Bauträgervertrag: Bodentiefe Fenster entsprechen nicht der Bauleistungsbeschreibung

12. September 2020 16:34 |
Preis: 66,00 € |

Baurecht, Architektenrecht


Beantwortet von

Rechtsanwältin Brigitte Draudt-Syroth

Hallo Anwalt.

In meiner neuen Wohnung wurden bodentiefe Fenster eingebaut, die m.E. nicht der Bauleistungsbeschreibung entsprechen. Die Fensterflügel sollten als Dreh-/Kippelemente ausgeführt und sich vollständig öffnen lassen. Das Fenster sollte im Unterbereich durch ein (Balkon-) Gitter gesichert werden - fast wie ein "französischer Balkon". Stattdessen wurde im unteren Bereich ein feststehendes Fensterelement verbaut.

Im Bauträgervertrag verpflichtet sich der Veräußerer u.a. das Vertragsobjekt nach Maßgabe der Baubeschreibung herzustellen, welche bei Zweifeln über den Leistungsumfang den Bauplänen vorgeht.

Der im Bauträgervertrag vereinbarte Kaufpreis bezieht sich ausdrücklich auf die Ausführung gemäß Baubeschreibung.

Der Bauträger bezieht sich in seiner Stellungnahme zu diesem bereits im Rahmen der Abnahme des Sondereigentums von mir aufgezeigten Mangel auf die Baugenehmigung (vor der BLB datiert) und der Teilungserklärung beigefügten "Ansichten", welche nicht Bestandteil der BLB sind.

Ist es richtig, dass vertraglich einzig die BLB maßgeblich ist? Handelt es sich hier um einen "wesentlichen Mangel"? Bin ich berechtigt die Abnahme des Gemeinschaftseigentums zu verweigern? Sollte ich den Bauträger dazu aufzufordern, die Nacherfüllung der vertraglich geschuldeten Leistung beim Werkunternehmer rechtlich wirksam durchzusetzen?

Vielen Dank und Gruß



Sehr geehrter Fragesteller,

ich beantworte Ihre Frage gerne wie folgt:

Es ist zunächst zu prüfen, was im notariellen Vertrag zur Bauleistungsbeschreibung und den sonstigen genannten Unterlagen bestimmt ist. Insbesondere zum Verhältnis Baugenehmigung und Blb. Meist ist vereinbart, dass die Blb maßgeblich ist. Doch das müssen Sie nachlesen. Ein wesentlicher Mangel liegt vor, wenn: „wenn sie die Funktionstauglichkeit der Leistung beeinträchtigen oder wenn sie unabhängig davon die Wertschätzung der Leistung merklich beeinflussen. Es wird hier letztlich auf den Gesichtspunkt der Zumutbarkeit abgehoben. Tritt der Mangel an Bedeutung so weit zurück, dass es nach Abwägung der beiderseitigen Interessen für den Auftraggeber zumutbar ist, eine zügige Abwicklung des gesamten Vertragsverhältnisses nicht länger aufzuhalten, kann er die Abnahme nicht mehr verweigern."

BGB § 640 Münchener Kommentar zum BGB
7. Auflage 2018 Rn. 63 f.

Ob dies der Fall ist, ist abschließend nur vom Gericht zu klären und auch hier nur durch einen dann zu bestellenden Sachverständigen. Da Sie aber das Sondereigentum schon abgenommen haben, nicht aber das Gemeinschaftseigentum ist die Frage zu klären, zu was die Fenster gehören. Sehen Sie dazu zunächst in der Teilungserklärung nach., Unabhängig davon werden gemäß Paragraph 5 WEG die Fenster als Gemeinschaftseigentum angeshen, weil durch sie die wesentliche Gestaltung der Fassade beeinflusst wird.
Möglicherweise müsste man dann noch gegen die Teilungserklärung vorgehen, falls dort etwas anderes bestimmt ist.
Sie sind dann aber berechtigt, die Abnahme des Gemeinschaftseigentums zu verweigern.

Da dies alles aber bereits jetzt schon zwischen Ihnen und dem Bauträger streitig ist, erscheint ein Rechtsstreit durchaus wahrscheinlich. Kosten und Nutzen sind dann abzuwägen, zumal das Vorliegen eines wesentlichen Mangels schon fraglich und streitig ist. Zuvor ist es unumgänglich, dass Sie die sämtlichen Verträge und den Schriftverkehr prüfen lassen.

Eine Einigung ist sicherlich kosten-, nerven- und zeitschonender, wenn möglich.

Ich hoffe Ihnen weiter geholfen zu haben und verbleibe mit freundlichen Grüßen.

Draudt Rechtsanwältin

Rückfrage vom Fragesteller 13. September 2020 | 19:46

Vielen Dank, Frau Draudt.

Die falschen Fenster waren kein wesentlicher Mangel für die Funktionstauglichkeit des Sondereigentums, welches ich ja abgenommen habe.

Die Fenster gehören lt. Teilungserklärung zum Gemeinschaftseigentum. Warum bin ich berechtigt die Abnahme des Gemeinschaftseigentums zu verweigern?

Die Verweigerung der Abnahme des Gemeinschaftseigentums wegen eines wesentlichen Mangels würde meine Verhandlungsposition für eine Einigung mit dem Bauträger sicher stärken - bisher werde ich nur hingehalten.

Vielen Dank nochmals und Grüße.

P.S. Hintergrund-Info: Eine Bank bürgt mit 5% des Kaufpreises für die termingerechte Fertigstellung des Bauwerkes ohne wesentliche Mängel. Bei Abnahme des Gemeinschaftseigentums ohne wesentliche Mängel wird die Bürgschaft m.E. nichtig.

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 14. September 2020 | 14:09

Sehr geehrter Fragesteller,

zu Ihrer Nachfrage teile ich gerne folgendes mit:

Die Abnahme des Gemeinschaftseigentums ist in den meisten Verträgen mit der vollständigen Fertigstellung und der Zahlung der letzten Rate verknüpft. Es muss hier zunächst geprüft werden, wie das in Ihrem Vertrag geregelt ist.

Vollständige Fertigstellung bedeutet, „dass nicht nur sämtliche Arbeiten erbracht sein müssen, sondern auch keine Mängel vorhanden sein dürfen, bzw. sämtliche vorhandenen Mängel beseitigt sein müssen. Dabei genügt es nicht, wenn wesentliche, die Abnahmefähigkeit im Sinne von § 640 I BGB hindernde Mängel beseitigt sind, sondern auch solche Mängel, die der Abnahmefähigkeit nicht entgegenstehen, sind relevant. (BGH, Urteil vom 27.10.2011, Az. VII ZR 84/09 ). Der Verkäufer muss grundsätzlich sämtliche Restmängel seiner Bauleistung beseitigt haben. (LG Heidelberg, Urteil vom 28.03.2014, Az. 3 O 309/13 .)
Im Rahmen des Bauträgervertrages ist eine vollständige Fertigstellung des Bauvorhabens mit der Folge der Fälligkeit der letzten Rate erst dann anzunehmen, wenn die bei der Abnahme zu Protokoll gerügten Mängel (Protokollmängel) beseitigt sind, BGH, Urteil vom 27.10.2011, Az.: VII ZR 84/09 .

Das würde Sie dann zur Verweigerung der Abnahme berechtigen.

Ich unterbreite Ihnen ein Zusatzangebot mit Prüfung der Unterlagen.

Mit freundlichen Grüßen

Draudt
Rechtsanwältin

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