Nachbehandlung nach §1832 (1), 7 BGB

15. August 2025 08:50 |
Preis: 55,00 € |

Medizinrecht


Beantwortet von

Bitte keine Antwort von RA Dr. Ahmadi
Meines Wissens kann der Patient die Beendigung der Nachbehandlung beantragen, auch im Rahmen eines Antrags auf einstweilige Anordnung.
Frage: Kann er sich dabei auch auf die "Freiheit zur Krankheit" berufen?
Eine Patientenverfügung liegt nicht vor.

Einsatz editiert am 15. August 2025 17:56

Eingrenzung vom Fragesteller
15. August 2025 | 17:54
15. August 2025 | 19:29

Antwort

von


(881)
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Sehr geehrter Fragesteller,

Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:

Der Patient kann sich bei der Beantragung der Beendigung der Nachbehandlung, auch im Rahmen eines Antrags auf einstweilige Anordnung, auf die "Freiheit zur Krankheit" bzw. das Recht auf Selbstbestimmung berufen.

I. Recht auf Selbstbestimmung und "Freiheit zur Krankheit":

Grundsätzlich ist es die alleinige Entscheidung des Patienten, wie er gepflegt oder behandelt werden möchte; der Patientenwille geht grundsätzlich vor.
Es ist menschenunwürdig, eine Person gegen ihren Willen "heilen" zu wollen. Ein Patient hat auch ein Recht auf eine "unvernünftige" Entscheidung, da man Menschen nicht zu ihrem (medizinischen) Glück zwingen kann.
Wenn der Patient freiwillig in einer Einrichtung ist, darf er jederzeit gehen und muss dies nicht einmal besprechen, trägt aber die gesundheitliche Verantwortung dafür. Niemand kann ihn zwingen, dort zu bleiben oder eine Behandlung einzuhalten.

Der Erlass einer einstweiligen Anordnung kommt in Betracht, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte.
Im vorliegenden Fall könnte eine einstweilige Anordnung dazu dienen, das Recht des Patienten auf Beendigung der Behandlung und Selbstbestimmung durchzusetzen, falls die Einrichtung dies verweigert.

Die Abwesenheit einer Patientenverfügung ist relevant, wenn der Patient seinen Willen nicht mehr selbst äußern kann. In diesem Fall müsste der mutmaßliche Wille des Patienten ermittelt werden, oft durch Befragung naher Angehöriger oder Vertrauenspersonen.
Wenn der Patient jedoch aktuell entscheidungsfähig ist und seinen Willen äußern kann, ist seine aktuelle Willensäußerung maßgeblich, unabhängig davon, ob eine Patientenverfügung vorliegt oder nicht.

Zusammenfassend kann der Patient sein Recht auf Selbstbestimmung und die "Freiheit zur Krankheit" geltend machen, um die Nachbehandlung zu beenden. Sollte dies von der Einrichtung nicht akzeptiert werden, könnte eine einstweilige Anordnung vor dem Zivilgericht ein Weg sein, dieses Recht durchzusetzen.


Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.

Mit freundlichen Grüßen
RA Richter


Rückfrage vom Fragesteller 17. August 2025 | 14:48

Hallo Herr Richter,
zunächst möchte ich Sie bitten, meine möglichen weiteren Fragen in diesem Portal nicht mehr an zu nehmen.
Hier meine Rückfrage: Ich hatte nach der Rechtsprechung gefragt, d.h. mich interessiert, ob die Berufung auf die Freiheit zur Krankheit im Rahmen einer Nachbehandlung erfolgversprechend ist.
Es geht nicht um die Entlassung aus einer Einrichtung, sondern um die Zeit danach. Das Ende dieser Nachbehandlung richtet sich nach medizinischen Notwendigkeiten.
Der Patient kann mit seinem natürlichen Willen anderer Meinung sein. Wie entscheiden die Gerichte hier üblicherweise, wenn der Patient sich auf die genannte Freiheit beruft?

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 17. August 2025 | 15:39

Sehr geehrte Fragesteller,

Ich sehe nicht, wo sie in der Fragestellung explizit nach Rechtsprechung gefragt haben.

„ Meines Wissens kann der Patient die Beendigung der Nachbehandlung beantragen, auch im Rahmen eines Antrags auf einstweilige Anordnung.
Frage: Kann er sich dabei auch auf die "Freiheit zur Krankheit" berufen?
Eine Patientenverfügung liegt nicht vor."

Die Frage lautet, ob der Patient die Nachbehandlung beenden kann, also die Freiheit zur Krankheit hat.

Diese Frage habe ich beantwortet.

Beste Grüße
RA Richter

Ergänzung vom Anwalt 18. August 2025 | 13:11

Rechtsprechung zum Recht auf Selbstbestimmung und „Freiheit zur Krankheit" bei Beendigung medizinischer Behandlung

Sehr geehrte Fragesteller,

Meinen Ausführungen will ich folgendes ergänzen:
Es existiert umfangreiche Rechtsprechung, die das Recht des Patienten auf Selbstbestimmung und die „Freiheit zur Krankheit" bestätigt. Die Gerichte betonen, dass der Patientenwille grundsätzlich Vorrang hat und auch im Wege einer einstweiligen Anordnung durchgesetzt werden kann.


Rechtsprechung
1. Bundesgerichtshof (BGH)
Der BGH hat mehrfach entschieden, dass der Patientenwille grundsätzlich Vorrang hat und eine medizinische Behandlung gegen den Willen des Patienten eine rechtswidrige Körperverletzung darstellt.

BGH, Urteil vom 13. September 1994 – VI ZR 281/93

„Die Selbstbestimmung des Patienten über die Durchführung oder Ablehnung einer medizinischen Behandlung ist Ausdruck des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Eine Behandlung gegen den Willen des Patienten ist rechtswidrig."

BGH, Urteil vom 8. Juni 2016 – XII ZB 61/16

„Der Wille des Patienten ist auch dann maßgeblich, wenn er sich gegen eine medizinisch indizierte Behandlung entscheidet. Die Entscheidung des Patienten ist zu respektieren, auch wenn sie aus medizinischer Sicht unvernünftig erscheint."

2. Bundesverfassungsgericht (BVerfG)
Das BVerfG hat das Recht auf Selbstbestimmung als Ausfluss der Menschenwürde und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bestätigt.

BVerfG, Beschluss vom 16. August 1977 – 1 BvR 333/77

„Das Recht auf körperliche Unversehrtheit umfasst auch das Recht, medizinische Maßnahmen abzulehnen."

3. Einstweilige Anordnung
Die Möglichkeit, das Selbstbestimmungsrecht im Wege einer einstweiligen Anordnung durchzusetzen, ist in der Zivilprozessordnung (§§ 935 ff. ZPO) geregelt. Die Rechtsprechung erkennt an, dass eine einstweilige Anordnung zum Schutz des Patientenwillens zulässig ist, wenn eine Gefahr für die Verwirklichung des Rechts besteht.

OLG Frankfurt, Beschluss vom 17. Januar 2019 – 6 W 3/19

„Eine einstweilige Anordnung kann ergehen, um das Selbstbestimmungsrecht des Patienten zu sichern, wenn die Gefahr besteht, dass dieses durch Maßnahmen einer Einrichtung vereitelt wird."

Ich hoffe, Ihre Frage beantwortet zu haben

Beste Grüße
RA Richter

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