass Ihnen nach einem durch einen eCall ausgelösten Feuerwehreinsatz Kosten in Höhe von 900 € auferlegt wurden. Sie befinden sich in Elternzeit, beziehen den Höchstbetrag des Elterngeldes und müssen davon auch die private Krankenversicherung für sich und Ihre Kinder bezahlen. Rücklagen bestehen nicht, da das geerbte Haus kürzlich renoviert werden musste. Sie haben bereits Widerspruch gegen den Kostenbescheid eingelegt. Im Folgenden erläutere ich Ihre rechtlichen Möglichkeiten und die Voraussetzungen einer unbilligen Härte im Verwaltungsrecht.
1. Rechtliche Grundlage der Kostenforderung
Die Gemeinde verlangt die Erstattung der Einsatzkosten der Feuerwehr. Grundlage hierfür ist in der Regel das jeweilige Landesrecht, insbesondere die Feuerwehrgesetze der Länder und die dazugehörigen Kostenersatzsatzungen. Ein Kostenersatz kann verlangt werden, wenn der Einsatz durch eine fahrlässige oder vorsätzliche Handlung verursacht wurde.
In Ihrem Fall wurde der Einsatz durch einen technischen Notruf (eCall) ausgelöst, nachdem Ihr Handy vom Autodach gefallen ist. Es ist zu prüfen, ob Ihnen insoweit ein fahrlässiges Verhalten vorgeworfen werden kann und ob der Umfang des Einsatzes (über 30 Einsatzkräfte statt einer Staffel) verhältnismäßig war.
2. Verhältnismäßigkeit des Einsatzes
Nach Ihrer Schilderung sieht die Alarm- und Ausrückeordnung für einen technischen Hilfeleistungseinsatz (THL 2) lediglich eine Staffel vor. Die Entsendung von mehr als 30 Einsatzkräften könnte daher unverhältnismäßig gewesen sein. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens sollten Sie die Gemeinde auffordern, die Notwendigkeit und Angemessenheit des Einsatzumfangs zu begründen. Nur die tatsächlich erforderlichen und angemessenen Kosten dürfen Ihnen auferlegt werden.
3. Unbillige Härte im Verwaltungsrecht
a) Begriff und Voraussetzungen
Eine unbillige Härte liegt vor, wenn die Anwendung einer gesetzlichen Regelung im Einzelfall zu einem Ergebnis führt, das mit dem Gerechtigkeitsgedanken nicht mehr vereinbar ist. Im Verwaltungsrecht ist dies insbesondere dann der Fall, wenn die wirtschaftliche Existenz des Betroffenen durch die Kostenforderung gefährdet wird.
Typischerweise wird eine unbillige Härte angenommen, wenn das Einkommen auf Sozialhilfeniveau sinkt oder die Zahlung der Forderung existenzbedrohende Folgen hätte. Maßgeblich ist eine umfassende Würdigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse.
b) Anwendung auf Ihren Fall
Sie befinden sich in Elternzeit, beziehen Elterngeld und müssen davon die private Krankenversicherung für sich und Ihre Kinder bestreiten. Rücklagen sind nicht vorhanden. Sollte die Zahlung der 900 € dazu führen, dass Sie Ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten können, kann dies eine unbillige Härte darstellen.
Sie sollten im Widerspruchsverfahren Ihre wirtschaftliche Situation offenlegen und darlegen, dass die Zahlung der Kostenforderung Ihre Existenz gefährden würde. Hierzu zählen insbesondere:
Höhe des Elterngeldes
Monatliche Belastungen (insbesondere PKV-Beiträge)
Fehlende Rücklagen
Laufende Kosten für das geerbte, renovierungsbedürftige Haus
Unterhaltspflichten gegenüber den Kindern
4. Weitere Möglichkeiten im Widerspruchsverfahren
Prüfung der Rechtmäßigkeit des Kostenbescheids: Fordern Sie eine detaillierte Aufstellung der Einsatzkosten und eine Begründung für den Umfang des Einsatzes an.
Antrag auf Reduzierung oder Erlass der Kosten: Beantragen Sie unter Hinweis auf Ihre wirtschaftliche Situation und eine mögliche unbillige Härte eine Reduzierung oder einen vollständigen Erlass der Kosten.
Ratenzahlung: Sollte ein vollständiger Erlass nicht möglich sein, kann zumindest eine Stundung oder Ratenzahlung beantragt werden.
5. Zusammenfassung und Empfehlung
Die Gemeinde darf nur die tatsächlich erforderlichen und verhältnismäßigen Kosten verlangen.
Eine unbillige Härte kann vorliegen, wenn die Zahlung der Kostenforderung Ihre wirtschaftliche Existenz gefährdet.
Legen Sie im Widerspruchsverfahren Ihre wirtschaftliche Situation umfassend dar und beantragen Sie ggf. eine Reduzierung, einen Erlass oder eine Stundung der Kosten.
Fordern Sie eine genaue Begründung für den Umfang des Einsatzes und die Höhe der Kosten.
Sollten Sie weitere Unterlagen (z. B. den Kostenbescheid oder die Alarm- und Ausrückeordnung) benötigen, empfehle ich, diese im Rahmen des Widerspruchsverfahrens anzufordern und ggf. ergänzend vorzutragen.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Rechtsanwalt Olaf Tank, Wirtschaftsjurist
Es war ein Samstag im August, ca. 12.20 Uhr. Ausser meinem eCall ging kein weiterer Notruf ein. Der Notruf wurde auf einer Staatsstrasse ausgelöst, einer Umgehung. Hinter meinem Auto waren bereits 2 andere Wägen und mir kamen einige entgegen, wie hoch stehen meine Chancen auf Unverhältnismäßigkeit?
nach Ihrer Schilderung wurde auf einer Staatsstraße (Umgehung) durch Ihr Fahrzeug ein eCall-Notruf ausgelöst. Es war Samstagmittag, es herrschte reger Verkehr (hinter Ihnen zwei Fahrzeuge, Gegenverkehr vorhanden), und es wurde kein weiterer Notruf abgesetzt.
1. Rechtlicher Rahmen des eCall-Notrufs
Der eCall ist ein automatisches Notrufsystem, das bei einem Unfall selbstständig einen Notruf an die zuständige Leitstelle absetzt. Ziel ist es, im Falle eines schweren Unfalls schnell Rettungskräfte zu alarmieren, um Menschenleben zu retten und Verletzungen zu minimieren. Die Auslösung des eCall ist gesetzlich geregelt und erfolgt unabhängig vom Willen des Fahrers, sobald bestimmte Sensoren im Fahrzeug einen Unfall detektieren.
2. Unverhältnismäßigkeit – Maßstab und Bedeutung
Unverhältnismäßigkeit im rechtlichen Sinne bedeutet, dass eine Maßnahme im Verhältnis zum angestrebten Zweck außer Verhältnis steht, also über das erforderliche Maß hinausgeht. Im Kontext eines eCall-Notrufs stellt sich die Frage, ob das Auslösen des Notrufs und die daraufhin eingeleiteten Maßnahmen (z.B. Einsatz von Rettungskräften) im konkreten Fall unangemessen waren.
a) Automatisierter Notruf und Verhältnismäßigkeit
Da der eCall automatisch ausgelöst wird, ist eine individuelle Prüfung der Verhältnismäßigkeit im Moment der Auslösung nicht möglich. Die Maßnahme ist gesetzlich vorgesehen und dient dem Schutz von Leben und Gesundheit. Die Schwelle für die Auslösung ist bewusst niedrig angesetzt, um im Zweifel lieber einmal zu viel als einmal zu wenig Hilfe zu leisten.
b) Verkehrssituation und Notwendigkeit
Die Tatsache, dass hinter Ihnen bereits zwei Fahrzeuge standen und Ihnen weitere entgegenkamen, spricht für eine belebte Straße. In solchen Situationen ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass im Falle eines tatsächlichen Notfalls schnelle Hilfe erforderlich ist. Auch wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass kein schwerwiegender Unfall vorlag, ist die Auslösung des eCall-Notrufs in der Regel nicht als unverhältnismäßig anzusehen, da die Entscheidung automatisiert und präventiv erfolgt.
c) Kein weiterer Notruf – Bedeutung für die Bewertung
Dass kein weiterer Notruf abgesetzt wurde, ist für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit unerheblich. Der eCall ist gerade dafür konzipiert, auch dann Hilfe zu rufen, wenn die Insassen dazu nicht mehr in der Lage sind. Die Leitstelle prüft nach Eingang des Notrufs, ob tatsächlich ein Notfall vorliegt, und kann gegebenenfalls den Einsatz anpassen oder abbrechen.
3. Chancen auf Anerkennung der Unverhältnismäßigkeit
Ihre Chancen, dass das Auslösen des eCall-Notrufs oder die daraufhin erfolgten Maßnahmen als unverhältnismäßig eingestuft werden, sind nach der aktuellen Rechtslage als sehr gering einzuschätzen. Die automatisierte Auslösung ist gesetzlich gewollt und dient dem Schutz von Leben und Gesundheit. Selbst wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass kein Notfall vorlag, wird dies in der Regel nicht als unverhältnismäßig bewertet.
4. Fazit
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Auslösung eines eCall-Notrufs auf einer belebten Staatsstraße grundsätzlich nicht als unverhältnismäßig angesehen wird. Die gesetzlichen Vorgaben und der präventive Charakter des Systems stehen dem entgegen. Ihre Chancen, eine Unverhältnismäßigkeit erfolgreich geltend zu machen, sind daher als sehr gering zu bewerten.