Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Nach der geschilderten Sachlage ist zunächst festzuhalten, dass die betroffene Person sich mit einem gültigen Schengen-Visum (Typ C) rechtmäßig in Deutschland aufgehalten hat und während dieser Zeit ordnungsgemäß einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zum Zwecke des Sprachkurses nach § 16f AufenthG gestellt hat. Damit war sie zum Zeitpunkt der Antragstellung im Besitz eines Aufenthaltstitels im Sinne des § 81 Abs. 3 AufenthG, sodass der Antrag grundsätzlich zulässig war.
Allerdings ist entscheidend, dass ein Schengen-Visum keinen „fiktiven Aufenthaltstitel" im Sinne des § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG begründet. Das bedeutet: Mit Ablauf des Schengen-Visums erlischt die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts, und es entsteht keine sogenannte Fiktionswirkung, wie sie bei einem Antrag auf Verlängerung eines nationalen Visums oder einer Aufenthaltserlaubnis möglich wäre. Das Verfahren kann daher nur fortgeführt werden, solange die Antragstellerin sich rechtmäßig in Deutschland befindet oder eine ausdrückliche Duldung bzw. Fiktionsbescheinigung von der Ausländerbehörde erhält – was hier nicht der Fall zu sein scheint.
Zu Frage 1:
Eine Wiedereinreise mit den verbleibenden 3 Tagen Restgültigkeit des Schengen-Visums ist grundsätzlich zulässig, sofern das Visum zum Zeitpunkt der Einreise noch gültig ist und die sonstigen Einreisevoraussetzungen des Art. 6 Schengener Grenzkodex (insbesondere Nachweis von Reisezweck, Rückkehrbereitschaft, Krankenversicherung und ausreichenden Mitteln) vorliegen. Rechtlich problematisch wäre jedoch, dass diese Einreise offenkundig nicht touristischen Zwecken dient, sondern der Teilnahme an einem ausländerrechtlichen Termin zur Beantragung eines längerfristigen Aufenthalts. Ein solcher Zweck ist vom Schengen-Visum grundsätzlich nicht gedeckt. Eine Rückkehr allein, um an einem Termin teilzunehmen, wäre daher rechtlich zwar möglich, aber nicht risikolos – insbesondere, wenn die Grenzbeamten den tatsächlichen Zweck der Einreise hinterfragen.
Zu Frage 2:
Das Risiko besteht darin, dass die Behörden den Verdacht einer zweckwidrigen Nutzung des Schengen-Visums sehen und die Einreise verweigern. Zudem ist zu bedenken, dass bei nur 3 verbleibenden Tagen kaum Spielraum bleibt; eine Überziehung, selbst um einen Tag, könnte als unerlaubter Aufenthalt gewertet werden und spätere Visumsverfahren negativ beeinflussen. Empfehlenswert ist daher eine solche Wiedereinreise nicht, es sei denn, die Ausländerbehörde hat dies ausdrücklich gestattet oder den Termin zwingend in Präsenz verlangt.
Zu Frage 3:
Da die Antragstellerin Deutschland wieder verlassen hat, gilt das Visum als „verbraucht". Das laufende Verfahren kann grundsätzlich nicht aus dem Ausland fortgeführt werden, weil Aufenthaltstitel nach § 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AufenthG im Regelfall nur im Visumverfahren aus dem Herkunftsstaat heraus erteilt werden. Eine Fortsetzung des inländischen Antragsverfahrens ist daher rechtlich ausgeschlossen, sobald der rechtmäßige Aufenthalt beendet ist. Die Aktennummer und der bisherige Antrag dienen zwar der Dokumentation, begründen aber keine Aufenthaltserlaubnis oder Fiktionswirkung.
Zu Frage 4 (rechtlich sicherster Schritt):
Die Person sollte kein Risiko eingehen und nicht mit dem Schengen-Visum erneut einreisen. Der rechtlich saubere Weg besteht darin, bei der deutschen Auslandsvertretung in der Türkei ein nationales Visum zum Sprachkurs (§ 16f AufenthG) zu beantragen. Dabei kann auf die bereits vorliegenden Unterlagen (Anmeldebestätigung der Sprachschule, Kursbescheinigung, ggf. das bereits registrierte Aktenzeichen der Ausländerbehörde) Bezug genommen werden. In vielen Fällen ist es hilfreich, der Botschaft mitzuteilen, dass während des letzten Aufenthalts bereits ein Antrag bei der zuständigen Ausländerbehörde gestellt wurde und diese grundsätzlich zuständig wäre. Eine Rücksprache oder Unterstützung durch die Ausländerbehörde kann das Verfahren beschleunigen, rechtlich erforderlich ist sie jedoch nicht.
Fazit:
Eine Wiedereinreise mit Restgültigkeit des Schengen-Visums wäre formal möglich, aber rechtlich riskant und nicht empfehlenswert. Da der Aufenthaltstitel nicht während eines rechtmäßigen Aufenthalts fortgeführt werden kann, sollte das Sprachkursvisum regulär über die deutsche Botschaft in der Türkei beantragt werden. Nur so ist sichergestellt, dass der Aufenthaltstitel später rechtmäßig erteilt wird und keine aufenthaltsrechtlichen Verstöße entstehen, die spätere Anträge (z. B. für Ausbildung oder Arbeit) gefährden könnten.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
El-Zaatari
Rechtsanwalt
Antwort
vonRechtsanwalt Mohamed El-Zaatari
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Auf der Webseite des ServicePortals Berlin steht, dass man nach positiver Prüfung des Antrags einen Termin zur Vorsprache erhält und dort eine schriftliche Bestätigung über den rechtmäßigen Aufenthalt bis zur Ausstellung des Aufenthaltstitels bekommt.
Bedeutet das in der Praxis, dass diese Bestätigung wie eine Fiktionsbescheinigung wirkt – also einen rechtmäßigen Aufenthalt ermöglicht – oder ist sie nur informell und ohne rechtliche Wirkung?
Wenn der Antrag bereits positiv geprüft wurde, wäre eine Wiedereinreise oder Teilnahme am Termin doch eigentlich rechtmäßig, oder?
Vielen Dank vorab für Ihre Einschätzung.
Der Hinweis auf dem ServicePortal Berlin bezieht sich auf die gängige Verwaltungspraxis der Berliner Ausländerbehörde, wonach Antragstellerinnen und Antragsteller nach einer positiven Vorprüfung ihres Antrags – etwa auf ein Sprachkursvisum oder eine Aufenthaltserlaubnis – einen Termin zur persönlichen Vorsprache erhalten und dort eine schriftliche Bestätigung ausgestellt bekommen, die den rechtmäßigen Aufenthalt bis zur endgültigen Entscheidung absichert.
Diese schriftliche Bestätigung ähnelt zwar einer Fiktionsbescheinigung, ist rechtlich jedoch nicht gleichzusetzen. Eine echte Fiktionswirkung nach § 81 Abs. 3 oder 4 AufenthG entsteht nur dann, wenn der Antrag auf Verlängerung oder Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis während eines bereits bestehenden Aufenthaltstitels oder einer Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet gestellt wird, die dem Aufenthaltszweck entspricht – also in der Regel bei einem nationalen Visum oder einer bestehenden Aufenthaltserlaubnis.
Ein Schengen-Visum (Typ C) ist hingegen kein Aufenthaltstitel im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 AufenthG, sondern lediglich eine kurzfristige Einreiseerlaubnis. Daher entsteht kraft Gesetzes keine Fiktionswirkung und somit auch kein rechtmäßiger Aufenthalt über die Gültigkeit des Visums hinaus.
Die von der Berliner Ausländerbehörde ausgestellte „Bestätigung über den rechtmäßigen Aufenthalt" hat deshalb nur deklaratorischen Charakter. Sie soll verhindern, dass Personen, deren Antrag bereits positiv vorgeprüft wurde, bei Kontrollen oder im Rahmen der Terminvereinbarung in Schwierigkeiten geraten. Rechtlich ersetzt sie aber keine Aufenthaltserlaubnis und kann die Einreisevoraussetzungen nach dem Schengener Grenzkodex nicht erfüllen.
Das bedeutet konkret:
Selbst wenn der Antrag positiv vorgeprüft wurde und ein Termin zur Vorsprache besteht, begründet dies allein noch kein Recht zur Wiedereinreise, solange die Person sich außerhalb Deutschlands befindet. Die Einreise mit einem fast abgelaufenen Schengen-Visum wäre daher weiterhin riskant – insbesondere, weil der eigentliche Antrag rechtlich erst dann wieder aufgenommen werden kann, wenn ein rechtmäßiger Aufenthalt besteht.
In der Praxis könnte die Ausländerbehörde die Teilnahme am Termin zwar akzeptieren und im Einzelfall kulant verfahren, rechtlich abgesichert ist dies jedoch nicht. Der sicherste und formal richtige Weg bleibt daher die Beantragung eines nationalen Visums zum Sprachkurszweck über die deutsche Auslandsvertretung, unter Hinweis auf das bereits geprüfte Verfahren und den bisherigen Kontakt mit der Berliner Behörde.
Kurz gesagt: Die genannte Bestätigung ist verwaltungspraktisch nützlich, aber rechtlich keine Fiktionsbescheinigung und entfaltet keine aufenthaltslegitimierende Wirkung im Sinne des Aufenthaltsgesetzes.
Mit freundlichen Grüßen
El-Zaatari
Rechtsanwalt