Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegeben Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Zunächst möchte ich Sie vorab auf zwei Dinge aufmerksam machen, die mir in Ihrer Sachverhaltsschilderung aufgefallen sind:
Es ist nicht korrekt, dass Sie sich erst bei Insolvenzeröffnung arbeitslos melden müssen, dies hätten Sie unmittelbar nach Erhalt der Kündigung tun sollen. Soweit dies noch nicht geschehen ist empfehle ich dringend dies schnellstmöglich nachzuholen, da eine verspätete Meldung Kürzungen beim Arbeitslosengeldbezug zur Folge haben kann.
Ich verstehe auch nicht, wieso Ihnen bei 13jähriger Betriebszugehörigkeit mit einer siebenmonatigen Kündigungsfrist gekündigt wurde. Das Gesetz sieht in § 622 Abs. 2 BGB
eine Frist von fünf Monaten bei mehr als zwölfjähriger Betriebszugehörigkeit vor. Die im Arbeitsvertrag vereinbarte Kündigungsfrist ist kürzer als die gesetzliche und somit unbeachtlich. Ggf. gibt es aber noch eine Frist in einem Tarifvertrag, die zu beachten ist.
Es ist ohnehin damit zu rechnen, dass Sie nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nochmals eine Kündigung zum Jahresende erhalten, da die Höchstfrist für eine Kündigung des Insolvenzverwalters gemäß § 113 InsO
drei Monate beträgt.
Die dreiwöchige Frist zur Einreichung der Kündigungschutzklage nach Erhalt der Kündigung ist Ihnen bekannt, so dass ich nur der Form halber hierauf nochmals hinweise.
Nun zu Ihren Fragen:
1.) Ist die Aussage des Wirtschaftsprüfers korrekt, das ich kein Gehalt von der Firma bzw. dem Käufer ab dem 1. September erhalte, obwohl ich auf dem Papier bis zum 28.02.2013 Mitarbeiter der Firma bin?
So ohne Weiteres nicht. Als Arbeitnehmer haben Sie grundsätzlich ab Insolvenzveröffnung Zahlungsansprüche gegen die Masse, also den Insolvenzverwalter selbst, die dieser zu 100 % bedienen muss. Diese Ansprüche sind bevorrechtigt gegenüber den Forderungen aus der Zeit vor der Insolvenz.
Es gibt aber den Fall der sog. Masseunzulänglichkeit, quasi die Insolvenz der Insolvenz, in dem der Insolvenzverwalter so wenig Einnahmen generiert, dass er auch bevorrechtigte Forderungen wie Gehälter der Arbeitnehmer aus der Zeit nach Insolvenzeröffnung nicht bedienen kann. In diesem Fall kann er die Arbeitnehmer freistellen, so dass diese sofort Arbeitslosengeld erhalten. In diesem Fall fängt der Arbeitslosengeldzeitraum auch schon zu laufen, d.h. die Kündigungsfrist wird faktisch abgekürzt. Die Lohnforderungen der Arbeitnehmer sind in diesem Fall aber immer noch vorrangig zu bedienen z.B. gegenüber einfachen Insolvenzforderungen, d.h. wenn der Insolvenzverwalter später aus Prozessen o.ä. Einnahmen erzielt, muss er zunächst die sog. Masseforderungen bezahlen.
Ggf. hat der Wirtschaftsprüfer dieses Szenario gemeint.
2.) Welche rechtliche Grundlage für den Käufer beim Asset Deal gibt es, alle Arbeitsverträge zu übernehmen, außer die, die gekündigt haben oder gekündigt wurden?
Bei einem Asset Deal gehen meist die Arbeitsverhältnisse in Wege des Betriebsübergangs über. Ein Betrieb wird von der Rechtsprechung definiert als auf Dauer angelegte wirtschaftliche Einheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung, die nicht auf die Ausübung eines bestimmten Vorhabens beschränkt ist. Ob ein solcher vorliegt, wird durch die Bewertung einer Vielzahl von Faktoren festgestellt, wie Übergang der wesentlichen materiellen und immateriellen Betriebsmittel, des Know-hows, der Hauptbelegschaft. Da es in Ihrem Fall um ein Beratungsunternehmen geht, ist vermutlich auf die Übernahme der Belegschaft abzustellen. Das Anlage- und Umlaufvermögen, also vermutlich PCs und Server, dürften nur von untergeordneter Bedeutung sein.
Wird die Hauptbelegschaft übernommen, dürfte auch ein Betriebsübergang vorliegen. Da nach Ihrer Mitteilung 20 von 24 Arbeitnehmer übernommen werden, dürfte dies der Fall sein. Dieser bezieht sich dann auch auf gekündigte Arbeitsverhältnisse, egal ob diese vom Arbeitgeber oder vom Arbeitnehmer gekündigt werden.
Das Einzige was denkbar wäre ist dass der Betrieb verschiedene Teile hat, von denen nur einer auf den Erwerber übergeht. Hier müsste dann aber noch geprüft werden, ob Sie in den übergehenden Teil versetzt werden könnten, so dass eine Sozialauswahl durchzuführen war. Sie sind ja schon recht lange bei dem Arbeitgeber, also vermutlich auch eher im mittleren Alter und haben ggf. auch Frau und Kinder, die Sie unterhalten müsen. Ggf. sind in dem übergehenden Betriebsteil jüngere Arbeitnehmer, die weniger schutzwürdig sind.
Ich habe folgende Formulierung in der Insolvenzordnung gefunden: "Eine Unternehmensveräußerung in Form des Asset Deals wirkt sich auf bestehende Arbeitsverhältnisse nicht aus. Der Erwerber tritt kraft Gesetz in die Arbeitgeberposition ein und übernimmt somit automatisch die von dem Betriebsübergang betroffene Belegschaft."
Dieser Satz steht so nicht in der Insolvenzordnung, sondern wohl eher in einem Handbuch. Er ist aber im Prinzip richtig, s.o.
3.) Welche Möglichkeiten habe ich, um die Gehaltszahlungen bis zum 28.02.2013 einzuklagen? Ist hierzu zwingend eine Kündigungsschutzklage erfoderlich, denn der letzte Termin hierfür wäre Freitag, der 17.08.2012?
Nein, diese ist nicht erforderlich, da sich die Gehaltsklage ja im Fall eine Betriebsübergangs ohnehin gegen das neue Unternehmen richten würde. Wenn Sie aber keine Kündigungsschutzklage gegen den Insolvenzverwalter einreichen, können Sie eine Abfindung wegen des Verlust Ihres Arbeitsplatzes nicht verlangen, da ja ein Sozialplan, der automatisch eine Abfindung vorsieht, offenbar nicht verhandelt worden ist.
4.) Hat es einen Einfluss auf meine Gehaltszahlungen, wenn für die nicht im Rahmen des Asset Deals verkauften Anteile der Firma im September Insolvenz angemeldet werden würde?
Diese Frage verstehe ich nicht. Für Ihre Arbeitgeberin wurde nach ihren Angaben bereits im Juni Insolvenz angemeldet, das Insolvenzverfahren soll zum 01.09.2012 eröffnet werden. Die Geschäftsanteile der Gesellschaft sind somit wertlos. Für diese muss aber nicht noch einmal Insolvenz angemeldet werden.
Sollte die Gesellschaft Anteile an anderen Unternehmen halten, müsste Insolvenzantrag bezüglich dieser Gesellschaften nur gestellt werden, wenn diese selbst zahlungsunfähig oder überschuldet sind. Ggf. machen diese gute Geschäfte, so dass dies nicht notwendig sein wird.
Ggf. können Sie in der Nachfragefunktion nochmals schildern, was Sie mit einer "Insolvenz der nicht verkauften Anteile der Firma" meinen.
5. Wie hoch sind die Erfolgsaussichten im Falle einer Kündigungsschutzklage?
Das kann man an dieser Stelle nicht abschließend beurteilen, da hierzur eine Vielzahl von Rückfragen erforderlich sind. Auch kenn man als Arbeitnehmer viele Umstände nicht, die den Arbeitgeber zur Kündigung bewogen haben, so dass man erst während des Prozesses klüger wird. Die Anforderungen an eine wirksame Kündigung sind jedoch hoch, so dass ich im Zweifel immer zur Klage rate, vor allem weil man anderenfalls auf seine Abfindung verzichtet.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Elke Scheibeler, Rechtsanwältin
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Diese Antwort ist vom 15.08.2012 und möglicherweise veraltet. Stellen Sie jetzt Ihre aktuelle Frage und bekommen Sie eine rechtsverbindliche Antwort von einem Rechtsanwalt.
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15.08.2012
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17:27
Antwort
vonRechtsanwältin Dr. Elke Scheibeler
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Fachanwältin für Arbeitsrecht