Erbrecht - Enteignung eines Kindes durch Verschenken des Elternhauses

11. Dezember 2021 16:04 |
Preis: 60,00 € |

Erbrecht


Ich habe zwei Geschwister. In einem Testament aus dem Jahre 1974 setzen sich meine Eltern gegenseitig zu Alleinerben ein. Nach dem Tode des Letztüberlebenden sollte der Nachlass als Ganzes zu gleichen Teilen von meinen beiden Geschwistern und mir geerbt werden. In Abänderung dieses Testamentes setzten meine Eltern 1999 ein neues Testament auf, in dem sie bestimmten, dass meine Schwester nun die Hälfte des Erbteils an dem elterlichen Hauses erhalten soll und mein Bruder und ich je ein Viertel. Die übrigen Vermögenswerte sollen zu gleichen Teilen an die Kinder gehen.

Am Ende des von meinem Vater und von meiner Mutter unterzeichneten Testamentes steht die folgende Erklärung.
„Der überlebende Ehegatte soll das Recht haben, den Nachlass anders zu vererben, wenn unvorhergesehene Ereignisse eintreten oder eines der Kinder Schwierigkeiten wegen der Verteilung macht".

Mein Vater starb im Jahr 2000 und meine Mutter lebt noch. Vor ca. 15 Jahren hatte ich den Kontakt zu meiner Mutter wegen Meinungsverschiedenheiten abgebrochen, was meine Mutter seinerzeit bedauerte. Zu meiner Schwester habe ich schon Jahrzehnte keinen Kontakt mehr, zu meinem Bruder seit 3 Jahren nicht mehr, nachdem ich bemerkte, dass er ohne für mich erkennbare Gründe keinen Kontakt mehr zu mir wollte.

Frage
Kann mich meine Mutter enterben, in dem sie das Haus und weitere Vermögenswerte ganz oder teilweise an meine Geschwister oder deren Kinder verschenkt und gehe ich dann nach Ablauf von 10 Jahren leer aus oder wäre das dann eine böswillige Schenkung bzw. eine beeinträchtigende Schenkung nach § 2287 BGB? Oder kann ich durch Verkauf des Elternhauses (insbesondere Verkauf gegen Leibrente oder Verkauf mit Nießbrauch) quasi enteignet werden? Oder kann meine Mutter andere Möglichkeiten nutzen, um mich „leer" ausgehen zu lassen?
Sehr geehrter Fragesteller,


Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen wie folgt beantworten:

Das neue Testament Ihrer Eltern enthält eine Änderungsbefugnis hinsichtlich der Schlusserbeneinsetzung. Der Überlebende soll eine Änderung der Schlusserben vornehmen dürfen, „wenn unvorhergesehene Ereignisse eintreten". Das wird so zu interpretieren sein, dass keine ganz bestimmten Vorkommnisse erforderlich sind, sondern eine freie Entscheidung des überlebenden Ehepartners - auch aufgrund des Kontaktabbruchs -ausreichen dürfte. Das Recht, ein neues Testament zu machen, hat Ihre Mutter damit. Wenn Ihre Mutter eine anderweitige Erbfolge bestimmt, bedeutet das für Sie, dass Sie nur den Pflichtteil und ggf. einen Ergänzungspflichtteil geltend machen können.

Bei Verfügungen unter Lebenden kann das Verschenkte für die Berechnung der Pflichtteilsergänzungsansprüche innerhalb von zehn Jahren (abschmelzend) dem Nachlass hinzugerechnet werden. Diese Frist beginnt allerdings nicht zu laufen, wenn der Schenker sich den Nießbrauch vorbehält.

Grundsätzlich gilt: Der Eigentümer kann mit seinem Vermögen nach Belieben verfahren. Es gibt keinen Anspruch der Kinder, dass das Vermögen erhalten bleibt, damit sie möglichst viel erben.


Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen.

Mit freundlichen Grüßen aus Wunstorf

Anja Holzapfel
-Rechtsanwältin-
Rückfrage vom Fragesteller 11. Dezember 2021 | 17:42

Sehr geehrte Frau Holzapfel,

vielen Dank für Ihre rasche Antwort. Sie haben meine Fragen jedoch nicht konkret beantwortet. Bitte holen Sie das noch nach.

Mit freundlichen Grüßen

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 11. Dezember 2021 | 17:52

Sehr geehrter Fragesteller,


gerne will ich meine Antwort noch einmal verdeutlichen:

Ja, Ihre Mutter kann Sie enterben, also ein Testament mit einer Erbfolge abfassen, in der Sie nicht erben. Dann haben Sie einen Pflichtteilsanspruch.

Ja, Ihre Mutter kann ihr Vermögen weitgehend verschenken. Ggf. ergeben sich dann Pflichtteilsergänzungsansprüche, je nach Zeitablauf und juristischer Gestaltung.

Ja, Ihre Mutter kann das Haus verkaufen und den Erlös für sich verwenden oder verschenken. Auch hier können Sie je nach Zeitablauf seit der Schenkung Pflichtteilsergänzungsansprüche haben.

Mit freundlichen Grüßen

Anja Holzapfel

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