Sehr geehrte Fragestellerin,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Sie haben einen Anspruch auf einen unabhängigen und unparteiischen Richter. Ist die Unabhängigkeit und/oder Unparteilichkeit fraglich, könnte die Besorgnis der Befangenheit bestehen. Gemäß §§ 40 ff. ZPO
haben Sie die Möglichkeit, Ihre/n Richter/in Richter abzulehnen.
Hierbei sollten Sie Folgendes beachten:
Die Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit richtet sich nach § 42 Abs. 2 ZPO
. Erforderlich ist ein Grund, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen, vgl. BGH NJW 04, 164
. Maßgeblich ist, ob aus Ihrer Sicht, als ablehnende Partei, bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass gegeben ist, an dessen Unvoreingenommenheit und objektiver Einstellung zu zweifeln, vgl. BGHZ 77, 70
; NJW 95, 1677
; BVerfGE 20, 1
; 102, 122.
Ob ein Richter unparteilich ist, misst sich daran, ob er die Parteien gleichbehandelt. Dies ist nicht der Fall wenn er, ohne verfahrensrechtliche Rechtfertigung, die gleichwertige Behandlung der Parteien aufgibt und die Rolle eines Beraters einer Seite einnimmt. Unerheblich ist, ob der Richter tatsächlich voreingenommen ist oder ob er sich selbst für befangen hält. Ausreichend ist allein die Besorgnis der Befangenheit.
Eine solche Besorgnis besteht insbesondere in folgenden Fällen:
1. Es besteht eine enge Beziehung (zB geschäftliche Beziehungen, Mitglied in einer am Rechtsstreit beteiligten juristischen Person) des Richters zu einer Partei
2. Der Richter ist mit einer Partei eng befreundet, verfeindet, verlobt oder in einer Lebensgemeinschaft verbunden
3. Der Richter ist Mieter einer von einer Partei vermieteten Wohnung ist
4. Der Richter zeichnet sich durch eine unsachgemäße Verfahrensführung aus. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn der Richter nicht bereit ist, Parteivorbringen zur Kenntnis zu nehmen, das persönliche Erscheinen der Partei für den Fall anordnet, dass diese die Klage nicht zurücknimmt, eine Parteivernehmung anordnet, obwohl die Voraussetzungen offensichtlich nicht vorliegen, sich weigert, in der mündlichen Verhandlung Anträge entgegenzunehmen und zu protokollieren oder Terminsanträge mehrfach und ohne sachlichen Grund nicht bescheidet.
5. Die Verfahrensführung des Richter ist unsachlich. Dies dürfte der Fall sein, wenn er die Partei oder den Bevollmächtigten beleidigt, dem/der Bevollmächtigten unberechtigt den Vorwurf des standeswidrigen Verhaltens macht oder ohne sachlichen Grund eine Partei beschuldigt, Prozessbetrug begangen/versucht zu haben.
6. Schließlich könnte sich die Besorgnis de Befangenheit daraus ergeben, dass
der Richter sich innerhalb und außerhalb seines Amts so verhält, dass das Vertrauen in seine Unabhängigkeit gefährdet wird. Dem Richter ist es beispielsweise grundsätzlich verwehrt, in Beziehung zum Streitstoff oder zu den Parteien im Rahmen eines laufenden Rechtsstreits seine persönliche Meinung zu äußern.
Sie führen aus, dass der Richter in Ihrem Verfahren eine "stark benachteiligende Verhandlungsführung" pflegt und deutlich zu einer Verfahrensverschleppung beiträgt. Grundsätzlich kommen folglich die vorgenannten die Ziffern 4. - 6. in Betracht. Ob tatsächlich die Besorgnis der Befangenheit vorliegt, kann freilich nur durch intensive Befassung mit den Akten Ihres Prozesses beurteilt werden.
Wenn Ihnen Ihre Bevollmächtigte von einem Befangenheitsantrag abrät, so wird die Kollegin sicher gut nachvollziehbare Gründe hierfür parat haben. Wenn Sie dennoch anderer Auffassung sind, so steht es Ihnen als Partei selbstverständlich jederzeit frei, Ihre Anwältin zu veranlassen einen solchen Antrag zu stellen. Da Sie sich vor einem Amtsgericht befinden dürften, können Sie den Antrag auch ohne Ihre Anwältin stellen. Letzteres gilt natürlich umso mehr, wenn Sie den Eindruck haben, dass auch Ihre Anwältin "befangen" ist. Fraglich ist dann jedoch, ob überhaupt eine ausreichende Vertrauensbasis gegeben ist, um das Mandat aufrecht zu erhalten, wenn Sie Zweifel hegen, dass Ihre Bevollmächtigte nicht ausschließlich Ihre Interessen vertritt.
Zum Ablehnungsverfahren:
Die Ablehnung ist gem. § 44 Abs. 1 ZPO
mittels eines Ablehnungsgesuchs geltend zu machen. Es kann auch schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle erklärt werden.
Das Gesuch ist an das Gericht zu richten, dem Ihr Richter angehört. Nach § 44 Abs. 2 S. 1 ZPO
müssen Sie den vorgetragenen Ablehnungsgrund mittels eidesstattlichen Versicherungen glaubhaft machen. Sie, als Partei des Rechtsstreits, selbst sind zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nicht berechtigt. Der Ablehnungsgrund kann aber z.B durch eine eidesstattliche Versicherung Ihrer Anwältin glaubhaft gemacht werden. Darüber hinaus können Sie auch eidesstattliche Versicherungen oder schriftliche Erklärungen von Zeugen vorgelegen, die die von Ihnen erwähnte benachteiligenden Verhandlungsführung bestätigen können. Schließlich könnten Sie auch schriftliche Mitteilungen, Verfügungen und Vermerke des Richters in der Prozessakte vorgelegen aus denen sich die benachteiligenden Verhandlungsführung oder die Verfahrensverschleppung ergibt.
Zu Ihrer Frage des Zeitpunktes:
Das Ablehnungsgesuch ist fristgebunden.
Die Ablehnung kann nur geltend gemacht werden, bis sich die ablehnende Partei in Kenntnis des Ablehnungsgrunds in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat. Tritt der Ablehnungsgrund auf den Sie sich berufen möchten demnach erst in der mündlichen Verhandlung zutage, muss spätestens bis zum Schluss dieser mündlichen Verhandlung das Gesuch gestellt werden.
Die mündliche Verhandlung und Beweisaufnahme endet daher meist mit der Feststellung des Gerichts "die Parteien wiederholen die eingangs gestellten Anträge". Danach ist es nämlich nicht mehr möglich, den Richter wegen seiner Darlegung im Rahmen der Erörterung des Sach- und Streitstands und Würdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme sowie wegen seines Verhaltens während der Beweisaufnahme abzulehnen.
Ausnahmsweise ist ein Ablehnungsgesuch jedoch auch nach streitiger Verhandlung möglich, wenn der Ablehnungsgrund erst nach Einlassung in der Verhandlung oder Stellung der Anträge entstanden oder der Partei bekannt geworden ist. Ihre Anwältin müsste in diesem Fall neben dem eigentlichen Ablehnungsgrund auch den Zeitpunkt der Kenntnis vom Ablehnungsgrund glaubhaft machen.
Hat Ihr Ablehnungsgesuch Erfolg, ist der abgelehnte Richter vom weiteren Verfahren ausgeschlossen, so dass das Verfahren durch dessen Vertreter fortzusetzen ist. Dies kann auch zur Folge haben, dass eine bereits durchgeführte Beweisaufnahme in Form der Zeugenvernehmung wiederholt werden muss.
Bei einem Ablehnungsgesuch entstehen Ihnen übrigens weder weitere Kosten durch Gerichtsgebühren, noch erhält Ihre Anwältin eine gesonderte Vergütung.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Für den weiteren Fortgang Ihres Verfahrens wünsche ich Ihnen natürlich viel Erfolg! Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Antwort
vonRechtsanwalt Mikio Frischhut
Hopfengartenweg 6
90451 Nürnberg
Tel: 091138433062
Web: https://www.frischhut-recht.de
E-Mail:
Rechtsanwalt Mikio Frischhut
Vielen Dank für die ausführliche und rasche Antwort, gerade zu dem konkreten Vorgehen eines Befangenheitsantrags.
Wie beschrieben ist die Befangenheit des Richters auf jeden Fall nachweisbar gegeben. Das eigentliche Problem ist aber, dass unsere Anwältin dem nicht nachgehen will - wie Sie auch schreiben, so ein Antrag, der sich oft auch noch durch mehrere Instanzen quält, wird auch nicht gesondert vergütet.
Wäre es demnach besser, den unfairen Prozeß so durchzustehen und auf spätere Instanzen zu hoffen oder mit Stellen des Befangenheitsantrags gegen das Gericht eine Mandatsbeendigung durch unsere Anwältin zu riskieren? Wir sind eigentlich mit ihrer Arbeit sehr zufrieden, sind nur in diesem einen Punkt anderer Meinung.
Sehr geehrte Fragestellerin,
Ihre Nachfrage möchte ich Ihnen verbindlich wie folgt beantworten:
Ohne die Einzelheiten Ihres Falles zu kennen, würde ich in einem vergleichbaren Sachverhalt tatsächlich dazu anraten, nicht bloß einen Befangenheitsantrag zu stellen, sondern überdies auch das Mandat zu beenden.
Die für eine interessengerechte und engagierte anwaltliche Vertretung erforderliche Vertrauensbasis ist nach meiner Auffassung unerlässlich. Es steht Ihrer Anwältin auch nicht zu, darüber zu befinden, welche Anträge Sie stellen sollen und welche nicht. Die Aufgabe Ihrer Anwältin ist es, die Sach- und Rechtslage in Gänze zu beurteilen und auf dieser Grundlage Chancen und Risiken aufzuzeigen um Sie in die Lage zu versetzen eine möglichst sinnvolle und zielführende Entscheidung zu treffen. Die Entscheidungen haben jedoch letztlich Sie allein zu treffen.
Wenn tatsächlich die Besorgnis der Befangenheit besteht, dann sollte der Richter auch unbedingt abgelehnt werden. Sehenden Auges eine Prozessniederlage hinzunehmen um ggf. auf die zweite Instanz zu hoffen erscheint mir keine gute Idee zu sein. Bedenken Sie auch, dass die Berufungsinstanz keine zweite Tatsacheninstanz ist. Das Ausgangsurteil ist nur auf Rechtsfehler hin überprüfbar. Ansonsten ist das Berufungsgericht grundsätzlich an die Tatsachenfeststellungen des Ausgangsgericht gebunden.
Überdies sind natürlich auch nicht unerhebliche Kosten mit der Berufungsinstanz verbunden.
Ich hoffe, Ihre Nachfrage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Für den weiteren Fortgang Ihres Verfahrens wünsche ich Ihnen weiterhin viel Erfolg!
Mit freundlichen Grüßen