Sozialrecht - Aufnahme der Pflege meines Bruders/meiner Schwester

| 9. Juni 2025 19:39 |
Preis: 30,00 € |

Sozialrecht


Beantwortet von

Hallo,
ich habe ein Geschwister, das in einer Werkstatt für Behinderte arbeitet. (Geistig behindert, psychisch behindert, empfängt bereits Erwerbsminderungsrente)

Es wohnt noch zu Hause und ist zwischen 40 und 50 Jahre alt. (Das Kinder-, Jugend- und Sozialamt dürfte hierfür wohl gar nicht mehr zuständig sein, oder doch?

Beide Eltern leben noch und versorgen aktuell den/die Behinderte/n.
Ich selbst habe eine pädagogische Ausbildung - falls das eine Rolle spielen sollte.
Im Prinzip läuft noch alles gut. Im Idealfall soll - falls eine Heimunterbringung scheitert - das Umfeld erhalten bleiben und der Behinderte später weiter in die Werkstatt gehen.

Es wird aufgrund der Behinderung Schwierigkeiten geben, den/die Behinderte in einem Heim unterzubringen, da er/sie sehr auf das reguläre Umfeld angewiesen ist und sich aufgrund der Behinderung nur schwerlich woanders einlebt und anschließt.
Es kann sogar passieren, dass ich für mein Geschwister später mal zuständig wäre, weil möglicherweise die Heimunterbringung scheitert, und eine andere Pflegefamilie kaum in Frage kommt.

Sollte es passieren, dass ich später mal für meinen Bruder da sein muss/werde (ich würde das auch freiwillig tun) - bin ich dazu verpflichtet, in so einem Fall eine Pflegestelle (§ 44 SGB VIII) oder Erziehungsstelle (§ 45 SGB VIII) anzumelden? Ich kann mir das schwer vorstellen, immerhin ist er Ü18.

Muss ich das überhaupt irgendwo anmelden (immerhin bin ich Geschwister und brauche dafür wohl keine Erlaubnis zur Dauerpflege),
Und falls ich das doch anmelden muss oder überhaupt kann - wer ist hierfür der Träger?





9. Juni 2025 | 22:27

Antwort

von


(892)
Ahrberger Weg 12
31157 Sarstedt
Tel: 050668659717
Web: https://www.rhm-rechtsanwalt.de
E-Mail:
Diesen Anwalt zum Festpreis auswählen Zum Festpreis auswählen

Sehr geehrte Fragestellerin,

gerne beantworte ich Ihre Fragen wie folgt:

1.
Nach Ihrer Schilderung handelt es sich bei Ihrem Geschwister um eine volljährige Person mit geistiger und psychischer Behinderung, die bereits eine Erwerbsminderungsrente bezieht und in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) arbeitet. Da die betroffene Person volljährig ist, sind die Vorschriften des Kinder- und Jugendhilferechts – insbesondere §§ 44, 45 SGB VIII – grundsätzlich nicht mehr anwendbar.

§ 44 SGB VIII regelt die sogenannte Vollzeitpflege für Minderjährige, also die Unterbringung von Kindern und Jugendlichen in einer Pflegefamilie. Eine entsprechende Anmeldung oder Erlaubnispflicht besteht jedoch nur für die Betreuung von Personen unter 18 Jahren. Volljährige Personen fallen nicht mehr in den Anwendungsbereich des SGB VIII, sodass eine Anmeldung als Pflegestelle nach dieser Norm rechtlich ausgeschlossen ist. Auch § 45 SGB VIII, der Erlaubnispflichten für Heime und Erziehungsstellen betrifft, greift nur bei Betreuung von Minderjährigen.

Eine Ausnahme für Verwandte (z. B. Großeltern, Geschwister) bis zum dritten Grad sieht § 44 Abs. 1 Nr. 3 SGB VIII zwar vor, diese Ausnahmeregelung bezieht sich jedoch ausschließlich auf die Betreuung von Minderjährigen und ist bei volljährigen Geschwistern nicht einschlägig.

2.
Mit Erreichen der Volljährigkeit (ab 18 Jahren) ist für behinderte Menschen in der Regel nicht mehr das Jugendamt zuständig, sondern die Eingliederungshilfe nach dem SGB IX bzw. die Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII, sofern kein ausreichendes Einkommen oder Vermögen vorhanden ist. Zuständig ist dann in der Regel das örtliche Sozialamt oder der überörtliche Träger der Eingliederungshilfe (je nach Bundesland unterschiedlich geregelt).

Diese Stellen übernehmen unter bestimmten Voraussetzungen die Finanzierung ambulanter oder stationärer Hilfen – zum Beispiel betreutes Wohnen, Assistenzleistungen oder Maßnahmen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Auch die Weiterarbeit in der WfbM wird im Rahmen dieser Leistungen koordiniert und gefördert.

3.
Wenn Sie als Schwester oder Bruder später einmal die Betreuung freiwillig übernehmen wollen, besteht hierfür grundsätzlich keine Anzeigepflicht oder Genehmigungserfordernis. Eine Betreuung in der eigenen Familie unterliegt nicht denselben Vorgaben wie eine professionelle Pflegestelle. Sie müssten auch keine besondere Anerkennung als Einrichtung oder Erziehungsstelle beantragen. Sie wären im familienrechtlichen Sinne keine Einrichtung der Jugendhilfe, sondern eine betreuende Bezugsperson im Rahmen privater familiärer Pflege. Eine Ausnahme könnte nur dann bestehen, wenn Sie Pflegegeld oder andere Leistungen beantragen möchten, die an bestimmte Qualifikationen oder Strukturen gebunden sind.

Fazit

Eine Pflicht zur Anmeldung als Pflegestelle oder Erziehungsstelle nach dem SGB VIII besteht in Ihrem Fall nicht, da Ihr Geschwister volljährig ist und somit außerhalb des Anwendungsbereichs des Kinder- und Jugendhilferechts liegt. Zuständig für Unterstützungs- oder Unterbringungsfragen ist nach Volljährigkeit die Eingliederungshilfe nach dem SGB IX, gegebenenfalls ergänzt durch Sozialhilfe nach dem SGB XII. Eine Betreuung durch Sie als Angehörige kann freiwillig erfolgen und ist grundsätzlich genehmigungsfrei, solange keine besonderen Leistungen beantragt werden, die institutionelle Voraussetzungen erfordern. Ihre pädagogische Ausbildung ist hilfreich, aber keine rechtliche Voraussetzung für diese familiäre Unterstützung.

Ich hoffe diese Informationen helfen Ihnen weiter.

Mit freundlichen Grüßen

Hussein Madani
Rechtsanwalt


Rückfrage vom Fragesteller 9. Juni 2025 | 22:47

Hallo Herr Madini, vielen Dank für die Antwort.

Ergänzend möglicherweise hätte ich noch als Frage:

- Da das "Geschwisterchen" ja mittlerweile Erwerbsminderungsrente bezieht - diese wird vermutlich genauso später weiterlaufen.

- Wenn das Kinder-, Jugend- und Sozialamt dafür nicht zuständig sind, sondern die Eingliederungshilfe, und wir ihn aber gar nicht in eine Wohneinrichtung oder in eine andere Pflegefamilie bekommen ...
besteht dann zumindest die Möglichkeit weiterhin Pflegegeld über die Pflegekasse zu bekommen? Spezieller fachgebundener Pflegeaufwand ist hier nicht notwendig. Oder benötige ich hier ebenfalls eine besondere offizielle Anmeldung bzw. Pflegeerlaubnis der Eltern?
Letzten Endes machen ja meine Eltern auch nichts anderes. Auch hier gab es keine Spezialausbildung für normale leichte Pflegetätigkeiten, welche die Behinderung aber leider mit sich bringt.

Viele Grüße

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 9. Juni 2025 | 22:55

Sehr geehrte Fragestellerin,

vielen Dank für Ihre ergänzende Rückfrage.

Sofern bei Ihrem Geschwister ein anerkannter Pflegegrad besteht (dies erfolgt durch den MDK bzw. die Pflegekasse), besteht unabhängig von einer Heimunterbringung die Möglichkeit, Pflegegeld zu erhalten – auch bei häuslicher Pflege durch Angehörige. Eine besondere Ausbildung oder Pflegeerlaubnis ist hierfür nicht erforderlich.

Wichtig ist allein, dass die Pflege im häuslichen Umfeld sichergestellt ist und regelmäßig durch eine „Pflegeperson" erbracht wird, was bei Ihren Eltern derzeit der Fall ist und später auch durch Sie erfolgen könnte.

Eine offizielle Anmeldung als „Pflegestelle" ist nicht notwendig. Das Pflegegeld muss lediglich bei der zuständigen Pflegekasse beantragt werden, wenn Sie oder Ihre Eltern die Pflege übernehmen.

Mit freundlichen Grüßen

Hussein Madani
Rechtsanwalt

Bewertung des Fragestellers 9. Juni 2025 | 23:26

Hat Ihnen der Anwalt weitergeholfen?

Wie verständlich war der Anwalt?

Wie ausführlich war die Arbeit?

Wie freundlich war der Anwalt?

Empfehlen Sie diesen Anwalt weiter?

"

Wunderbar, Sie haben mir fürs Erste schon sehr geholfen.
Aktuell gibt es noch keine weiteren Fragen mehr.
Gerne komme ich hier aber wieder auf Sie zurück, falls demnächst noch weitere Fragen hierzu aufkämen.

"
Mehr Bewertungen von Rechtsanwalt Hussein Madani »
BEWERTUNG VOM FRAGESTELLER 9. Juni 2025
5/5,0

Wunderbar, Sie haben mir fürs Erste schon sehr geholfen.
Aktuell gibt es noch keine weiteren Fragen mehr.
Gerne komme ich hier aber wieder auf Sie zurück, falls demnächst noch weitere Fragen hierzu aufkämen.


ANTWORT VON

(892)

Ahrberger Weg 12
31157 Sarstedt
Tel: 050668659717
Web: https://www.rhm-rechtsanwalt.de
E-Mail:
RECHTSGEBIETE
Arbeitsrecht, Sozialrecht, Kaufrecht, Miet- und Pachtrecht, Vertragsrecht