nachträgliche Berechnung der Ust.

21. Oktober 2010 13:23 |
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Kaufrecht


Wir sind eine Körperschaft des öffentlichen Rechts
und beschäftigen freiberufliche med. Gutachterinnen.
Diese Gutachterinnen erstellen für uns med. Gutachten, welche im Stücklohn berechnet werden. Die Rechnungsstellung erfolgt in der Regel monatlich.
Im Jahre 2005 haben wir uns mit einer Gutachterin daraufhin verständigt, daß wir auch die Ust. übernehmen würden, wenn diese auf den Rechnungen ausgewiesen werden würde. Bis 08/2010 erfolgte keine Rechnungsstellung mit ausgewiesener Ust.
Im August wurden nun korrigierte Monatsrechnungen übersandt, in welchen die Ustr. nachberechnet wurde -> zurückreichend bis Januar 2005 (Hintergrund: das FA hat im nachhinein die Ust.pflicht festgestellt und fordert die Ust. nach, auch für die letzten Jahre).
1. Sind solche Korrekturen grundsätzlich möglich und gfls. wenn ja, wie lange zurück besteht ein Anspruch auf eine Zahlung.
Sehr geehrter Ratsuchender,

gerne nehme ich zu Ihrer Anfrage unter Berücksichtigung Ihrer Angaben und Ihres Einsatzes wie folgt Stellung:

Nach herrschender Meinung ist die Umsatzsteuer unselbständiger Teil einer Preisvereinbarung (BGH, 11.05.2001, V ZR 492/99), d. h., eine vereinbarte Vergütung enthält grundsätzlich auch die Aufwendung für die vom Leistenden zu entrichtende Umsatzsteuer.

Hiervon ist auch bei Angeboten an einen vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmer auszugehen. Etwas anderes gilt nur, wenn die Parteien einen Nettopreis vereinbart haben, was auch schlüssig durch einen entsprechenden Handelsbrauch oder eine Verkehrssitte geschehen kann. Vom Eingreifen einer solchen Ausnahme gehe ich auf Grund Ihrer Angaben nicht aus.

Unterbleibt im Übrigen bei einer Vergütungsvereinbarung eine Berücksichtigung der Umsatzsteuer, so bleibt es endgültig bei diesem vereinbarten Preis, auch wenn sich die Umsatzsteuerpflicht nachträglich ergibt (BGH, 14.12.1977, VIII ZR 34/76), es sei denn, die Beteiligten einigen sich einvernehmlich auf eine Vertragsanpassung.

Sie schreiben, dass im Jahre 2005 eine solche Einigung mit einer Gutachterin getroffen wurde. Allerdings hat Ihre Körperschaft es zur Bedingung gemacht, dass die Umsatzsteuer auch auf den Rechnungen ausgewiesen wird. Diese Bedingung ist für den Zeitraum bis 08/2010 nicht erfüllt worden. Die betreffende Gutachterin daher erst ab 08/2010 einen Anspruch auf eine nachträgliche Vertragsanpassung durch Erhöhung der Vergütung um die auf den vereinbarten Betrag entfallende Umsatzsteuer, wenn sie diese auf ihren Rechnungen ausweist.

Ich hoffe, Ihnen hiermit einen ersten Überblick über die Rechtslage verschafft zu haben, und verweise bei weiter bestehenden Unklarheiten auf die Nachfragefunktion.

Mit freundlichen Grüßen

Felix M. Safadi
Rechtsanwalt

_________
Allgemeine Hinweise:

Bitte erlauben Sie mir noch den obligatorischen Hinweis, dass es sich bei dieser Antwort lediglich um eine erste rechtliche Einschätzung des allein auf Ihren Angaben basierenden Sachverhalts handelt. Diese kann eine umfassende Begutachtung nicht ersetzen. Durch Hinzufügen oder Weglassen weiterer Angaben kann die rechtliche Beurteilung völlig anders ausfallen.
Rückfrage vom Fragesteller 22. Oktober 2010 | 08:53

Vielen Dank für die Anwort, sie ist sehr gut zu verwerten. Eine Frage ist für mich noch offen geblieben.
Es liegen bereits Rechnungen vor (aus 09 2010), mit welchen die Mwst. aus dem Jahr 2009 ausgewiesen wird und auch nach gefordert wird ("korrekturrechnungen).
Liegt hier eine Zahlungsverpflchtung vor, gilt die Verjährung (für Forderungen bis 2005 zurück ?).

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 22. Oktober 2010 | 16:54

Sehr geehrter Ratsuchender,

gerne nehme ich zu Ihrer Nachfrage wie folgt Stellung:

Eine Zahlungsverpflichtung Ihrer Körperschaft hängt von der Vereinbarung ab, die mit der Gutachterin im Jahres 2005 getroffen wurde. Wurde damals keine ausdrückliche Verjährungsregelung getroffen, ist von der regelmäßigen 3-jährigen Verjährungsfrist hinsichtlich der Nachforderungsansprüche auszugehen (§ 195 BGB).

Die 3-jährige Verjährungsfrist beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger (= die betreffende Gutachterin) von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners (= Ihrer Körperschaft) Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

Der Verjährungsbeginn hängt hier also maßgeblich davon ab, wann der für jede Rechnung gesondert festzustellende Nachforderungsanspruch entstanden ist. Es gibt nur zwei denkbare Möglichkeiten:

1. Entstehung des Nachforderungsanspruchs erst mit Zugang der jeweils korrigierten Rechnung

Das wäre für Ihre Körperschaft natürlich von Nachteil, denn in diesem Fall würde die 3-jährige Verjährung erst am 31.12.2010 beginnen, was auch im Hinblick auf die alten Rechnungen aus 2005 bis 2009 gelten würde.

2. Entstehung des Nachforderungsanspruchs schon mit Zugang der ursprünglichen Rechnung ohne Umsatzsteuerausweis

Demnach würde die 3-jährige Verjährungsfrist für die Umsatzsteuernachforderungen aus den Rechnungen 2005 am 31.12.2005 beginnen, und die Nachforderungen wären mit Ablauf des 31.12.2008 verjährt. Entsprechend würden die Ansprüche im Hinblick auf die Rechnungen aus 2006 am 31.12.2009 und diejenigen aus 2007 mit Ablauf dieses Jahres verjähren.

Welche der beiden Möglichkeiten hinsichtlich des Verjährungsbeginns eingreift, ist durch Auslegung der mit der Gutachterin getroffenen Vereinbarung aus 2005 zu ermitteln. Die Einzelheiten der Vereinbarung sind mir natürlich nicht bekannt, weshalb ich kein abschließendes Urteil hierüber fällen kann. Vor dem Hintergrund, dass Ihre Körperschaft gesetzlich nicht verpflichtet war, der Auftragnehmerin die Umsatzsteuer nachzuzahlen, die Nachforderungen also auf einer freiwilligen Vereinbarung beruhen, würde ich zu Gunsten Ihrer Körperschaft von Möglichkeit 2 ausgehen. Eine einseitige Verpflichtung, auf die der Begünstigte keinen gesetzlichen Anspruch hat, wäre Ihre Körperschaft ja vernünftigerweise nicht eingegangen, wenn ihr dadurch ein Schaden entstehen würde. Das musste auch die Begünstigte erkannt haben. Ein Schaden würde Ihrer Körperschaft aber beispielsweise dadurch entstehen, dass sie der Gutachterin Umsatzsteuer erstatten würde, die die Körperschaft wegen bereits eingetretener Bestandskraft des jeweiligen Umsatzsteuerbescheids nicht mehr von ihrer eigenen Umsatzsteuerschuld abziehen kann. Jedenfalls müsste die Vereinbarung aus 2005, sollte insoweit keine anderslautende ausdrückliche Regelung getroffen worden sein, ergänzend in der Weise ausgelegt werden, dass eine korrigierte Rechnungsstellung mit ausgewiesener Umsatzsteuer nur berücksichtigt werden kann, wenn die Korrektur rechtzeitig erfolgt, so dass verzögerungsbedingte finanzielle Nachteile für die Körperschaft nicht entstehen.

Ergebnis:

Im Hinblick auf die Umsatzsteuernachforderungsansprüche aus 2005 und 2006 kann sich Ihre Körperschaft auf Verjährung berufen. Hinsichtlich der Forderungen aus den Folgejahren besteht auf Grund der Vereinbarung aus 2005 grundsätzlich eine Zahlungsverpflichtung. Ausnahmsweise würde die Zahlungsverpflichtung entfallen, wenn Ihrer Körperschaft durch die hinausgezögerten Rechungsberichtigungen ein verzögerungsbedingter Schaden entstehen würde, den Ihre Körperschaft nach der Vereinbarung mit der Gutachterin (die unter Umständen ergänzend auszulegen ist) nicht übernehmen sollte.

Ich hoffe, Ihre Nachfrage damit zu Ihrer Zufriedenheit beantwortet zu haben, und verbleibe

mit freundlichen Grüßen

RA Safadi

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