Sehr geehrter Fragesteller,
ich bedanke mich für Ihre online-Anfrage, zu der ich wie folgt Stellung nehme:
Nachdem Sie in dem ersten Beratungsgespräch mit Ihrer Rechtsanwältin ausdrücklich nach der Höhe der anfallenden Kosten fragten, bestand eine Verpflichtung Sie über die Höhe der zu erwartenden Gebühren und Auslagen und auch die Art der voraussichtlich entstehenden Gebühren und Auslagen so genau wie möglich aufzuklären (vgl. BGHZ 77, 27
). Aufgrund Ihrer Informationen wurde Ihnen der Betrag in Höhe von EUR 209,30 zzgl. Auslagen und Mehrwertsteuer mitgeteilt, wobei es sich die Auskunft ersichtlich auf die voraussichtlich entstehenden Kosten bezog. Zwar bestand zu dem Zeitpunkt der Auskunftserteilung theoretisch die Möglichkeit für den Anfall einer Einigungsgebühr. Lagen für den späteren Anfall der Einigungsgebühr hingegen keinerlei Anhaltspunkte vor, wird eine entsprechende Mitteilungspflicht abzulehnen sein. Folgerichtig ist der Rechtsanwalt im Rahmen einer Vorschussrechnung nach § 9 RVG
nach der einschlägigen Kommentarliteratur auch nicht berechtigt, eine Einigungsgebühr nach VV 1000/1003 RVG zu berechnen, wenn bei Einleitung des Verfahrens nicht mit dem voraussichtlichem Entstehen der Einigungsgebühr zu rechnen ist. Eine Pflichtverletzung sehe ich in Ihrem Fall nur dann, wenn sich die Auskunftserteilung auf alle theoretisch möglichen Gebührentatbestände bezog, nicht jedoch wenn nur die voraussichtlichen Kosten mitgeteilt wurden.
Da der Rechtsanwalt nach der berufsrechtlichen Vorschrift des § 49 Abs. 5 BRAO
vor der Übernahme des Auftrags lediglich darauf hinzuweisen hat, dass sich die zu erhebenden Gebühren nach dem Gegenstandswert richten und hiernach weder die Höhe des Gegenstandswertes benennen oder die hieraus resultierende Vergütung berechnen muss, bestand weiterhin nicht die Pflicht, Sie vor Abschluss des Vergleichs auf die Entstehung der Einigungsgebühr hinzuweisen. Vielmehr entsteht die Einigungsgebühr kraft Gesetzes, ohne dass es einer ausdrücklichen Vereinbarung bedarf.
Nachdem die Auftragserteilung aufgrund einer „unverbindlichen“ Kostenrechnung erfolgte, werden Sie im Ergebnis gegenüber der Forderung Ihrer Anwältin nicht erfolgreich einwenden können, sie habe ihre Hinweispflichten verletzt bzw. dem Ansatz der Einigungsgebühr stehe die seinerzeit fehlende Berechnung entgegen.
Ich bedaure Ihnen keine günstigere Antwort geben zu können und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Petry-Berger
Rechtsanwältin
Antwort
vonRechtsanwältin Jutta Petry-Berger
Schönbornstr. 41
60431 Frankfurt
Tel: 069 - 523140
Web: https://www.frag-einen-anwalt.de/anwalt/Rechtsanwaeltin-Jutta-Petry-Berger-__l102476.html
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Sehr geehrte Frau Petry-Berger,
vielen Dank für die rasche Antwort. Ihre Ausführungen bestätigen zum Teil die Rechtmäßigkeit des Vorgehens der Anwältin, sie lassen jedoch auch den Schluss zu, dass hier ggf. eine Pflicht- bzw. Vertragsverletzung vorliegt. Ich habe mich inzwischen soweit belesen, dass die Gebühren, so wie sie berechnet wurden, grundsätzlich rechtmäßig sind. Wenn jedoch einen Anwalt vor Auftragserteilung gebeten wird, die Kosten für die außergerichtliche Klärung der Forderung zu beziffern und auch in der Vollmacht ein Vergleich vorgesehen ist, habe ich das Gefühl getäuscht worden zu sein. Die Möglichkeit eines Vergleiches wurde vor Auftragserteilung angesprochen und ist folglich auch in der Vollmacht enthalten. Der Hinweis des Entstehens einer Einigungsgebühr im Einigungsfall hätte somit bei meiner Kostennachfrage erfolgen müssen. Hätte ich keinen Vergleich angestrebt, stellt sich mir die Frage, wozu ich ein außergerichtliches Mandat erteilen sollte. Darin, dass zwei Rechtsanwälte ihre Rechtsauffassung austauschen, sehe ich keine Notwendigkeit Geld und Zeit zu investieren.
Meines Erachtens sind zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des von der Rechtsanwältin gestellten Vergütungsanspruches auch die Vorschriften zum Vertragsrecht des BGB hier zu Dienst- ggf. auch Werkvertrag zu berücksichtigen. Vor Auftragserteilung bezifferte die Rechtsanwältin die voraussichtlichen Anwaltskosten für das außergerichtliche Mandat. Diese habe ich akzeptiert und darauf hin den Auftrag erteilt. Inzwischen ist mir der Konflikt, den die Rechtsanwältin hat, durchaus bewusst. Einerseits ist sie zur Berechnung der Einigungsgebühr verpflichtet, andererseits hat sie ein Angebot Kostenprognose abgegeben, welches ich angenommen habe. Weder in der Kostenangabe noch in der Vollmacht ist ein Hinweis zu finden, dass Grundlage der Vergütung die RVG ist. Anwälten ist es möglich, Vergütungen auch abweichend von der RVG zu vereinbaren. In der „Außergerichtlichen Vollmacht“ ist lediglich abschließend vermerkt: „Ich bin vor Mandatserteilung darauf hingewiesen worden, dass sich die zu erhebenden Gebühren in dieser Angelegenheit nach dem Gegenstandswert der Sache richten“. Selbstverständlich finden sich in der dem Auftrag zugrunde gelegten Kostenmitteilung der Bezug auf den „Gegenstandswert“ und hinter den Einzelpositionen die Verweise 2300 VV RVG und 7002 VV RVG sowie 7008 VV RVG wieder. Mehr aber auch nicht.
Kein Dachdecker darf in einem Kostenvoranschlag nur die Materialkosten unter beispielsweise „Dacheindeckung“ aufführen, wenn er zur Deckung des Daches beauftragt werden soll und dann die Rechnung verdoppeln, da er die Ziegel tatsächlich nach der Auftragserteilung auf das Dach gelegt hat. Zum Zeitpunkt der Abfrage des Kostenvoranschlages für das Decken des Daches, war auch für ihn noch nicht absehbar, dass er den Auftrag erhält.
Die Beaufragung der Rechtsanwältin erfolgte maßgeblich aufgrund der bezifferten Kosten. Hätte die Rechtsanwältin diese einschließlich der Einigungsgebühr beziffert, hätte ich den aus meiner Sicht berechtigt geforderten Betrag an meine geschiedene Frau überwiesen und die Rechtsanwältin nicht beauftragt. Der Vergleich ist letztlich ohnehin genau auf den aus meiner Sicht berechtigten Forderungsbetrag hinausgelaufen.
Nach dem „Prinzip des sichersten Weges“ hätte die Anwältin ohnehin den Vergleich als die effektivste Möglichkeit zur Vermeidung drohender Nachteile und somit eine Einigungsgebühr in Erwägung ziehen und auf meine Kostennachfrage darauf hinweisen müssen.
Wie ist die Rechtmäßigkeit der geforderten Anwaltsvergütung aus vertragsrechtlicher Sicht zu beurteilen?
Danke
Sehr geehrter Fragesteller,
allein aus der Tatsache, dass Sie Ihre Anwältin in der Vollmacht auch zum Abschluss eines Vergleichs bevollmächtigt haben, wird nicht die Pflicht zur Berechnung der Einigungsgebühr in der voraussichtlichen Kostenmitteilung hergeleitet werden können. Denn Vollmachtsformulare sind regelmäßig standardisiert und folglich nicht auf den Einzelfall zugeschnitten. Es wird daher maßgeblich darauf ankommen, ob zum Zeitpunkt der voraussichtlichen Kostenberechnung mit dem Abschluss eines Vergleichs zu rechnen war. Ist dies der Fall, wird eine Hinweispflicht auf die Einigungsgebühr nach VV 1000 RVG zu bejahen sein. Insofern halte ich Ihre ergänzende Sachverhaltsschilderung für erheblich. Denn aufgrund der mit Ihrer Anwältin erörterten Möglichkeit eines Vergleichs sowie der Tatsache, dass die Auftragserteilung nach Ihrer Schilderung ausschließlich mit dem Ziel erfolgte, einen außergerichtlichen Vergleich abzuschließen, dürfte für Ihre Anwältin Ihr Hinstreben auf eine einvernehmliche Regelung ersichtlich gewesen sein, so dass Anhaltspunkte für einen Vergleich zu bejahen sein werden. Ggf. läßt sich in Ihrem Fall weiterhin vertreten, dass eine anwaltliche Vertretung nach dem Vergleichsabschluss im Verhältnis zu dem Streitgegenstand offensichtlich unwirtschaftlich war und Ihre Rechtsanwältin im Hinblick hierauf über die veränderte Kostenfolge hätte aufklären müssen. - Bei einer vorliegenden Pflichtverletzung Ihrer Anwältin werden Sie der Gebührenforderung ein Schadensersatzanspruch nach § 311 Abs. 2 BGB
erfolgreich entgegenhalten können.
Im Übrigen reicht nach § 49 Abs. 5 BRAO
der Hinweis des Anwaltes, dass sich die zu erhebenden Gebühren nach dem Gegenstandswert der Sache richten, ein expliziter Hinweis auf das RVG ist nicht erforderlich.
Mit freundlichen Grüßen
RA Petry-Berger