17. Juni 2025
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17:47
Antwort
vonRechtsanwalt Dr. Stefan Sepp Lorenz, Steuerberater, LL.M. oec., Diplom-Finanzwirt (FH)
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Auch das von Ihnen praktizierte Wechselmodell (Nestmodell), bei dem Sie und Ihre Ehefrau die Betreuung Ihrer Kinder partnerschaftlich und mit geteiltem Aufenthalt im gemeinsamen Haus organisieren, ändert daran nach bisheriger Handhabung nichts. Die Berliner Finanzverwaltung sowie die Rechtsprechung erkennen bislang weder das Kindeswohl noch das Wechselmodell als eigenständige Gründe für eine Befreiung an. Die Vorschrift wurde ausdrücklich auf Ehepaare zugeschnitten, um Missbrauch und steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten einzuschränken. Auch andere familiäre Bindungen wie Partnerschaften, nichteheliche Lebensgemeinschaften oder Betreuungspflichten für Kinder werden nicht gleichgestellt.
Im Rahmen eines formlosen Antrags auf Befreiung könnten Sie dennoch ausführlich schildern, dass Ihre Bindung an den Hauptwohnsitz außerhalb Berlins ausschließlich wegen Ihrer Kinder besteht, Sie eine intensive Betreuung im Rahmen des Wechselmodells ausüben und Ihr Lebensmittelpunkt dadurch eindeutig im gemeinsamen Haus außerhalb Berlins liegt. Wichtig wäre, dem Amt darzulegen, dass Ihr doppelter Haushalt nicht aus steuerlicher Gestaltung, sondern zum Wohl der Kinder geführt wird. Sie könnten anführen, dass eine Ungleichbehandlung im Vergleich zu verheirateten, nicht getrennt lebenden Paaren im Hinblick auf das allgemeine Gleichbehandlungsgebot (Art. 3 Grundgesetz) fragwürdig ist. Allerdings ist die Berliner Verwaltungspraxis in der Auslegung der Vorschriften sehr konsequent und weist regelmäßig auf die fehlende gesetzliche Grundlage für eine Ausweitung des Befreiungstatbestandes hin.
Das Finanzamt ist an die geltende Satzung gebunden. Ein positiver Bescheid ist aus rechtlicher Sicht unwahrscheinlich, solange keine Gesetzesänderung erfolgt oder die Rechtsprechung eine neue Auslegung vorgibt. Ein Widerspruch gegen eine ablehnende Entscheidung kann dennoch Sinn machen, um zumindest einen Präzedenzfall zu schaffen und möglicherweise über den Klageweg eine neue Beurteilung zu erreichen. In vergleichbaren Fällen wurden Klagen bislang jedoch von den Gerichten abgewiesen.
Nach derzeitigem Stand sieht die Berliner Zweitwohnungssteuersatzung keine Ausnahme für Ihre familiäre Situation vor. Der Gesetzgeber hat bewusst den Familienstand (verheiratet und nicht dauerhaft getrennt lebend) zum Kriterium für die Befreiung gemacht und lässt für andere Konstellationen aktuell keinen Spielraum. Sie können versuchen, mit einer detaillierten, individuellen Begründung dennoch eine Befreiung zu beantragen, müssen aber damit rechnen, dass Ihr Antrag abgelehnt wird. Ein gerichtliches Vorgehen wäre möglich, aber die Erfolgsaussichten sind nach aktueller Rechtsprechung als äußerst gering einzuschätzen.
Ich hoffe das hilft für die erste Einschätzung, viele Grüße und einen tollen Tag!