Rechtmäßigkeit Gebührenrechnung bei Nichtmitwirkung des Anwalts

20. Oktober 2008 17:58 |
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Anwaltsrecht, Gebührenrecht, Verfahrensrecht


Beantwortet von

Rechtsanwalt Marco Liebmann

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich bitte um Auskunft zu folgendem Sachverhalt.

Ich habe eine im Bau befindliche Eigentumswohnung gekauft. Die Fertigstellung erfolgte verzögert und mit Mängeln. Ich mache meinereits gegenüber dem Verkäufer eine Liste von Forderungen geltend:
- Minderungen wegen bestehender Mängel
- Ersatzvornahmen
- Schadensersatz
usw.

Ich habe eine Betrag von 40.000 EUR noch nicht bezahlt. Der Verkäufer bot an gegen Zahlung von 20.000 EUR der Eigentumsüberschreibung zuzustimmen, wenn ich meinerseits meine Forderungen als abgegolten erkläre.

Dies schien mir nicht annehmbar und ich beauftragte einen Anwalt. Ziel war eine Eigentumsüberschreibung und Erledigung des Vertrages ohne weitere Zahlungen zu erreichen.

Nach Sichtung der Unterlagen teilte mir der Anwalt mit, daß Beweise zu vorgeschriebenen Fristsetzungen fehlen, so daß die Kosten der Ersatzvornahmen wohl nicht einklagbar wären. Das beträfe ca. die Hälfte meiner Forderung. Dennoch bereitete er eine Klageschrift vor, die mir aber bisher nur als Entwurf mit unbezifferten Positionen vorliegt. Eine fertige Klageschrift habe ich bisher nicht erhalten.

Zwischenzeitlich trat die finanzierende Bank des Verkäufers telefonisch an mich heran und schlug mir vor, die Angelegenheit gegen Zahlung von 25.000 EUR zu beenden. Sie würden dann der Eigentumsüberschreibung zustimmen und auch gegenüber dem Verkäufer die Abgabe einer entsprechenden Erklärung durchsetzten.

Ich war einverstanden. Die Bank bestätigte die Einigung schriftlich.

Von dieser erzielten Einigung setzte ich meinen Anwalt in Kenntnis.
Er riet mir daraufhin ungefragt noch zu einigen Formulierungen in der vom verkäufer zu unterzeichnenden Erklärung.
Diese Hinweise habe ich an die Bank weitergeleitet, die ihrerseits wiederum vom Verkäufer erzwang, die Erklärung wie gewünscht abzugeben.

---

Nun erhielt ich folgende Rechnung des Anwalts:

Gegenstandswert 40.000

1,3 Geschäftsgebühr
1,5 außergerichtliche Einigungsgebühr
0,8 Verfahrensgebühr
abzgl. 0,65 Geschäftsgebühr

---

Ich halte dies für unberechtigt, denn:

Im Endeffekt wurde eine Vereinbarung erzielt, die (bis auf Nuancen) dem Status Quo bei Beauftragung des Anwaltes entspricht.
(Etwas höhere Zahlung, dafür bleiben aber einige meiner Ansprüche unberührt.)

Von den Verhandlungen mit der Bank wußte mein Anwalt nichts. Ich setzte ihn post factum über die Einigung in Kenntnis.

(*) Er hat dann - nach Abschluß der Vereinbarung mit der Bank - wie beschrieben lediglich ungefragt einen Ratschlag für die schriftliche Ausformulierung erteilt, der dann in die kurze schriftliche Einigungserklärung des Verkäufers einfloß.

Mit dem Verkäufer haben während der gesamten Zeit meinerseits keinerlei Verhandlungen stattgefunden. Alle von ihm abgegebenen Erklärungen wurden von seiner Bank erzwungen.

Die ursprünglich erbetene Klageschrift ist noch nicht fertig, zumindest liegt sie mir bis dato nicht vor. Der Anwalt hatte mit selbst (nach Klärung der Beweislage) von einer Klage abgeraten.

Der Anwalt hat an der Eingung m.E. nicht migewirkt, ja wußte noch nicht einmal davon. Es besteht auch kein ursächlicher Zusammenhang zwischen seiner Tätigkeit und der erzielten Eingung.

---

Wie schätzen Sie die Rechtmäßigkeit der Gebührenrechnung des Anwalts ein?

Mit freundlichen Grüßen

Sehr geehrter Ratsuchender,

ich möchte Ihre Frage auf Grund des dargelegten Sachverhalts und unter Berücksichtigung Ihres Einsatzes wie folgt beantworten:

Ich weise darauf hin, dass dies einer ersten Orientierung über die bestehende Rechtslage dient und ein ggf. persönliches Beratungsgespräch bei einem Anwalt Ihrer Wahl nicht ersetzt.

Das Hinzufügen oder Weglassen von Informationen kann die rechtliche Beurteilung beeinflussen.

Dies vorangestellt beantworte ich Ihre Frage wie folgt:

Gegen die 1,3 Geschäftsgebühr und 0,8 Verfahrensgebühr wegen vorzeitiger Beendigung des Auftrages bestehen keine Bedenken.

Die Vorschrift Nr. 3101 VV RGV stellt eine Ausnahme zur Regelung des § 15 Abs. 4 RVG dar, weil sich die bereits mit Auftragserteilung entstandene Gebühr auf 0,8 ermäßigt, wenn sich die Angelegenheit vorzeitig erledigt. Allerdings muss in Ausführung des Auftrags eine Tätigkeit seitens des Anwalts tatsächlich entfaltet worden sein.

Dies ist durch den Entwurf der Klageschrift der Fall.

Die Beendigung des Auftrags kann auf verschiedene Art und Weise erfolgen, z.B. auf Grund einer Mandatskündigung durch den Mandanten oder durch eine gütliche Einigung.

Nach Auffassung des Gesetzgebers wird der Rechtsanwalt, nicht zuletzt mit Rücksicht auf die gebührenmäßige Privilegierung der außergerichtlichen Einigung nach Nr. 1000 VV, auch in dem Zeitraum nach Klageauftrag bis zur Einreichung der Klage bei Gericht versuchen, die Gegenseite zunächst für eine Einigung zu gewinnen. Gelingt ihm dies, wird dadurch ein gerichtliches Verfahren überflüssig.

Der Anwalt hat in der Regel bereits eine meist auch zeitaufwendige Vorarbeit unter Einsatz seines Fachwissens und seiner beruflichen Erfahrung geleistet, die sich schon in der Fertigung der Klageschrift und direkter Übermittlung an die Gegenseite niedergeschlagen haben kann, um der Gegenseite noch einmal eine Chance zum Einlenken einzuräumen und den Ernst der Lage vor Augen zu führen.

Mit Rücksicht auf die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV mit einem Gebührensatz von 1,3 ist in diesen Fällen der vorzeitigen Beendigung des Auftrags ein Gebührensatz von 0,8 gerechtfertigt, ebenso bei einer gerichtlichen Protokollierung eines Vergleichs.

Auch die hälftige Anrechnung der Geschäftsgebühr in Höhe von 0,65 ist nicht zu beanstanden.

Es gilt jedoch folgendes zu beachten!!!

Haben Sie lediglich den Auftrag zur Klageerhebung gegeben und Ihr Rechtsanwalt ist mit der Gegenseite nicht außergerichtlich in Verbindung getreten ist eine 1,3 Geschäftsgebühr nicht entstanden.

Dann kommt nur eine 0,8 ermäßigte Verfahrensgebühr in Betracht, natürlich dann auch ohne Anrechnung der 0,65 hälftigen Geschäftsgebühr.

Fraglich ist, inwieweit die 1,5 Einigungsgebühr entstanden ist.

Der vom Mandanten mit der Tätigkeit beauftragte Rechtsanwalt erhält stets die Einigungsgebühr, wenn er in irgendeiner Weise bei dem Abschluss des Vertrags mitgewirkt hat. Dies gilt für den außergerichtlichen, wie auch den gerichtlichen Bereich gleichermaßen.

Die Mitwirkung muss zumindest mitursächlich für den Abschluss des Vertrags gewesen sein.

Voraussetzung für den Anfall der Einigungsgebühr ist die Mitwirkung beim Abschluss des Einigungsvertrages.

Das setzt kein persönliches Verhandeln des Rechtsanwalts mit der Gegenseite voraus, auch keine Anwesenheit beim Abschluss, ausreichend ist vielmehr bereits, dass die Mandantschaft aufgrund einer Überprüfung eines Einigungsvorschlages und Beratung durch den Rechtsanwalt den Einigungsvertrag abschließt (LG Frankfurt JurBüro 1984, 59; LG Köln AGS 1999, 179).

Die Ursächlichkeit der Mitwirkung wird grundsätzlich vermutet. Sie müssten also beweisen, dass die Mitwirkung des Rechtsanwalts nicht ursächlich war. Dies ergibt sich aus Nr. 1000 Abs. 2 VV RVG. Das gilt sogar dann, wenn der Rechtsanwalt an der Protokollierung nicht anwesend war.

Für eine Mitwirkung spricht:

* Mitwirkung bei bloßer Protokollierung, auch wenn der Text ohne Zutun des Rechtsanwalts verfasst wurde,

* nachdem ein Vergleichsversuch zunächst scheiterte, wird diese Einigung später ohne den Rechtsanwalt doch noch geschlossen (vgl. OLG Koblenz JurBüro 1992, 603 ),

* geringe Abweichungen vom Vorschlag des Rechtsanwalts sind unschädlich,

* auf konkrete Weisung des Mandanten hin schließt Rechtsanwalt Einigungsvertrag, obwohl er abgeraten hatte.

Gegen eine Mitwirkung spricht:

* lediglich allgemeiner Rat, eine Einigung sei sinnvoll,

* Erfolglosigkeit der Bemühungen, mögen diese auch noch so umfangreich gewesen sein,

* schlichtes Weiterleiten von Vorschlägen der Gegenseite ohne Stellungnahme,

* schlichtes Unterrichten über gerichtlichen Einigungsvorschlag ohne Stellungnahme oder Beratung,

* Mitteilung, dass geplant sei, an einem Termin mit Einigungsversuch teilzunehmen,

* Mitteilung, dass eine ohne anwaltliche Mitwirkung geschlossene Einigung erfolgt sei,

* Bestellung eines Unterbevollmächtigten, der eigenständig eine Einigung schließt,

* Abraten von einem Einigungsvorschlag,

* weisungswidriger Abschluss, denn dann handelt der Rechtsanwalt nicht auftragsgemäß,

* falsche Bezeichnung eines Anerkenntnisses oder Verzichts als Einigung.

Da Ihr Rechtsanwalt nach Kenntnis des Einigungsvorschlages weitere Vorschläge hinsichtlich der Formulierung gegeben hat, die letztendlich auch mit in die Einigungserklärung eingeflossen sind, ist aus den oben dargelegten Gründen die Einigungsgebühr entstanden.

Bedauerlicherweise lässt sich für Sie kein günstigeres Ergebnis mitteilen.

Ich hoffe ich konnte Ihnen dennoch einen ersten Überblick über die bestehende Rechtslage geben und Ihre Fragen zu Ihrer Zufriedenheit beantworten.

Bestehende Unklarheiten beantworte ich Ihnen gern innerhalb der kostenlosen Nachfragefunktion, wobei ich darum bitte, die Vorgaben dieses Forums zu beachten.

Darüber hinausgehende Fragen beantworte ich Ihnen gern im Rahmen einer Mandatserteilung.
Durch eine Mandatserteilung besteht auch die Möglichkeit einer weiterführenden Vertretung.
Die Kommunikation bei größerer Entfernung kann via Email, Post, Fax und Telefon erfolgen und steht einer Mandatsausführung nicht entgegen.


Mit freundlichen Grüßen

Marco Liebmann
Rechtsanwalt

Rückfrage vom Fragesteller 21. Oktober 2008 | 17:54

Sehr geehrter Herr Liebmann,

ich bedanke mich für die Antwort.

Eine Nachfrage hätte ich. Sie schreiben:

"Haben Sie lediglich den Auftrag zur Klageerhebung gegeben und Ihr Rechtsanwalt ist mit der Gegenseite nicht außergerichtlich in Verbindung getreten ist eine 1,3 Geschäftsgebühr nicht entstanden."

Tatsächlich habe ich nur den Auftrag zur Klageerhebung erteilt.

Kurz danach hatte ich noch ein Gesprächstermin mit der Gegenseite. Darüber informierte per E-Mail ich meinen Anwalt und fragte, ob er es sinnvoll finde, die Gegenseite vorab in Kenntnis zu setzen, daß ich nunmehr einen Anwalt eingeschaltet hätte.

Daraufhin schrieb mein Anwalt ohne Rücksprache mit mir die Gegenseite an, teilte die anwaltliche Vertretung mit und bat um Wahrnehmung des Termins mit mir. (Letzteres völlig unnötig, da der Termin einvernehmlich vereinbart worden war.)

Ist das bereits eine "Kontaktaufnahme"? Auch wenn sie ohne meinen Auftrag erfolgte?

Mit freundlichen Grüßen
Ilona Daske





trotz des ungünstigen

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 21. Oktober 2008 | 23:58

Sehr geehrte Ratsuchende,

ich möchte Ihre Nachfrage wie folgt beantworten:

Der zum Prozessbevollmächtigten bestellte Rechtsanwalt erhält nach Nr. 3100 VV RVG
eine Verfahrensgebühr für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information
(Vorb. 3 Abs. 2 VV RVG).

Diese Verfahrensgebühr deckt damit die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts ab – ausgenommen die Wahrnehmung von Terminen und Besprechungen
sowie den Abschluss einer Einigung.

Für sämtliche in einer Angelegenheit anfallenden außergerichtlichen Tätigkeiten erhält der
Anwalt nur eine Geschäftsgebühr.

Die Gebühr fällt mit dem ersten Tätigwerden nach Erhalt des Auftrags an, also in der Regel mit der Entgegennahme der Information. Die Gebühr entgilt das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information und der Teilnahme an Besprechungen sowie das Mitwirken bei der Gestaltung eines Vertrages (Vorb. 2.3 Abs. 3 VV RVG).

Demzufolge wäre auch das Schreiben und die Anzeige Ihrer Vertretung an die Gegenpartei bereits als außergerichtliche Tätigkeit zu werten, die spätestens die Geschäftsgebühr hat entstehen lassen.

Jedoch ist im Falle der Auftragserteilung zur Klageerhebung diese Gebühr durch Sie nicht zu zahlen, da die Verfahrensgebühr für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information an die Stelle der Geschäftsgebühr tritt.

Das Sie lediglich den Auftrag zur Klage gegeben haben zeigt sich in der Tatsache, dass ein Klageentwurf gefertigt wurde, die gegnerisch Partei jedoch nicht außergerichtlich aufgefordert wurde.

Meines Erachtens ist deshalb eine Geschäftsgebühr durch Sie nicht zu zahlen, so dass lediglich die ermäßigte Verfahrensgebühr von 0,8; 1,5 Einigungsgebühr; zzgl. Auslagen für Post und Telekommunikation und Mehrwertsteuer zu zahlen sind.

Ich hoffe ich konnte Ihre Nachfrage zu Ihrer Zufriedenheit beantworten.

Für zukünftige Fragen und Problemlösungen stehe ich Ihnen jederzeit gerne wieder zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Marco Liebmann
Rechtsanwalt

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