Terrassen nach Wohnflächenverordnung WoFlV

16. Juni 2025 17:54 |
Preis: 40,00 € |

Mietrecht, Wohnungseigentum


Beantwortet von


19:44

Hallo, ich bin Architekt.
Regelmäßig komme ich bei der Berechnung von Wohnflächen nach WoFlV der Terrassen ins Schwimmen:
WoFlV §4 Ziff.1-3 sind eindeutig.

Was aber mit WoFlV §4 Ziff.4: Balkone, Loggien, Dachgärten und Terrassen? Hier fehlen Entscheidungskriterien.
Zunächst einmal ist von 25% Anrechnung auszugehen, aber:

1. unter welchen Bedingungen sind Balkone, Loggien, Dachgärten und Terrassen als höherwertig anzusehen, so, dass sie mit mehr, als 25% anzurechnen sind?
2. Wenn demnach eine Höherwertigkeit vorliegt, mit welchem Prozentsatz wird die Fläche nun angerechnet? 35%, 40%, 45%, 50% ? WoFlV §4 Ziff.4 scheint solche Zwischenwerte zu ermöglichen.
3. Terrassen sind mitunter sehr groß. Eine 30m² große Terrasse für eine Dreizimmerwohnung erscheint mir beispielsweise "zu" groß, um sie komplett mit 25% zu rechnen. Ein mietoptimierender Bauherr, könnte den ganzen Garten im EG zupflastern, um die Mietfläche zu erhöhen. Also: gibt es eine Obergrenze?

Ich finde es unglücklich, diese Fragen jeweils selbst nach Gutdünken zu entscheiden.
Gibt es irgendwo nachvollziehbare, objektive Kriterien?

16. Juni 2025 | 18:29

Antwort

von


(98)
Breite Straße 22
40213 Düsseldorf
Tel: +49 211 88284 502
Web: https://www.kanzlei-tank.de
E-Mail:
Diesen Anwalt zum Festpreis auswählen Zum Festpreis auswählen

Sehr geehrter Fragesteller,

Ihre Fragen zur Anrechnung von Balkonen, Loggien, Dachgärten und Terrassen nach der Wohnflächenverordnung (WoFlV) beantworte ich im Folgenden:

1. Grundsatz: 25 % Anrechnung

Nach § 4 Nr. 4 WoFlV sind die Grundflächen von Balkonen, Loggien, Dachgärten und Terrassen „in der Regel zu einem Viertel, höchstens jedoch zur Hälfte" anzurechnen. Das bedeutet, dass grundsätzlich 25 % der Fläche dieser Außenbereiche auf die Wohnfläche angerechnet werden.

2. Abweichung nach oben: Wann ist eine höhere Anrechnung (bis zu 50 %) zulässig?

Eine höhere Anrechnung als 25 % – bis maximal 50 % – ist möglich, wenn der Balkon, die Loggia, der Dachgarten oder die Terrasse einen besonders hohen Wohnwert aufweist. Die WoFlV selbst nennt keine abschließenden Kriterien, die Rechtsprechung und Literatur orientieren sich jedoch an folgenden Aspekten:

Kriterien für eine Höherbewertung:

Lage und Ausrichtung: Süd- oder Westausrichtung, ruhige Lage, schöne Aussicht.

Größe und Zuschnitt: Großzügige, gut nutzbare Fläche, die den Charakter eines zusätzlichen Wohnraums hat.
Ausstattung und Gestaltung: Hochwertige Beläge, Überdachung, Windschutz, hochwertige Bepflanzung, Strom- und Wasseranschlüsse, Beleuchtung.

Zugänglichkeit: Direkter Zugang aus dem Wohnbereich, ggf. barrierefrei.

Witterungsschutz: Überdachung, Verglasung, Markisen etc.

Beispiele für Höherbewertung:

Wintergartenähnliche Ausführung (z.B. verglaste, beheizbare Loggia)

Luxuriöse Dachterrasse mit exklusivem Ausblick und hochwertiger Ausstattung

Großzügige, voll nutzbare Terrasse mit hochwertigem Bodenbelag, Sichtschutz und Überdachung

3. Welcher Prozentsatz ist bei Höherbewertung anzusetzen?

Die WoFlV lässt ausdrücklich Zwischenwerte zwischen 25 % und 50 % zu. Es gibt keine festen Stufen (z.B. 35 %, 40 %, 45 %), sondern der Prozentsatz ist im Einzelfall nach dem tatsächlichen Wohnwert zu bestimmen.

Praxis:

25 %: Standardbalkon, einfache Terrasse ohne besondere Ausstattung.

30–40 %: Hochwertige, aber nicht außergewöhnliche Ausführung.

50 %: Sehr hochwertige, vollwertig nutzbare Außenfläche mit außergewöhnlichem Wohnwert.

Die genaue Festlegung erfolgt nach sachgerechter Würdigung der Umstände des Einzelfalls. Es gibt keine verbindlichen Tabellen oder objektiven Maßstäbe, sondern eine wertende Betrachtung.

4. Gibt es eine Obergrenze für die Anrechnung großer Terrassen?

Die WoFlV sieht keine absolute Obergrenze für die anrechenbare Terrassenfläche vor. Auch sehr große Terrassen können grundsätzlich mit dem entsprechenden Prozentsatz (mindestens 25 %, maximal 50 %) angesetzt werden, sofern sie ausschließlich zur Wohnung gehören.

Allerdings ist in der Literatur und Praxis anerkannt, dass bei außergewöhnlich großen Terrassen eine wertende Korrektur erfolgen kann, um Missbrauch (z.B. „Mietoptimierung" durch überdimensionierte Terrassen) zu verhindern. Hier kann im Einzelfall eine Deckelung der anrechenbaren Fläche sachgerecht sein, etwa indem nur ein Teil der Terrasse als wohnwerterhöhend angesehen wird.

„Eine 30m² große Terrasse für eine Dreizimmerwohnung erscheint mir beispielsweise 'zu' groß, um sie komplett mit 25% zu rechnen. Ein mietoptimierender Bauherr, könnte den ganzen Garten im EG zupflastern, um die Mietfläche zu erhöhen."
(Ihre Frage)

Die Rechtsprechung hat hierzu bislang keine festen Grenzen gezogen. Es bleibt eine Frage der Verhältnismäßigkeit und des Einzelfalls. In der Praxis wird bei extrem großen Terrassen oft nur der Teil angerechnet, der als „wohnwerterhöhend" gilt, der Rest bleibt unberücksichtigt.

5. Objektive Kriterien und Rechtsprechung

Die WoFlV und die Rechtsprechung bieten keine abschließenden, objektiven Kriterien oder verbindlichen Tabellen. Die Entscheidung ist stets eine Einzelfallentscheidung unter Berücksichtigung der oben genannten Faktoren.

Zusammenfassung

Regel: 25 % Anrechnung für Balkone, Loggien, Dachgärten, Terrassen.

Höherbewertung (bis 50 %): Nur bei besonders hochwertiger Ausführung und hohem Wohnwert, Kriterien: Lage, Ausstattung, Größe, Nutzbarkeit.

Zwischenwerte: Möglich, aber stets einzelfallbezogen und zu begründen.

Obergrenze: Keine feste Grenze, aber bei übergroßen Terrassen ist eine wertende Korrektur möglich.

Objektive Kriterien: Es gibt keine abschließenden, objektiven Maßstäbe; die Entscheidung ist stets eine wertende Einzelfallentscheidung.


Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.

Mit freundlichen Grüßen


Rechtsanwalt Olaf Tank, Wirtschaftsjurist

Rückfrage vom Fragesteller 16. Juni 2025 | 19:27

Vielen Dank, das hilft.
Dass keine bezifferbaren Kriterien kommen würden, war absehbar. Das Genannte grenzt die Sache aber ein und macht eine Entscheidung begründbar.

Gibt es denn eine Idee, welcher Flächenanteil einer Terrasse als wohnwerterhöhend angesehen wird? Flächenanteil an der Gesamtwohnfläche, Gesamtgröße, etc.?
Wann ist eine Terrasse "extrem" groß?

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 16. Juni 2025 | 19:44

Ich kann Ihnen hierzu nur ein paar Zitate aus einer Entscheidung des Landgerichts Berlin, Urteil vom 17.01.2018 - 18 S 308/13 an die Hand geben:

Zitat:
"Die Wohnfläche beträgt demgegenüber nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme tatsächlich lediglich 84,01 m². Davon entfallen nach dem Aufmaß der Sachverständigen (vgl. Bl. I/128 d. A.) auf den umbauten Raum 76,27 m², auf den hofseitigen Balkon 5,78 m² (entsprechend 50 % der Grundfläche) und auf den straßenseitigen Balkon 1,96 m² (entsprechend 25 % der Grundfläche). Zwischen den Parteien streitig ist nur noch, ob die Grundfläche des straßenseitigen Balkons entsprechend § 4 Nr. 4 WoFlVO höchstens zu einem Viertel oder deshalb zur Hälfte zu berücksichtigen ist, weil es bei der Wohnflächenermittlung in Berlin der örtlichen Verkehrsübung entspreche, Flächen von Balkonen und Terrassen zur Hälfte zu berücksichtigen."

Es kommt also darauf an, wo sich die Fläche befindet und wie diese gestaltet ist.

Gleichzeitig hat der Gericht auch festgestellt, dass bei der Berechnung der Wohnfläche nicht einfach darauf abgestellt werden kann, was (bisher) übliche Praxis ist. Vielmehr muss die Annahme von 50% darauf zurückgehen, dass es sich tatsächlich um eine hochwertige Fläche mit besonderem Wohnwert handelt.

Zitat:
"Die offenbar weit verbreitete Praxis, Balkonflächen bei der Wohnflächenberechnung regelmäßig zur Hälfte zu berücksichtigen, stellt sich mithin deshalb nicht als für die Mietvertragsauslegung beachtliche örtliche Verkehrssitte dar, weil sie nicht vom Willen der Marktteilnehmer getragen ist, die Wohnfläche nach einem Regelwerk zu ermitteln, das eine solche Anrechnung vorsieht. Die Umfrageteilnehmer haben nämlich ganz überwiegend angegeben, dass sie die Wohnflächenverordnung als anwendbar ansehen. Die gegenüber den übrigen Gruppen deutlich höhere Quote der Großvermieter, die die Balkonflächen tatsächlich nach Maßgabe von § 4 Nr. 4 WoFlVO behandeln, bestätigt nach Auffassung der Kammer, dass eine abweichende Praxis auf bloßen Rechtsanwendungsfehlern beruht, die mit zunehmender Professionalität der Vermieter seltener werden und jedenfalls nicht von einer Vorstellung der Marktteilnehmer getragen sind, ein von der Wohnflächenverordnung abweichendes System der Wohnflächenermittlung oder die Wohnflächenverordnung in abgewandelter Form anzuwenden. Für diese Würdigung spricht auch, dass kein einziger Umfrageteilnehmer sich auf eine Berliner Verkehrssitte berufen hat, nach der Balkonflächen unabhängig von einem heranzuziehenden Regelwerk regelmäßig oder stets zur Hälfte zu berücksichtigen seien."

Aufgrund z.B. einer Kernsanierung wäre z.B. davon auszugehen, dass die Flächen dem neusten Standard entsprechen. Soweit sich die Balkone bzw. Terasse dann in rückwärtiger Lage befinden wären 50% anzunehmen, bei einem Balkon in Straßenseite dann nur 25%, es sein denn es wäre hier ein gering genutzte Strasse.

Ich hoffe Ihnen hiermit noch etwas mehr "Gefühl" dafür gegeben zu haben, wie hier begründet berechnet werden kann. Evtl. finden sich in Kommentierungen zur WohnFlV (Spezialliteratur) noch weitergehende Hinweise.

Beste Grüße

Olaf Tank

ANTWORT VON

(98)

Breite Straße 22
40213 Düsseldorf
Tel: +49 211 88284 502
Web: https://www.kanzlei-tank.de
E-Mail:
RECHTSGEBIETE
Inkasso, Nachbarschaftsrecht, Wohnungseigentumsrecht, Verwaltungsrecht, Vertragsrecht, Internetrecht, Wirtschaftsrecht, Datenschutzrecht, Strafrecht, Baurecht, Miet- und Pachtrecht, Verkehrsrecht
Durchschnittliche Anwaltsbewertungen:
4,8 von 5 Sternen
(basierend auf 119054 Bewertungen)
Aktuelle Bewertungen
5,0/5,0
Eine so ausführliche und schnelle Beantwortung ist mehr als lobenswert. Keine Rückfrage notwendig. ...
FRAGESTELLER
5,0/5,0
Vielen Dank für die schnelle und nachvollziehbare Erläuterung. ...
FRAGESTELLER
5,0/5,0
Wow hätte Noenals gedacht das ein Fremder Mensch für wenig Geld hier mir so Hilft vielen Dank. ...
FRAGESTELLER