Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Aus Ihren Angaben geht nicht zweifelsfrei hervor, was Ihre Eltern verfügen wollten.
Berliner Testament
Beim Berliner Testament setzen sich die Eheleute durch gemeinschaftliches Testament gegenseitig zu Erben und einen Dritten zum Erben des Längstlebenden. Die beiden Vermögen der Ehegatten fallen durch den ersten Erbfall zusammen und werden dann als Ganzes an den Dritten weitervererbt.Der überlebende Ehegatte wird Vollerbe. Er kann über das Vermögen frei verfügen.
Vor- und Nacherbfolge
Bei der Anordnung einer Vor- und Nacherbfolge setzen sich die Eheleute in einem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig als Vorerben und den Dritten zum Nacherben ein. Mit dem Tod des ersten Ehegatten wird der überlebende Ehegatte allerdings nicht Vollerbe, sondern nur Vorerbe. Der Nachlass des erstverstorbenen Ehegatten fällt nicht mit dem Vermögen des länger Lebenden zusammen. Beim Nacherbfall erhält also der Dritte zwei verschiedene Vermögensmassen: das Vermögen des erstverstorbenen Ehegatten als Nacherbe und das des zuletzt Verstorbenen als Vollerbe.
Das Gesetz geht im Zweifel bei einem gemeinschaftlichen Testament davon aus, dass keine Vor- und Nacherbfolge gelten soll. Deshalb müssen Sie, falls diese gewollt ist, in Ihrem Testament exakt und eindeutig die Vor- und Nacherbfolge formulieren.
In dem Testament Ihrer Eltern ist beides angeordnet. Es liegt daher eine perplexe Erklärung vor. Einmal darf die Mutter frei verfügen, einmal nicht. Bei einem gemeinschaftlichen Testament orientiert sich die Auslegung am Willen der Erblasser. Durch Auslegung wird man zu dem Ergebnis kommen, dass ein Berliner Testament mit freier Verfügung gewollt war.
Der Nacherben-Passus ist daher ungültig.
Ihr Bruder konnte somit wieder frei über den Grundbesitz verfügen.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
RA Richter