Sehr geehrter Fragesteller,
zu Ihrer Anfrage nehme ich wie folgt Stellung:
1.
In der ersten Rechnung hat der Rechtsanwalt Ihnen ausgehend von einem Gegenstandswert von 8.800 € eine 1,3 Geschäftsgebühr (679,10 €), die Auslagenpauschale von 20 € sowie die Mehrwertsteuer in Höhe von 129,03 €, insgesamt 808,13 €, in Rechnung gestellt.
Da eine Geschäftsgebühr zugrundegelegt worden ist, nehme ich an, dass der Rechtsanwalt nicht nur für Sie eine Berechnung des Pflichtteils vorgenommen hat, sondern darüber hinaus auch gegenüber Dritten, vermutlich gegenüber Ihrem Bruder tätig geworden ist. Der Rechtsanwalt dürfte Ihren Bruder beispielsweise aufgefordert haben, den errechneten Pflichtteilsbetrag an Sie zu zahlen.
2.
Aufgrund des gültigen Bescheids der Behörde sollten Ihnen 12,5 %, also 13.750 €, zustehen. Streit besteht mit Ihrem Bruder nach der Sachverhaltsschilderung nicht über die Frage, ob überhaupt Pflichtteilsansprüche geltend gemacht werden können, sondern nur über die Höhe des Betrages, also bezüglich der Quote von 12,5 %.
Wenn aber Streit um den Betrag von 13.750 € besteht, wäre das auch der anzusetzenden Gegenstandswert. Die gesamte Entschädigungsleistung in Höhe von 110.000 € steht nach Ihrer Schilderung nicht zur Diskussion und wird wohl auch von keiner Seite, also weder seitens Ihres Bruders noch von Ihrer Seite, angezweifelt.
Geht man von einem Streitwert von 13.750 € aus, würden sich die Gebühren auf eine 1,3 Geschäftsgebühr (845 €), die Auslagenpauschale in Höhe von 20 € und die Mehrwertsteuer von 164,35 €, insgesamt also auf 1.029,35 €, belaufen.
Geht es ausschließlich darum, statt ursprünglich 8.800 € nunmehr 13.750 € gegen den Bruder geltend zu machen, wäre auf der Grundlage eines Gegenstandswerts von 13.750 € abzüglich bereits geleisteter Zahlungen aufgrund der Rechnung, die von 8.800 € ausgeht, abzurechnen.
Diese Rechenweise gilt, wenn es um den Betrag Ihres Pflichtteils geht.
3.
Nach den obigen Ausführungen wäre ein Gegenstandswert von 110.000 € nicht in Ansatz zu bringen. Soweit Sie schreiben, Sie sollten nochmals etwa 1.700 € Honorar an Ihren Rechtsanwalt zahlen, nehme ich an, dass Ihre erste Zahlung, ausgehend von 8.800 €, angerechnet worden ist.
Ob die Rechenweise Ihres Rechtsanwalts aber unrichtig ist, lässt sich aufgrund der Sachverhaltsschilderung abschließend nicht beurteilen.
Ginge es ausschließlich darum, dass Sie von Ihrem Bruder nunmehr Zahlung von 13.750 € verlangen, wäre das auch der anzusetzenden Streitwert.
Aufgrund der Tatsache, dass Ihr Bruder Ihren Anspruch von 12,5 % in Zweifel zieht, kann es aber durchaus sein, dass ein Streitwert von 110.000 € anzusetzen wäre. Das wäre dann der Fall, wenn der (neue) Streit nun die gesamte Entschädigungsleistung zum Gegenstand hätte. In diesem Fall wäre die Entschädigung von 110.000 € der Gegenstandswert.
Um die Richtigkeit der Honorarrechnung Ihres Rechtsanwalts beurteilen zu können, müsste man wissen, welche Tätigkeit der Rechtsanwalt Ihres Bruders entfaltet hat, d.h., was letztlich im Streit steht. Das ergibt sich zum Beispiel aus einem an Sie gerichteten Schreiben des Rechtsanwalts Ihres Bruders. Werden in diesem Schreiben die 110.000 € in Abrede gestellt, wäre es denkbar, dass dann der Betrag von 110.000 € streitwertbestimmend ist.
Geht der Streit aber ausschließlich um die Höhe Ihres Pflichtteilsanspruchs, halte ich den Betrag von 13.750 € für den streitwertbestimmenden Betrag.
4.
Die Bestimmung des Streitwerts ist häufig kompliziert. So kommt es stets darauf an, was jemand geltend macht, und nicht darauf, was er letztlich erhält. Ein Beispiel mag das verdeutlichen:
Klagt jemand 10.000 € und spricht ihm das Gericht nur 2.000 € zu, bleibt es bei einem Streitwert von 10.000 € und nicht etwa von 2.000 €.
Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Raab
Rechtsanwalt
Antwort
vonRechtsanwalt Gerhard Raab
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Hallo Herr Raab,
vielen dank für die schnelle und auch für mich (fast) verständliche Antwort.
Ich möchte nochmals kurz darauf eingehen:
In dem von mir geschildertem Fall, geht es nur um die Ansprüche aus dem Bescheid des Landrat Amtes, also um die 12,5% für mich aus der Gesamtentschädigung von 110000€. Höhere Ansprüche habe ich nicht geltend gemacht.
Die Pflichteilsansprüche gegenüber dem Erbe meiner verstorbenen Mutter hat mein Anwalt separat abgerechnet auf Grund einer notariellen Erklärung meines Bruders, in der mein Bruder den Nachlass meiner Mutter mit 10000€ beziffert hat. Aber wie gesagt, dafür habe ich eine separate Rechnung bekommen, da mein Anwalt meinte, das beide Forderungen -also Pflichtteil meiner Muter und Ausgleichszahlung des Landrat Amtes- separat abzuhandeln wären .
Tätig geworden ist mein Anwalt gegenüber meinen Bruder bisher nur dadurch, da er eine genaue Aufstellung des Nachlass meiner Mutter verlangt hat.
Gegenüber dem Landrats Amt ist er bisher nur in sofern tätig geworden, das er angezeigt hat, mich in der Sache zu vertreten.
Lt. Anwalt meines Bruders besteht auch kein Streit über meinen Pflichtteil sondern nur über meinen Anteil an der Ausgleichszahlung des Amtes in Höhe von 13750€, da er der Meinung ist, mir würde das nicht zusehen, da mein Bruder Alleinerbe (lt Testament meiner Mutter) unserer zuletzt verstorbenen Mutter ist .
Übrigens soll ich die neu geforderten rd.1700€ zusätzlich zu den bereits gezahlten 808€ zahlen, also insgesamt rd. 2500€.
Leider geht für mich aus ihrer Antwort nicht eindeutig hervor, ob mein Anwalt den Streitwert ohne mich darüber in Kenntnis zu setzen, einfach erhöhen kann obwohl ich gar keine Ansprüche auf die volle Summe geltend gemacht habe.
Sehr geehrter Fragesteller,
zu Ihrer Nachfrage nehme ich wie folgt Stellung:
1.
Nach Ihrer ergänzenden Sachverhaltsschilderung im Rahmen Ihrer Nachfrage sehe ich nur Anhaltspunkte dafür, dass der Streitwert mit 13.750 € zu beziffern sei.
2.
Der Rechtsanwalt kann, von ganz wenigen Ausnahmefällen einmal abgesehen, den Streitwert nicht selbst bestimmen, vielmehr ergibt sich der Streitwert aus den Tatsachen, um die die Parteien streiten. Wenn während eines Verfahrens, gleichgültig ob gerichtlich oder außergerichtlich, der Streitwert steigt, erhöhen sich dadurch auch zwangsläufig die Gebühren. Eine gesonderte Informationspflicht diesbezüglich seitens des Rechtsanwalts besteht nicht.
In Ihrem Fall hat man, jedenfalls wenn ich den Sachverhalt zu Grunde lege, so wie Sie ihn hier schildern, vorgegebene Streitpunkte: Es geht um Ihre Pflichtteilsansprüche, die Sie geltend machen und die sich vom Betrag her erhöht haben. Damit hat man zunächst den niedrigeren Streitwert von 8.800 € und dann von 13.750 €.
Ihre Schilderung gibt mir keinen Anhaltspunkt dafür, weshalb ein Betrag von 110.000 € als Streitwert angesetzt werden könnte.
Ferner sehe ich auf der Grundlage des geschilderten Sachverhalts nicht, weshalb die erste Rechnung nicht auf die zweite Rechnung angerechnet wird.
Eine Anrechnung würde dann nicht infrage kommen, wenn es sich im zweiten Fall, also bezüglich der 13.750 €, um eine andere Angelegenheit handeln würde. Dass es sich hier vielleicht um zwei unterschiedliche Angelegenheiten handeln könnte, klingt - recht schwach - zwischen den Zeilen durch.
Pflichtteilsansprüche und die Ausgleichszahlung seitens des Landratsamts sind rechtlich zwei verschiedene Angelegenheiten, so dass richtigerweise getrennt abgerechnet werden muss. Das ist aber nicht Gegenstand Ihrer Frage.
Ihr Rechtsanwalt hat vom Bruder die Erstellung eines Nachlassverzeichnisses verlangt. Ich nehme nun an, dass dieses Nachlassverzeichnisses erstellt worden ist und dass sich daraus der Betrag von 8.800 € ergeben hat. Ganz eindeutig geht das aus der Sachverhaltsschilderung aber nicht hervor.
Sodann besteht Streit über Ihren Anteil an der Ausgleichszahlung von 13.750 €. Das könnte schon ein gesonderter Gebührentatbestand sein, so dass es zumindestens denkbar ist, eine Rechnung ausgehend von einem Gegenstandswert von 8.800 € und zusätzlich von 13.750 € auszustellen.
Den Betrag von 110.000 € als Grundlage für eine Honorarrechnung sehe ich aufgrund der Sachverhaltsschilderung allerdings, wie schon gesagt, nicht.
3.
Das Gebührenrecht nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) ist kompliziert und nicht von ungefähr gibt es hierzu Kommentare mit einem Umfang von mehr als 1000 Seiten.
Ich kann Ihnen nur anbieten, dass Sie mir die Unterlagen einschließlich der Rechtsanwaltsrechnungen zur Verfügung stellen, damit ich anhand der Unterlagen prüfen kann, wie sich die Gegenstandswerte zusammensetzen oder zusammensetzen sollen. Die Sachverhaltsschilderung ermöglicht mir nur die Einschätzung, die Sie hier nachlesen können. Aufgrund Ihrer Sachverhaltsschilderung kann ich also nur das sagen, was Sie hier nachlesen können. Rechtssicherheit erhält man erst, wenn man die gesamten Umstände, insbesondere die gewechselte Korrespondenz, kennt.
Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Raab
Rechtsanwalt