ALG II Rückzahlung wegen Selbstständigkeit

7. Mai 2012 15:10 |
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Vertragsrecht


Beantwortet von

Guten Tag,

mein Lebensgefährte ist seit Anfang 2009 selbstständig, er hat weiterhin ALG II und Einstiegsgeld erhalten. Der Laden, den er führt, läuft ganz gut. Er hat deshalb öfter (ca. 10 mal) versucht, telefonisch jemand beim Jobcenter zu erreichen um zu fragen, ob die ALG II Bezüge nicht der Einnahmesituation angepasst werden müssen. Irgendwie war ständig niemand zu erreichen oder in Fortbildung. Die Einnahmeentwicklung wurde vom Jobcenter auch nicht erfragt. Anfang August 2011 schrieb er dem Jobcenter einen Brief mit der Bitte, nur noch die Hälfte der Leistungen auszuzahlen und das Einkommen aus Selbstständigkeit höher anzusetzen. Dann kam kurz später ein Aufhebungs- und Erstattungsbescheid, mein Lebensgefährte soll fast 4000 Euro (seit 2009!) zurückzahlen wegen § 50 X SGB und § 48 X SGB. Mein Lebensgefährte hat doch nicht grob fahrlässig oder vorsätzlich nach der letzten Vorschrift gehandelt, er hat sich doch um Kontaktaufnahme bemüht, auch hätte das Jobcenter doch mal früher fragen können, wie sich der Laden entwickelt. Wir haben Widerspruch gegen den Bescheid eingelegt, leider ohne Erfolg. Irgendwie sehen wir die Schuld beim Jobcenter und wollen deshalb nicht zahlen. Wenn wir 2000 Euro zahlen müssen, wäre es für uns vielleicht noch in Ordnung, aber alles andere ist einfach zuviel Geld.
Was raten Sie uns? Soll vor dem Sozialgericht geklagt werden, d.h. gibt es zumindest eine halbwegs realistisch Chance, zu gewinnen? Kann man den Bescheid auch noch irgendwie anders überprüfen lassen? Läßt sich das Jobcenter vielleicht auf einen Vergleich ein? Für Ihre Hilfe sind wir Ihnen dankbar!
7. Mai 2012 | 17:40

Antwort

von


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60431 Frankfurt
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Web: https://www.frag-einen-anwalt.de/anwalt/Rechtsanwaeltin-Jutta-Petry-Berger-__l102476.html
E-Mail: petry-berger@t-online.de

Sehr geehrte Fragestellerin,

ich bedanke mich für Ihre online-Anfrage, zu der ich wie folgt Stellung nehme:

Die Mitwirkungspflichten des Sozialleistungsberechtigten während des Leistungsbezugs ist in § 60 SGB I geregelt. Eine Änderung in den Verhältnissen bedingt u. U., dass der Bescheid über die Leistungsbewilligung aufzuheben ist, insbesondere gem. § 48 SGB X wegen wesentlicher Änderungen in den Verhältnissen. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass der Leistungsberechtigte hinreichend klar und unmissverständlich über die Umstände aufzuklären ist, von deren Änderung er den Sozialleistungsträger zu informieren hat. Hierfür werden regelmäßig ausführliche Hinweise und Belehrungen zu Mitteilungspflichten während des Leistungsbezugs in Bewilligungs- oder Folgebescheiden erteilt.

Unterstellt die Leistungsbescheide enthielten die erforderlichen Hinweise auf die Mitteilungspflichten, ist weiterhin zu prüfen, ob es Ihr Lebensgefährte dabei belassen durfte, mit dem Leistungsträger zunächst nur telefonisch in Kontakt zu treten. § 60 Abs. 2 SGB I bestimmt zur Erleichterung und Vereinfachung sowohl für den Leistungsberechtigten als auch für den Leistungsträger, dass Vordrucke zur Angabe von Umständen i.S.v. § 60 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Nr. 2 SGB I genutzt werden sollen. Es genügt allerdings, wenn die Mitteilung der wesentlichen erforderlichen Tatsachen durch formlose Schreiben außerhalb eines Antragsvordrucks erfolgt. Zwar werden grundsätzlich auch telefonische Mitteilungen beachtlich sein. War der Leistungsträger jedoch wiederholt telefonisch nicht zu erreichen, dann wird dies Ihren Lebensgefährten meiner ersten Einschätzung nach auch in einem sozialgerichtlichen Verfahren voraussichtich nicht entlasten. Denn missachtet der Begünstigte die klaren und eindeutigen Hinweise im einem Leistungsbescheid oder in einem Merkblatt und konnte er dies nach seiner Persönlichkeitsstruktur und seinem Bildungsstand erkennen, so begründet dies im Regelfall zumindest grobe Fahrlässigkeit. Warum Ihr Lebensgefährte nicht in der Lage war, die eingetretenen Änderungen schriftlich früher mitzuteilen, wird wohl eher nicht schlüssig erklärt werden können. Im Übrigen besteht im Sozialrecht zwar der Untersuchungsgrundsatz. Hiernach ermittelt die Behörde den für das Verwaltungsverfahren bedeutsamen Sachverhalt von Amts wegen. Nach Erlass des Leistungsbescheides wird jedoch der (ungefragten) Mitteilungspflicht der Vorrang einzuräumen sein. Unter Darlegung der persönlichen Verhältnisse werden Vergleichsverhandlungen mit dem Jobcenter jedoch ggf. erfolgreich sein.

Mit freundlichen Grüßen
RA Petry-Berger


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