ALG I, Ruhezeitraum

15. September 2025 22:08 |
Preis: 65,00 € |

Sozialrecht


Beantwortet von

Ich habe am 21.7.2025 von einem Sonderkündigungsrecht wegen Umfirmierung Gebrauch gemacht und zum 23.7.2025 meine Arbeitsstelle gekündigt. Am 24.7.2025 habe ich mich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos beziehungsweise arbeitssuchend gemeldet. Am 25.7.2025 wurde ich bis einschließlich 22.8.2025 arbeitsunfähig geschrieben. Mein alter Arbeitgeber hat mir danach restliche Urlaubstage abgegolten, wodurch ich quasi bis einschließlich 03.08.2025 dort als Arbeitnehmer geführt war. Zumindest habe ich es so verstanden beziehungsweise so kann ich es ausdrücken.

Nun sagt die Agentur für Arbeit, da ich am 25. Juli arbeitsunfähig geschrieben wurde und sie zu diesem Zeitpunkt wegen der Urlaubsabgeltung nicht für mich zuständig war, falle meine Erkrankung in
einen so genannten Ruhezeitraum. Somit habe ich aus deren Sicht keinen Anspruch auf Krankengeld, dass im Prinzip durch die Agentur für Arbeit veranlasst beziehungsweise ausgezahlt wird.

Die Krankenkasse sagt, sie hat keine Möglichkeit, Anspruch auf Krankengeld zu prüfen beziehungsweise Krankengeld auszahlen zu können da ich zum Zeitpunkt der Erkrankung nicht krankenversichert gewesen sei, weil das der Zeitpunkt der Urlaubsabgeltung gewesen sei.

Ab dem 23. August war ich nicht mehr arbeitsunfähig. Zum 1. September habe ich eine neue Arbeitsstelle angefangen. Somit hat mir die Agentur für Arbeit vom 23. August bis zum 31. August ALG I gezahlt.

Für den Zeitraum 4. August bis einschließlich 22. August stehe ich nach derzeitigen Stand ohne ALG I und ohne Krankengeld da.

Kann das so richtig sein?

Wenn dem so wäre, stehen mir für diesen Zeitraum irgendwelche anderen Gelder zu?

Ich kann es nicht fassen, dass ich aufgrund eines zeitlichen Ablaufes, den ich nicht beeinflussen konnte, nach knapp 40 Jahren Einzahlung in die Arbeitslosenversicherung, ohne alles für einen Zeitraum von drei Wochen dastehen soll.
15. September 2025 | 23:58

Antwort

von


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Gerne zu Ihren Fragen betreffend ALG I – „Ruhezeitraum" wegen Urlaubsabgeltung, Arbeitsunfähigkeit vom 25.07. bis 22.08.2025.

Die Nichtzahlung von ALG I während der durch Urlaubsabgeltung verursachten [i]Ruhenszeit[/i] scheint rechtlich korrekt.
Denn eine Urlaubsabgeltung verlängert das Arbeitsverhältnis nicht, sondern entschädigt den nicht gewährten Urlaub nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Dass Sie „bis 03.08." noch als Arbeitnehmer „geführt" worden seien, ist daher rechtlich unzutreffend – das ist ein verbreitetes Missverständnis.

Erhalten Arbeitslose wegen Beendigung der Beschäftigung eine Urlaubsabgeltung, ruht der Anspruch auf ALG I für die Zeit, die der abgegoltene Urlaub rechnerisch umfasst (Beginn: Tag nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses). Das ist ständige Verwaltungspraxis und Sozialgerichtsbarkeit. Prüfen könnte man aber, ob die Agentur die Ruhensdauer korrekt berechnet hat (maßgeblich sind die individuellen Arbeitstage/Rhythmen).

Ebenso ist es regelmäßig richtig, dass nach Ende der Ruhenszeit kein ALG I gezahlt wird, solange die Arbeitsunfähigkeit fortbesteht und noch kein laufender ALG-I-Bezug bestand, denn es fehlt an der [i]„Leistungsfortzahlung im Krankheitsfall"[/i], die nur greift, wenn man bei Eintritt der AU bereits ALG I erhält).

Die Aussage [i]„Sie waren zum Zeitpunkt der AU nicht krankenversichert" [/i]ist m.E. nach der Rechtslage so nicht haltbar: Es muss entweder ein [i]nachgehender Anspruch[/i] oder ersatzweise eine [i]Anschlussversicherung[/i] bestehen – nur die Art des Schutzes entscheidet darüber, ob Krankengeld fließt. Dieses Abgrenzungsproblem ist durch höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt und beruht auf einer Prognoseentscheidung der Kasse zum Ende der Pflichtversicherung.

Ob Sie in der Lücke Krankengeld beanspruchen können, hängt mithin maßgeblich davon ab, welchen Krankenversicherungsstatus Ihre Kasse [b]zum Ende des Beschäftigungsverhältnisses angenommen hat:[/b]

Der Dreh- und Angelpunkt ist die Statusentscheidung Ihrer Kasse zum 24.07./25.07.:

[b]Möglichkeit A[/b] – „nachgehender Leistungsanspruch" (einmonatiger Nachlauf der GKV-Leistungen): Dann kann Krankengeld ab Beginn der AU (25.07.) bis längstens 22.08. in Betracht kommen, sofern innerhalb eines Monats eine andere Absicherung einsetzt (hier: ALG-I-Pflichtversicherung ab 23.08.) und keine konkurrierende Absicherung (Familienversicherung, Anschlussversicherung) vorliegt.

[b]Möglichkeit B[/b] – „obligatorische Anschlussversicherung" (automatische freiwillige Mitgliedschaft): Dann kein Krankengeld in den ersten 6 Wochen der AU; die Kasse wäre aber trotzdem zuständig für Sachleistungen. Nach dieser Variante bestünde für Ihren AU-Zeitraum faktisch kein Geldleistungsanspruch.

Die pauschale Aussage Ihrer Kasse, Sie seien „nicht krankenversichert" gewesen, überzeugt also nicht. Entweder galt Nachgehender Anspruch (dann Krankengeld vom 25.07. bis 22.08. möglich), oder es lief eine Anschlussversicherung (dann zwar Sachleistungen, aber kein Krankengeld in den ersten 6 Wochen). Angesichts des taggenauen Eintritts der AL-Pflichtversicherung am 23.08. bestehen gute Argumente, den nachgehenden Anspruch und damit Krankengeld durchzusetzen. Das wird von Praxis und Literatur so gesehen und durch BSG-Rechtsprechung (Prognose- und Vorrangregeln) getragen.

[b]Fazit:[/b] ALG I in der Lücke (04.08.–22.08.) zu verweigern, ist nachvollziehbar. Krankengeld kann aber durchaus möglich sein, wenn Ihre Kasse richtigerweise den nachgehenden Leistungsanspruch (statt Anschlussversicherung) hätte zugrunde legen müssen. Das lohnt sich zu prüfen und ggf. mit Rechtsbehelf anzugreifen.

[b]Fristen/[/b]Beweise

- Bescheide der Kasse/Agentur beiziehen; [b]Widerspruchsfrist[/b] beachten (regelmäßig ein Monat).

- AU-Bescheinigungen lückenlos vorlegen; Geldeingänge zur Urlaubsabgeltung und Schreiben der Agentur beifügen.

Meine erste Einschätzung beruht ausschließlich auf Ihren Angaben ohne Einsicht in Verwaltungs- und Kassenakten. Insbesondere die Status- und Prognoseentscheidung der Krankenkasse zum Ende der Pflichtversicherung, die Berechnung der Ruhenszeit durch die Agentur sowie etwaige weitere Absicherungen (Familienversicherung, Anschlussversicherung, Wahltarife) sind aktenabhängig und können das Ergebnis ändern. Die Ausführungen stellen eine vorläufige rechtliche Würdigung dar und ersetzen nicht die Prüfung der Originalbescheide und eine vollständige Subsumtion im Einzelfall. Bitte Fristen wahren (Widerspruch/Klage) und – falls erforderlich – einstweiligen Rechtsschutz erwägen. Ich denke dennoch, Ihre Fragen hilfreich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen.

Mit freundlichen Grüßen


Rechtsanwalt Krim.-Dir. a.D. Willy Burgmer

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