KNV ist insolvent - wie verhalte ich mich als Zulieferer (Verlag)?

18. Februar 2019 20:59 |
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Insolvenzrecht


Beantwortet von

Rechtsanwalt Sebastian Scharrer, LL.M., Dipl.-Jur.

Guten Abend!

Nachdem der Stuttgarter Buchgroßhändler KNV am 14.02.2019 Insolvenz beantragt hat, wirbt der vorläufige Insolvenzverwalter um Vertrauen: „Das Signal, das wir heute ausgeben können, ist, dass der Geschäftsbetrieb uneingeschränkt weiterläuft. Alle Mitarbeiter sind hoch motiviert und rücken weiter zusammen." Der Insolvenzverwalter will sicherstellen, dass alle Bücher, die ab dem Insolvenzantrag von KNV gekauft werden, auch bezahlt werden, sofern er den Bestellungen zugestimmt habe. Das sehe auch das Insolvenzrecht so vor.

Die noch offenen Rechnungen kann ich wohl in den Wind schießen, das ist mir schon klar, aber alles, was ich KNV ab JETZT liefern würde, würde demnach wieder bezahlt werden? Meine Frage darf dumm anmuten, aber sie lautet letztlich: Darf ich dem Verwalter das glauben? Soll ich KNV weiter beliefern?

Ich habe von ihm eine Email bekommen, die relevanten Punkte sind wohl diese:

2. Bezahlmodus
Im Hinblick auf die Zahlungszusage bei bestätigter Bestellung bitten wir Sie im Interesse der Stabilisierung und Fortführung des Betriebes von Vorauskasse-Anforderungen abzusehen. Alle Leistungen werden im Rahmen der normalen Zahlungsziele beglichen werden.

(Das normale Zahlungziel liegt bei 90 Tagen)

3. Aufrechnungsverzicht
Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass abgesehen von der Ablösung wirksamer Eigentumsvorbehalte (s.o.) weder direkt noch indirekt offene Verbindlichkeiten aus der Zeit vor Insolvenzantragstellung beglichen werden können, weil dies gegen das insolvenzrechtliche Gleichbehandlungsgebot verstoßen würde und im eröffneten Insolvenzverfahren auch angefochten werden müsste. Vor diesem Hintergrund bitten wir um Bestätigung, dass Sie Zahlungen, die sich auf Lieferungen und Leistungen im Insolvenzeröffnungsverfahren beziehen, nur für diese verwenden, kein Zurückbehaltungsrecht ausüben und insbesondere nicht gegen Ihre bis zum 15.02.2019 bestehenden Forderungen aufrechnen werden. Es reicht in diesem Zusammenhang aus, wenn Sie dieses Schreiben gegengezeichnet zurückfaxen (+49 (0)711 28 42 66-29).

(Ich soll also nicht versuchen, die bestehenden Schulden mit irgendwelchen Tricks zu verringern. Die zahlen nur, was ab JETZT geliefert wird.)

Also, hat sich der vrlf. Insolvenzverwalter damit rechtlich gebunden und haftet auch ggf. für seine Zusage, oder kann es - wie auch immer - passieren, dass das, was ich ab jetzt liefere, trotz Zusage nicht bezahlt werden muss? Weil dann vielleicht der richtige Insovenzverwalter dran ist und Nein sagt, oder weil gar kein Geld mehr da ist, was weiß ich.

Sehr geehrte Damen und Herren,
Ihre Frage beantworte ich wie folgt:

Der vorläufige Insolvenzverwalter kann nur mit Zustimmung des Insolvenzgerichtes eine spätere Masseverbindlichkeit begründen. Eine solche Genehmigung wird in der Regel nicht erteilt und wird vom vorläufigen Insolvenzverwalter explizit mitgeteilt. Eine persönliche Haftung des vorläufigen Insolvenzverwalters ist auch nicht vorhanden, da dieser nicht mit seinem privaten Vermögen eine Garantie für die Erfüllung der Forderungen abgeben kann. Würde dieser eine solche Garantie abgeben, so könne er späteter nicht mehr zum Insolvenzverwalter bestellt werden, da er selbst Gläubiger der Insolvenzschuldnerin geworden wäre.

Der vom Insolvenzverwalter dargestellte Plan sieht vor, dass durch die nunmehr erzielten Einnahmen die Einkäufe im vorläufigen Insolvenzverfahren finanziert werden. Hierzu wird ein gesondertes Anderkonto, welches durch eine dritte Person geführt werden muss, eingerichtet, damit Zahlungen auch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens möglich sind. Da das vorläufige Insolvenzverfahren aufgrund der Vorfinanzierung der Arbeitnehmerkosten durch die Agentur für Arbeit für maximal 3 Monate (Insolvenzgeld) gelingen kann, wird wahrscheinlich das vorläufige Insolvenzverfahren nur drei Monate dauern. Ob während dieser kurzen Zeit sämtliche Neuinsolvenzverbindlichkeiten erwirtschaftet werden kann, kann zur Zeit niemand vorhersagen. Daher ist die Lieferung auf Rechnung für Sie riskant. Auch ein Eigentumsvorbehalt wird dann wertlos, wenn es für Dritte nicht mehr festgestellt werden kann, welche Ware von Ihnen geliefert wurde. Problematisch ist zudem das Zahlungsziel von 90 Tagen, da hierdurch ein Bargeschäft rechtlich unmöglich ist und daher Zahlungen ggf. von einem späteren Insolvenzverwalter angefochten und zurückgefordert werden können.

Sollten Sie daher eine Weiterbelieferung wünschen, sollten Sie auf ein Zahlungsziel von maximal 14 Tage bestehen und mit dem Geschäftsführer der Gesellschaft mit der Zustimmung des vorläufigen schwachen Insolvenzverwalters vereinbaren.

In der Praxis kommt es häufig jedoch vor, dass sämtliche Forderungen aus dem vorläufigen Insolvenzverfahren beglichen werden. Ob Sie weiterhin neue Ware liefern wollen, müssen Sie unter Berücksichtigung der Risiken und Chancen abwägen.

Ihre Forderungen vor dem vorläufigen Insolvenzverfahren können Sie nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Insolvenztabelle anmelden. Ob und in welcher Höhe eine Zahlung auf die Forderungen erfolgt, kann erst bei Abschluss des Verfahrens endgültig festgestellt werden.

Sie sollten bereits heute Ihre Rechte aus einem Eigentumsvorbehalt geltend machen, da in drei Monate die Ware ggf. bereits verkauft ist bzw. Forderungen gegenüber Dritte bereits eingezogen wurden.

Ich hoffe, dass ich Ihre Frage verständlich beantwortet habe.

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