Ausserordentliche kündigung tagesmutter

30. Mai 2021 07:05 |
Preis: 51,00 € |

Arbeitsrecht


Beantwortet von

Rechtsanwalt Philipp Vestweber

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich bin Tagesmutter und habe eine Kündigung von den Eltern erhalten weil ich an Corona erkrankt war und die Eltern mich ständig unter Druck mit vielen Fragen gesetzt haben.
Dann brauchten die angeblich eine Bescheinigung von mir wo ich nicht wusste welche sie haben wollten.
Die Bescheinigung sollte für die Zeit ausgestellt werden wo ich eigentlich wieder arbeiten war, daraufhin hatte ich die Arbeitgeberin angerufen und gefragt welche oder was für eine Bescheinigung sie von mir haben will.
Da es aber eh zwischen der Mutter und ihrer Arbeitgeberin kein gutes Verhältnis gab, hatte natürlich die Arbeitgeberin sie ermahnt weil sie ja nicht die Wahrheit gegenüber ihr gesagt hatte.

Meine Frage ist ob das ein schwerwiegender Grund für eine Ausserordentliche Kündigung bei mir ist, schließlich ist das Kind von der Sache ja nicht betroffen.

Wenn ja, die Kündigung habe ich am 3. Mai erhalten, müsste dann noch bis Ende Mai weitergezahlt werden?
Das Jugendamt fordert nun das Geld für den Monat April zurück, ist das berechtigt ?

Sollte ich dagegen vorgehen, hâtte ich Chancen wenn es zu einer Gerichtverhandlung kommen würde.

Vielen Dank im voraus für Ihre Mühe.

Lg. Sally

Sehr geehrte Fragestellerin,

ich würde Sie bitten, mir per E-Mail (aufgrund der Erhaltung der Nachfrageoption) oder hierüber für eine Einschätzung noch folgende Fragen zu beantworten: Falls Sie die Angaben hier machen, dann könnten Sie mir eine Nachfrage gerne noch per E-Mail stellen:

1. Sind Sie selbständige Tagesmutter?
2. Wann genau und wie lang waren Sie an Corona erkrankt?
3. Für welchen Zeitraum genau wollte die Mutter eine Bescheinigung von Ihnen haben?
4. Ab wann wurde das Kind wieder betreut?
5. Gibt es in dem Vertrag mit der Mutter irgendwelche Vereinbarungen bezüglich einer Kündigungsfrist und einer Zahlung für ganze Monate?

Ohne diese Informationen, werde ich die Frage pauschal beantworten müssen.

Vielen Dank

Rechtsanwalt Philipp Vestweber

Ergänzung vom Anwalt 30. Mai 2021 | 10:28

Sehr geehrte Fragestellerin,

Erstmal bedanke ich mich für die weitergehenden Informationen per Mail.

Bitte beachten Sie, dass Abweichungen von der Sachverhaltsschilderung zu einem anderen Ergebnis führen können. Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen (hier und per Mail) wie folgt beantworten:

Zur Frage 1: Ist eine außerordentliche Kündigung des Vertrages möglich?

Bei einem Tagespflegevertrag handelt es sich um eine Dienstvertrag nach § 611 BGB. Da Sie vertraglich eine Kündigungsfrist vereinbart haben, kommen die gesetzlichen Regelungen zur ordentlichen Kündigung nicht in Betracht.
Vertraglich haben Sie bestimmt, dass eine Kündigung von 3 Monaten besteht, welche zum Monatsende ausgesprochen sein muss.

Neben der normalen Kündigung kann das Dienstverhältnis auch außerordentlich gekündigt werden.
Wobei ein Kita- Eintritt laut Vertrag keinen solchen zwingenden Grund darstellt. Da die Kündigung bei Ihnen erst am 03.05.2021 eingegangen ist, wäre die ordentliche Kündigung erst zum 31.08.2021 wirksam und nicht wie im Kündigungsschreiben erwähnt am 31.07.2021.


Ob das Vertragsverhältnis jedoch außerordentlich gekündigt werden kann und somit ohne Frist, bestimmt sich nach § 626 BGB.

Ob ein solcher wichtiger Grund bei dem Sachverhalt vorliegt, kann stark angezweifelt werden.
Alleine die Tatsache, dass Sie keine Bescheinigung der Erkrankung an Covid-19 ausgestellt haben für einen Zeitraum, in denen Sie nachweisliche genesen waren, stellt mit Sicherheit keinen solchen Grund dar.

Auch wenn man die besondere Situation der Erkrankung der Mutter berücksichtigt, dürfte ein solcher wichtiger Grund nicht vorliegen. Sie sind offiziell genesen und können die Arbeit nach der Genesung wieder aufnehmen, wie zuvor.

Etwas differenzierter muss man die Begründung im Kündigungsschreiben betrachten. Es kann durchaus einen wichtigen Vertrauensbruch (auch gegenüber den Eltern) und somit eines wichtigen Grundes darstellen, wenn man den Arbeitgeber von jemanden anruft und die Person dort schlecht macht.

Aber:
Ein wichtiger Grund ist immer nur dann gegeben, wenn dies nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Abwägung beider Interessen und besonderer Berücksichtigung des Einzelfalles, unzumutbar ist, das Dienstverhältnis aufrecht zu halten.

Hierbei ist zu beachten, dass eine Kündigung aus wichtigem Grund nur innerhalb von 2 Wochen nach Kenntnis des wichtigen Grundes (also aller relevante Tatsachen) erfolgen kann. Es würde sich daher die Frage stellen, wann der Anruf beim Arbeitgeber war und wann die Mutter davon erfahren hatte. Wenn die 2 Wochen bei Zugang der Kündigung abgelaufen waren, dann ist die außerordentliche Kündigung unwirksam.

Aber auch wenn die Frist noch gewahrt sein sollte, besteht meines Erachtens kein wichtiger Grund.

Einen wichtigen Grund muss derjenige beweisen, welcher ihn geltend macht. Inwiefern das Telefonat über eine reine Information über die formalen Kriterien hinausging, ist wahrscheinlich erst durch eine Zeugenvernehmung des Arbeitgebers der Mutter aufzuklären.

Die Mutter hat durch Ihren Wunsch, eine Bescheinigung zu erhalten, für eine Zeit, in welcher Sie diese gar nicht ausstellen durften, den „Stein erst ins Rollen gebracht".
Das es durch Ihre Nachfrage beim Arbeitgeber dann auch zu Fragen an die Mutter kam, ist selbstverständlich, denn es scheint so, als ob die Mutter, weiterhin bezahlten „Sonder-„Urlaub vom Arbeitgeber aufgrund der Kinderbetreuung haben wollte, ohne einen Anspruch darauf.


Insgesamt besteht immer ein gewisses Prozessrisiko. Bei einer vorhandenen Rechtsschutzversicherung mildert sich dieses Risiko ab. Ich sehe Ihre Chancen durchaus gut, dass kein wichtiger Grund angenommen werden kann und es nur bei einer ordentlichen Kündigung bleibt. Wenn Ihnen das Risiko aber zu hoch ist, dann bestünde vielleicht durch Hinweis auf eine zukünftige Klage noch die Möglichkeit, den Vertrag gegen Zahlung eines Restbetrages x einvernehmlich aufzulösen.

Wenn jedoch eine außerordentliche Kündigung vorliegen würde, dann wäre diese zum Zeitpunkt der Kündigung gegeben und Sie hätten keinen Anspruch mehr auf das Geld für Mai.


Zur Frage 2: Das Jugendamt fordert nun das Geld für den Monat April zurück, ist das berechtigt?


Diese Frage ist davon abhängig, wie der Vertrag mit dem Jugendamt aussieht. Im Grundsatz gilt, dass ohne Regelung auch nur die Zeit einer Selbstständigen bezahlt werden muss, wenn diese auch arbeitet. Da Sie den Großteil im April krank waren und keine Regelung zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall besteht, kann das Jugendamt das Geld auch zurückfordern.

Jedoch könnten Sie ggf. aufgrund der Covid-19 Erkrankung einen Entschädigungsanspruch nach § 56 Infektionsschutzgesetz haben.

Gerne stehe ich Ihnen selbstverständlich jederzeit persönlich für Rückfragen zur Verfügung, wenn Sie in dem geschilderten Fall noch weitere Hilfe benötigen.


Mit freundlichen Grüßen

Philipp Vestweber
Rechtsanwalt

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