Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Die bisherige Auskunft Ihrer früheren Rechtsvertretung, wonach immaterielle Schadensersatzansprüche (insbesondere für psychische Gesundheitsschäden) gesetzlich ausgeschlossen seien, ist in dieser Pauschalität nicht zutreffend. Zwar ist der gesetzliche Entschädigungsanspruch nach dem Strafverfolgungsentschädigungsgesetz (StrEG) in § 7 Abs. 3 StrEG grundsätzlich auf materielle Schäden begrenzt, jedoch wird in bestimmten Ausnahmefällen ein Anspruch auf immaterielle Entschädigung aus verfassungsrechtlichen und konventionsrechtlichen Überlegungen anerkannt.
Wie der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages in der Ausarbeitung WD 7 - 065/21 darlegt, kann sich ein Anspruch auf Entschädigung für immaterielle Schäden – insbesondere psychische Gesundheitsschäden – aus Art. 5 Abs. 5 EMRK ergeben. Diese Norm statuiert ausdrücklich, dass jede Person, die unter Verletzung der in Art. 5 EMRK garantierten Rechte festgehalten wurde, Anspruch auf Schadensersatz hat. Dies wurde auch von der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) bestätigt (u. a. EGMR, Urteil vom 28.10.2010 – 33348/07, T.M. gegen Polen).
Die deutsche Rechtsprechung erkennt mittlerweile in ständiger Linie an, dass bei schwerwiegenden Grundrechtseingriffen, die nicht durch das StrEG entschädigt werden, eine Entschädigung über den Weg der Staatshaftung nach Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB in Betracht kommt – insbesondere dann, wenn sich die staatlichen Maßnahmen als rechtswidrig herausstellen und zu erheblichen immateriellen Schäden geführt haben. Dies wurde insbesondere vom Bundesgerichtshof (BGH) in seiner Entscheidung vom 19. Juni 2003 – III ZR 199/02 ausdrücklich anerkannt: Danach können sich aus einer menschenrechtswidrigen Freiheitsentziehung weitergehende Entschädigungsansprüche ergeben, auch wenn das nationale Gesetz dies nicht vorsieht.
Zudem verweist der Wissenschaftliche Dienst auf die Literaturmeinung von Kühne, der eine richtlinienkonforme Auslegung des StrEG im Lichte der EMRK fordert (vgl. Kühne, NJW 2016, 1569). Auch Epping argumentiert in der JuS 2020, 199 ff., dass in Konstellationen wie der Ihren das nationale Entschädigungsrecht unter dem Einfluss der EMRK dynamisch ausgelegt werden muss.
Ihre Lage ist insoweit besonders, als Sie nicht nur freigesprochen wurden, sondern auch nachweislich unter gravierenden psychischen Folgeerkrankungen leiden, die kausal auf die staatlichen Maßnahmen zurückzuführen sind. Eine anhaltende medizinisch dokumentierte Behandlung ist in diesem Kontext von entscheidender Bedeutung.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Auch wenn das StrEG isoliert betrachtet immaterielle Schäden nicht vorsieht, ist aufgrund der Rechtsprechung des EGMR und des BGH sowie der Literatur eine Klage gegen den Staat wegen immateriellen Schadensersatzes durchaus möglich und rechtlich begründbar, insbesondere gestützt auf die EMRK und das allgemeine Staatshaftungsrecht.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
El-Zaatari
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