Sehr geehrter Ratsuchender,
lassen Sie mich Ihre Fragen wie folgt beantworten.
Zunächst einmal haben Sie einen Anspruch auf einen schriftlichen Arbeitsvertrag bzw. schriftliche Arbeitsbedingungen (§ 2 Abs. 1 S. 1 NachwG): "Der Arbeitgeber hat spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen."
1.
Ohne konkrete Regelung haben Sie Anspruch auf vier Wochen Urlaub (§ 3 BUrlG: bei einer Sechstagewoche beträgt der gesetzliche Mindesturlaub 24 Tage, bei einer Dreitagewoche 12 Tage).
§ 7 Abs. 3 S. 1 bis 3 BUrlG:
"Der Urlaub muß im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden.
Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen.
Im Fall der Übertragung muß der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahrs gewährt und genommen werden."
Nach dem Gesetzeswortlaut wäre Urlaub für 2020 spätestens Ende März 2021 verfallen.
Der Europäische Gerichtshof hat jedoch mit Urteil vom 06.11.2018, Az. C-684/16, entschieden, dass Urlaub dann nicht verfallen darf, wenn der Arbeitgeber die Beschäftigten rechtzeitig auf noch offene Urlaubstage hinweist und sie auffordert, den Urlaub zu nehmen, bevor dieser verfallen kann. So auch das BAG, Urt. v. 19.02.2019 – 9 AZR 541/15.
Das gilt auch für Urlaub aus vorangegangenen Kalenderjahren.
Das gilt auch, wenn der Arbeitsvertrag so genannte Verfallfristen vorsieht.
So hat es auch das Landesarbeitsgericht Köln mit Urteil vom 09.04.2019 - 4 Sa 242/18 entscheiden.
Gegen diese Urteil wurde Revision erhoben, die beim BAG unter dem Akztenzeichen 5 AZN 167/19 läuft.
2.
Ja, Sie können Urlaub auch rückwirkend einfordern.
Die Erfolgsaussichten sind sehr gut.
Fordern Sie den Urlaub vom Arbeitgeber.
Erforderlichenfalls müssten Sie auf Feststellung oder Gewährung von Urlaub klagen. Das können Sie selbst oder anwaltlich vertreten.
(Nicht geklärt ist, ob und wann der Urlaubsanspruch verjährt [BAG, Beschl. v. 29.09.2020 – 9 AZR 266/20 [A]; EuGH - C-120/21, anhängig]. Zu denken wäre an die dreijährige Regelungverjährung der §§ 195, 199 Abs. 2 BGB. Da Sie aber keine Kenntnis von Ihrem Urlaubsanspruch hatten, kommt tatsächlich die rückwirkende Geltendmachung des Urlaubs bis zu 10 Jahre zurück in Betracht [§ 199 Abs. 4 BGB].)
Mit freundlichen Grüßen
Peter Eichhorn
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