Sehr geehrter Fragesteller,
vorab möchte ich Sie darauf hinweisen, dass es von größter Wichtigkeit ist, dass Sie – falls noch nicht geschehen – unverzüglich selbst einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, verbunden mit einem Antrag auf Restschuldbefreiung stellen. Bitte erledigen Sie dies unverzüglich, da der Antrag auf Restschuldbefreiung nur in der Anfangsphase des Insolvenzverfahrens (dem "Eröffnungsverfahren") gestellt werden kann; danach wäre Ihr Antrag präkludiert und daher zurück zu weisen.
Weiter möchte ich vorausschicken, dass Sie sich noch am Anfang des Insolvenzverfahrens befinden. Sie sollten daher - als grober Überblick zum Verfahren - wissen, dass das gesamte Verfahren (mit Restschuldbefreiung) in der Regel 3 bis 4 Jahre dauert. Zu Beginn wird der Insolvenzverwalter Ihr Vermögen feststellen. Soweit dieses nicht den Pfändungsfreibeträgen unterliegt, gehört es zur Insolvenzmasse im Sinne des § 35 InsO und wird daher vom Insolvenzverwalter verwaltet (§§ 80, 148 InsO) und verwertet, um den Erlös an die Gläubiger auszukehren. Erst danach treten Sie in die sogenannte Wohlverhaltensphase ein.
Die Verpflichtung, eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben, trifft Sie erst in der Wohlverhaltensphase (LG Bielefeld, Beschl. v. 14.8.2014 – 23 T 548/14). Sie müssen sich also aktuell noch keine Sorgen machen, falls Sie momentan keine Beschäftigung finden. Dennoch ist es ratsam, mit dem Insolvenzverwalter offen zu kommunizieren und gemeinsam zu prüfen, wie eine Umschulung realisiert werden kann – insbesondere, wenn diese langfristig zu einer besseren finanziellen Situation und damit auch zu höheren Zahlungen an die Gläubiger führen könnte.
Zur eigentlichen Frage: Während der Wohlverhaltensphase sind Sie gemäß § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO verpflichtet, eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben. Die Aufnahme einer Umschulung ist grundsätzlich möglich, jedoch nur, wenn sie noch innerhalb der Wohlverhaltensphase abgeschlossen wird, sodass sich die verbesserten Berufschancen auch für die Gläubiger rentieren. Ob dies der Fall ist, hängt von den Umschulungsmaßnahmen ab, die Sie ergreifen wollen.
Ggf. kann auch argumentiert werden, dass durch die Umschulung keine Beeinträchtigung der Gläubiger gemäß § 296 InsO eintritt, da Sie bereits vor der Insolvenz keine Arbeit hatten. Falls sich abzeichnet, dass Sie in der nächsten Zeit ohnehin keine Anstellung als ungelernte Kraft finden würden, entsteht den Gläubigern durch eine Umschulung kein zusätzlicher Nachteil.
Weiter empfiehlt es sich, weiterhin aktiv Bewerbungen für ungelernte Tätigkeiten zu schreiben und die Absagen sorgfältig zu dokumentieren. Damit könnten Sie im Zweifel belegen, dass eine sofortige Anstellung realistisch nicht möglich war.
Abschließend möchte ich Sie beruhigen: Insolvenzverwalter sind auch nur Menschen. Die meisten Verwalter, mit denen ich zusammengearbeitet habe, leisten wirklich gute Arbeit und verlangen auch nichts Unmögliches. Bleiben Sie offen in der Kommunikation, und zeigen Sie ehrliches Bemühen bei der Abzahlung Ihrer Schulden während des Insolvenzverfahrens.
Mit freundlichen Grüßen
Roland Schmidt
Antwort
vonRechtsanwalt Roland Schmidt
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Sehr geehrter Herr Schmidt,
Vielen Dank zunöchst für Ihre Antwort, die mich in der Tat etwas beruhigt. Mit Ausnahme des - sehr wichtigen - Anfangs. Ich verstehe die Antwort hier dahingehend nicht, dass ich unsicher bin, ob ich mir in meinem Fall Sorgen machen muss oder nicht. Auf dem Antrag, den mein Anwalt mir zugeschickt und zurückerhalten hat, wurde die Reschschuldbefreiung beantragt (da war ein Kasten angekreuzt). Das habe ich natürlich unterschrieben. Aber, wie gesagt: Das war der Antrag des Inso-Anwalts.
Weder wpüsste ich, bei welchem gericht genau mein Verfahren stattfindet (da gibt es zwei Optionen), noch würde ich wissen, wo und wie ich einen solchen Antrag stelle, falls ich selbst es noch (dann quasi "ein zweites Mal") muss.
Muss ich?
Bisher wurde mein Verfahren nicht bekannt gemacht, das habe ich online geprüft. Mehr weiß ich nicht.
Ihnen nochmals vielen Dank, die Antwort war wirklich Gold wert. Falls diese Frage hier zu weit geht, stelle ich gern eine weitere Anfrage.
Lieber Fragensteller,
wenn ein Insolvenzanwalt den Antrag gestellt hat, würde ich stark davon ausgehen, dass er diesen Punkt bedacht und den Antrag in Ihrem Namen bereits gestellt hat. Sollte dies nicht der Fall sein, werden Sie vom Gericht darauf hingewiesen (§ 20 Abs. 2 InsO). Bitte lesen Sie sich daher insb. Gerichtspost aufmerksam durch - der Hinweis ist i.d.R. am Ende der Gerichtsschreiben, und ist auch optisch erkennbar ein "Standard-Textbaustein" des Gerichts, weshalb er oft "überlesen" wird. Dieser Hinweis ist aber sehr wichtig, weil Sie den Antrag innerhalb von 2 Wochen nach Erhalt des Hinweises (i.d.R. spätestens aber bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens) stellen müssen.
Sollten Sie sich unsicher sein, sollten Sie das Gericht anrufen, sobald Sie von dem Gericht Post haben. Oft wird dort auch die Durchwahl der zuständigen Geschäftsstelle angegeben. Bitte fragen Sie auch bei Ihrem Anwalt nach. Es kann sein, dass das Gericht die Post an ihn richtet.
Hinsichtlich der Zuständigkeit könnte es in Ihrem Fall durchaus etwas schwierig werden. Bei einer selbstständigen Tätigkeit geht das Gesetz grds. von einer alleinigen Zuständigkeit am Ort der selbstständigen Tätigkeit aus (§ 3 Abs. 1 S. 2 InsO). Wenn die selbstständige Tätigkeit zwar beendet ist, aber noch nicht alles abgewickelt wurde (insb. noch Verbindlichkeiten aus der selbstständigen Tätigkeit bestehen), nehmen die meisten Gerichte immer noch eine ausschließliche Zuständigkeit am Ort der selbstständigen Tätigkeit an. Es gibt aber auch Gerichte, die meinen, dass in diesem Fall das Gericht am Wohnsitz des Schuldners zuständig wäre. Hier werden Sie ggf. erst abwarten müssen, bis das Gericht Sie kontaktiert.
Bitte beachten Sie, dass mit "Gericht am Ort des..." immer das Amtsgericht meint, an dem auch ein Landgericht besteht. Online müssen Sie daher nachschauen, welches Landgericht für den jeweiligen Ort zuständig ist; zuständig ist dann das Amtsgericht am Ort (d.h. in der Regel in der selben Stadt, nicht zwingend an der selben Anschrift) des Landgerichts.
Ich hoffe, dass Ihnen diese Antwort weitergeholfen hat!
Beste Grüße,
Roland Schmidt