Schimmelbildung im Neubau - wer ist haftbar?

| 21. November 2022 19:37 |
Preis: 70,00 € |

Baurecht, Architektenrecht


Beantwortet von

Zusammenfassung

Es geht um Schimmelbildung in einer Neubauwohnung. Wer haftet?

In einer Eigentumswohnung Bj. 2021, die vermietet ist, tritt an einigen Fenstern Schimmelbildung auf, außerdem bildet sich in den Fenstern (Dreifachverglasung) und am Rahmen Schwitzwasser.
Ein Gutachter bemängelte die fehlende bzw. mangelhafte Durchlüftung der Fenster. Die Schimmelbildung ist seiner Meinung nach auf falsche Falzlüfter und auf eine zu hohe Restbaufeuchte zurückzuführen, da die abströmende Raumluft mit der hohen Feuchtigkeit innerhalb der Rahmenkonstruktion kondensiert und auch vereist.
Mit diesem Gutachten konfrontiert, widersprach der Fensterbauer und der Bauherr dem Gutachten; sie sehen die Schuld beim Mieter, dem sie mangelndes Lüften vorwerfen.Sie sind nicht bereit, für die Beseitigung der Schäden aufzukommen.
Meine Fragen an Sie:
• Wie soll ich weiter vorgehen?
• Ein neues Gutachten erstellen lassen?
• Geräte zur Dokumentation der Luftfeuchtigkeit über 4 Wochen aufstellen?
• Einen Anwalt vor Ort einzuschalten?

Kann ich die Handwerker für die entstehenden Kosten, auch die Gutachter- und Anwaltskosten haftbar machen oder trage ich diese auch im Falle, dass diesen die Schuld für die Mängel nachgewiesen werden?

21. November 2022 | 21:09

Antwort

von


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Gerne zu Ihren Fragen:

Meine Fragen an Sie:

• Wie soll ich weiter vorgehen?
• Ein neues Gutachten erstellen lassen?

Antwort: Nein, nicht unbedingt. Sog. "Ober"-gutachter sind weder bei Gericht beliebt, noch als Privatgutachter zielführend.

Wenn Sie schreiben.....

"Mit diesem Gutachten konfrontiert, widersprach der Fensterbauer und der Bauherr dem Gutachten; sie sehen die Schuld beim Mieter, dem sie mangelndes Lüften vorwerfen".

...ist das der Klassiker in solchen Fällen, wobei in einem Neubau (Erstbezug) es durchaus gewisse Indizien gibt (zu hohe Restbaufeuchte), dass die Mieter (und damit indirekt nicht Sie als Vermieter) dafür haften. Indizien müssen "erschüttert werden" und können von der Gegenseite nicht einfach nur bestritten werden.

Vielmehr bedarf es dazu schon etwas mehr, als den vorliegenden Klassiker, es auf die Mieter abzuschieben.

• Wie soll ich weiter vorgehen?
Antwort: So viel wie möglich objektive Fakten sammeln.
(a) falsche Falzlüfter sind solch taugliche Fakten, die der Gutachter ja bereits dekuvriert hat.

• Geräte zur Dokumentation der Luftfeuchtigkeit über 4 Wochen aufstellen?
Antwort: Ja, auch das kann zielführend sein. Kosten dazu s.u.
Ferner parallel dazu Ihre Mieter bitten, besonders sorgfältig auf Be- und Entlüftung zu achten (Stoßbelüftung im Winter), ggf. darüber ein kurzes Protokoll zu führen.

• Einen Anwalt vor Ort einzuschalten?
Antwort: Das wäre - auch aus Kostengründen - erst sinnvoll, wenn sich der Streit verfestigt und ein sog. "selbständiges Beweisverfahren" nach §§ 485 ff ZPO unausweichlich erscheint.

Diese reduzierten Gerichts- und Anwaltskosten trägt dann die unterliegende Partei. Und die Verjährung Ihrer Ansprüche gegen die Gegenseite wäre damit gehemmt.

Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.

Mit freundlichen Grüßen


Rechtsanwalt Krim.-Dir. a.D. Willy Burgmer

Rückfrage vom Fragesteller 22. November 2022 | 10:07

Muss ich der Gegenseite per Einschreiben oder Mail mitteilen, dass ich Gegenmaßnahmen (Aufstellen von Messgeräten 0.ä.) ergreifen werde, um die Ursachen des Schimmelbefalles zu ergründen?

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 22. November 2022 | 15:55

Gerne zu Ihrer Nachfrage:

Ein sog. Einwurfeinschreiben (Zeugen vom Inhalt und Postaufgabe) ist für den Nachweis des Zugangs stets der sichere Weg. Parallel geht auch eine E-Mail.

Schreiben Sie dazu, dass Sie aufgrund des vorliegenden Sachverständigengutachtens ein Ihnen zurechenbares Verschulden BESTREITEN und alle INDIZIEN für einen Bauschaden sprechen, explizit die Ansiedelung um einige Fenster herum sowie den falschen Falzlüfter.

Fordern Sie die Gegenseite (beide) mit Fristsetzung von 6 Wochen auf, die Mängel zu beseitigen.

Zur Schadensminderung wollen Sie "ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht" geeignete Messgeräte aufstellen und behalten sich für die noch zu erhebenden Kosten einen Regress vor, wie auch für eine ggf. zu erwartende Mietminderung.

Zeigte sich die Gegenseite hartleibig, werden Sie um einen im Bauschadensrecht versierten Kollegen (m./w.) vor Ort kaum herumkommen.

Denn es kommt im Streitfall sehr auf Tatsachen und Erhebungen vor Ort an, wie man sehr anschaulich etwa einem Urteil des AG Donaueschingen, Urteil vom 15.03.2012 - 31 C 164/11 entnehmen kann:


Zwar gelangt der Gerichtssachverständige ... in seinem schriftlichen Gutachten zu dem Ergebnis, dass sich die Gebäudehülle bauphysikalisch in einem guten Zustand befinde und bautechnisch ausgeschlossen werden könne, dass Feuchtigkeit von Außen nach Innen eindringe. Zu diesem Ergebnis gelangt er u. a. durch Messung der Holzausgleichsfeuchte im Bereich der Dachflächenfenster sowie nach Bauteilöffnung und thermographischer Untersuchungen im Bereich Bad, Schlafzimmer und Arbeitszimmer. Letztere Methode dient der Visualisierung von Wärmebrücken und demgemäß zur Feststellung von Feuchtigkeitswanderungen im Wandaufbau. Hierbei konnte der Sachverständige keine Auffeuchtung im Wandinneren, sondern lediglich oberflächliche Feuchtigkeit im Wohnungsinneren feststellen. Die verwendeten Bauteile sind demnach unter dem Aspekt der Thermik grundsätzlich nicht zu beanstanden mit Ausnahme des Bereichs der Dachgauben und Fenster, wo der Sachverständige eine grenzwertige Oberflächentemperatur festgestellt hat.

Gleichwohl ist das Gericht nach durchgeführter Beweisaufnahme und informatorischer Anhörung der Parteien davon überzeugt, dass die Beklagten insgesamt ein ausreichendes Heiz- und Lüftungsverhalten praktizieren und auch praktiziert haben, somit ein unsachgemäßes Nutzerverhalten als Ursache für die Feuchteproblematik ausscheidet. Der Sachverständige ... hat eine ausgiebige Lüftungsberechnung in seinem Ausgangsgutachten angestellt (dort Seiten 33 ff.). Ausgehend von dem Raumvolumen der Wohnung und bei Zugrundelegung verschiedener Außentemperaturen hat der Sachverständige in den verschiedenen Konstellationen eine jeweilige Anzahl an erforderlichen Lüftungsvorgängen errechnet, um die vorhandene Raumluftfeuchte in ausreichendem Maße nach Außen hin ablüften zu können. Hierbei gelangt der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass es bei einer Außentemperatur von -5 C° bei einer relativen Luftfeuchte von 80% täglich 1 bis 2 vom Nutzer zusätzlich durchzuführender Lüftungsvorgänge bedarf. Bei 0 C° Außentemperatur werden bereits 3 tägliche Lüftungsgänge erforderlich und bei 4,9 C° Außentemperatur sogar 5 bis 6 Lüftungsvorgänge täglich. Finden die besagten Lüftungsvorgänge in der angegebenen Anzahl nicht statt, bestehe die Gefahr, dass die Luftfeuchtigkeit in sorptiven Baustoffen zwischengelagert und dann bei Gelegenheit wieder an die Raumluft abgegeben werde. Im Rahmen seiner mündlichen Befragung hat der Sachverständige auf Bitten des Gerichts seine Ausführungen zur Lüftungsproblematik nochmals konkretisiert. So hat er für das Gericht überzeugend und nachvollziehbar ausgeführt, dass es sich bei der im Gutachten mit 4,9 C° angegebenen Außentemperatur um die sogenannte Durchschnittswintertemperatur, die zwischen Herbst und Ende Frühling in der hiesigen Region herrsche, handle. Lege man diese Durchschnittstemperatur den Berechnungen zugrunde, so sei ein 5- bis 6-maliges Lüften täglich erforderlich, um einen akzeptablen Feuchtegrad in der Wohnung zu erreichen.

Legt man diese Feststellungen des Sachverständigen zugrunde, so führt dies rechtlich zu dem Ergebnis, dass nicht mehr von einem zumutbaren Normverhalten die Rede sein kann, d. h. ein 5- bis 6-maliges Lüften täglich ist den Mietern nicht zumutbar. Üblicherweise kann einem Mieter zugemutet werden, 1 bis 2 Mal pro Tag für jeweils ca. 10 bis 20 Minuten die Wohnung durchzulüften (Sternel a. a. O. VI Rdnr. 271; AG Frankfurt WuM 2007, 569). Nur unter besonderen Umständen, etwa bei einem erkennbar sehr alten Haus, mag man einem Mieter unter bestimmten Voraussetzungen eine höhere Anzahl an täglichen Lüftungsvorgängen zumuten. Ein solcher Ausnahmefall ist vorliegend allerdings nicht gegeben. Wenn eine Wohnung aber öfters, d. h. bis zu 5 bzw. 6 Mal am Tag gelüftet werden muss, damit sich keine übermäßige Feuchtigkeit niederschlägt, ist dies bereits unzumutbar. Ein solches Lüftungsverhalten würde dazu führen, dass der Mieter - da er in der Nacht ja schläft - tagsüber ca. jede zweite Stunde durchlüften müsste, was nicht nur unzumutbar, sondern im Hinblick auf die ganztägige Berufstätigkeit beider Beklagten auch unmöglich ist.

Wenn die Beklagten also täglich durchschnittlich drei Mal lüften (morgens, mittags und abends) und dies auch noch in Form von Querlüftung, so tun sie damit das ihrerseits Erforderliche, um ein sachgerechtes Nutzerverhalten zu erfüllen. Davon, dass die Beklagten in diesem Umfang tatsächlich auch lüften, ist das Gericht insbesondere nach deren informatorischer Anhörung überzeugt.


Viel Erfolg wünscht,
Ihr
Willy Burgmer
- Rechtsanwalt

Ergänzung vom Anwalt 21. November 2022 | 21:33

Zur Klarstellung muss es oben 2. Absatz heißen:

....dass die Mieter (und damit indirekt nicht Sie als Vermieter) NICHT dafür haften.

Bewertung des Fragestellers 22. November 2022 | 17:15

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