Verpflichtungserklärung Wechsel des Verpflichtungsgebers

28. Februar 2025 01:05 |
Preis: 40,00 € |

Ausländerrecht


Beantwortet von

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich habe über eine Verpflichtungserklärung nach § 68 AufenthG einem jungen Mann aus dem Familienkreis meines Mannes ein Studium in Deutschland ermöglich wollen. In der Verpflichtungserklärung war als erster Aufenthaltszweck §16b Abs.5. Nr.2 AufenthG (Studienvorbereitender Sprachkurs) vereinbart, dieser wurde auch erteilt. Weiterhin erlischt die Verpflichtungserklärung bei einem Zweckwechsel (Bundeseinheitliches Formular S. 1)

Wie es kommen musste, hat der Verpflichtungsnehmer bislang seit fast 22 Monaten, weder die für ein Studium notwendigen Sprachkurse geschafft oder ein Studienkolleg besucht und abgeschlossen. Die Sprachschule und der Wohnort wurden mehrfach gewechselt. In 8 Monaten (also dann nach einer Gesamtaufenthaltsdauer von 30 Monaten/2.5 Jahren) möchte er ein duales Studium beginnen. Eine Immatrikulationsbescheid der Hochschule liegt nicht vor (und dies halte ich auch nicht für wahrscheinlich), nur ein Vertragszusage eines Unternehmens.

Meine Fragen lauten nun:

1) War es rechtens, dass die Ausländerbehörde den Aufenthaltstitel durch Verlängerungen auf eine derart lange Zeitspanne ausdehnt (aktuell 22 Monate), da die Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz (AufenthGAVwV) unter Nr. 16.1.2.2 die Verlängerung längstens! bis zur Gesamtgeltungsdauer von 18 Monaten zulässt?

2) Liegt ein Zweckwechsel vor, wenn aus einem Aufenthalt nach §16b Abs.5. Nr.2 (Studienvorbereitender Sprachkurs) nach §16b Abs.5. Nr.1 (Studium) gewechselt wird? (Vgl. AufenthGAVwV Nr. 7.1.1.0 ff. i. V. m. DV-AZRG Anlage Tabellenteil 10)

3) Als Verpflichtungsgeber habe ich ein berechtigtes Interesse über die beantragten und ggf. vollzogenen Wechsel des Aufenthaltszwecks in Hinblick auf das Fortbestehen oder Erlöschen meiner Verpflichtungserklärung informiert zu werden bzw. Akteneinsicht in die relevanten Aktenbestandteile zu erhalten. Ist es rechtmäßig, dass die nunmehr zuständige Ausländerbehörde die Akteneinsicht oder zumindest entsprechende Auskünfte verweigert (Kein Einsichtsinteresse)?

4) Ein neuer Verpflichtungsgeber aus der Familie des Verpflichtungsnehmers wäre bereit in das Verpflichtungsverhältnis einzutreten. Besteht eine rechtliche Durchsetzungsmöglichkeit eines derartigen Wechsels?

Einsatz editiert am 28. Februar 2025 08:54

1. März 2025 | 08:13

Antwort

von


(100)
Paul-Sorge-Str. 4 c
22459 Hamburg
Tel: 040-22862199-0
Web: https://www.ra-riemann.de/
E-Mail:
Diesen Anwalt zum Festpreis auswählen Zum Festpreis auswählen

Sehr geehrte(r) Ratsuchende(r),

Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen wie folgt beantworten:

1) Rechtmäßigkeit der Verlängerung über 18 Monate hinaus
Gemäß § 16b Abs. 5 Nr. 2 AufenthG kann ein Aufenthaltstitel für einen studienvorbereitenden Sprachkurs oder den Besuch eines Studienkollegs erteilt werden. Laut den Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum Aufenthaltsgesetz (AufenthGAVwV) Nr. 16.1.2.2 ist eine Verlängerung zwar grundsätzlich möglich, aber auf maximal 18 Monate begrenzt.

Wenn die Ausländerbehörde die Verlängerung über 18 Monate hinaus bewilligt hat, könnte dies einen Verstoß gegen die Verwaltungsvorschriften darstellen. Allerdings sind Verwaltungsvorschriften lediglich interne Richtlinien und nicht direkt verbindlich für die Gerichte. Falls die Verlängerung dennoch auf einer besonderen Ermessensentscheidung oder auf besonderen Umständen beruhte (z. B. pandemiebedingte Verzögerungen oder individuelle Härten), könnte sie rechtmäßig sein. Eine nähere Begründung der Behörde wäre erforderlich, um dies abschließend zu bewerten.

2) Liegt ein Zweckwechsel nach § 16b Abs. 5 Nr. 2 zu § 16b Abs. 5 Nr. 1 vor?
Ein Zweckwechsel liegt vor, wenn sich der Aufenthaltszweck wesentlich ändert. Laut Nr. 7.1.1.0 ff. AufenthGAVwV sowie den Einträgen im Datenverarbeitungssystem AZR (DV-AZRG, Tabellenteil 10) wird zwischen den einzelnen Aufenthaltszwecken differenziert.

Der Wechsel von § 16b Abs. 5 Nr. 2 (studienvorbereitender Sprachkurs) zu § 16b Abs. 5 Nr. 1 (Studium selbst) stellt einen Zweckwechsel dar, da der Aufenthaltstitel ursprünglich nur zur Vorbereitung auf ein Studium erteilt wurde, nun aber der tatsächliche Beginn des Studiums beantragt wird. Ein solcher Wechsel erfordert eine neue Aufenthaltstitelerteilung, die nach § 16b Abs. 1 AufenthG zu prüfen ist.

Da auf der Verpflichtungserklärung explizit ein Erlöschen bei Zweckwechsel festgelegt ist (bundeseinheitliches Formular), müsste die Verpflichtung mit dem Zweckwechsel hinfällig geworden sein.

3) Besteht ein Einsichtsrecht in die Akten?
Als Verpflichtungsgeber besteht ein berechtigtes Interesse an Informationen über den Status des Verpflichtungsnehmers, da die Verpflichtung nach § 68 AufenthG finanzielle Auswirkungen auf Sie hat.

Allerdings ist das allgemeine Akteneinsichtsrecht durch § 29 VwVfG (Verwaltungsverfahrensgesetz) beschränkt. Die Behörde kann die Einsicht verweigern, wenn schutzwürdige Belange Dritter (also des Verpflichtungsnehmers) überwiegen. Eine Ausnahme besteht, wenn die Information für Ihre Rechte als Verpflichtungsgeber wesentlich ist.

Daher hätten Sie zumindest einen Anspruch auf Auskunft darüber, ob ein Zweckwechsel erfolgt ist, da dies Ihre Verpflichtung unmittelbar betrifft. Falls die Behörde dies verweigert, könnte ein Widerspruch oder eine Klage auf Auskunftserteilung in Betracht kommen.

4) Kann ein neuer Verpflichtungsgeber in das Verpflichtungsverhältnis eintreten?
Ein Wechsel des Verpflichtungsgebers ist nicht ohne weiteres vorgesehen. Eine Verpflichtungserklärung begründet eine eigene öffentlich-rechtliche Verpflichtung des ursprünglichen Erklärenden, die nur in Ausnahmefällen abgelöst werden kann.

Allerdings besteht die Möglichkeit, dass der neue Verpflichtungsgeber eine eigene neue Verpflichtungserklärung abgibt, wenn ein neuer Aufenthaltstitel beantragt wird. Die Behörde müsste in diesem Fall prüfen, ob die alte Verpflichtung erlischt und durch die neue ersetzt werden kann. Eine rechtliche Durchsetzungsmöglichkeit eines Wechsels gibt es jedoch nicht, sondern die Behörde entscheidet darüber nach Ermessen.

Fazit
Die Verlängerung des Aufenthaltstitels über 18 Monate hinaus könnte einen Verstoß gegen die Verwaltungsvorschriften darstellen, es sei denn, es gab besondere Gründe.
Der Wechsel von § 16b Abs. 5 Nr. 2 zu § 16b Abs. 5 Nr. 1 stellt einen Zweckwechsel dar, womit die Verpflichtungserklärung erloschen sein dürfte.
Ein berechtigtes Interesse auf Akteneinsicht besteht, insbesondere bezüglich des Zweckwechsels. Die Verweigerung durch die Behörde könnte angefochten werden.
Ein Wechsel des Verpflichtungsgebers ist nicht erzwingbar, aber es könnte eine neue Verpflichtungserklärung abgegeben werden, wenn ein neuer Aufenthaltstitel beantragt wird.
Falls die Behörde weiterhin Akteneinsicht verweigert oder die Verpflichtung weiterhin als gültig ansieht, könnte ein Widerspruch oder eine verwaltungsgerichtliche Klage erwogen werden.

Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen.

Mit freundlichen Grüßen


Hagen Riemann
(rechtsanwalt)


ANTWORT VON

(100)

Paul-Sorge-Str. 4 c
22459 Hamburg
Tel: 040-22862199-0
Web: https://www.ra-riemann.de/
E-Mail:
RECHTSGEBIETE
Wettbewerbsrecht, Verkehrsrecht, Arbeitsrecht, Strafrecht, Zivilrecht, Internationales Recht, Vertragsrecht, Baurecht, Steuerrecht, Erbrecht, Ausländerrecht, Miet- und Pachtrecht
Durchschnittliche Anwaltsbewertungen:
4,8 von 5 Sternen
(basierend auf 119006 Bewertungen)
Aktuelle Bewertungen
5,0/5,0
Eine so ausführliche und schnelle Beantwortung ist mehr als lobenswert. Keine Rückfrage notwendig. ...
FRAGESTELLER
5,0/5,0
Vielen Dank für die schnelle und nachvollziehbare Erläuterung. ...
FRAGESTELLER
5,0/5,0
Wow hätte Noenals gedacht das ein Fremder Mensch für wenig Geld hier mir so Hilft vielen Dank. ...
FRAGESTELLER