Sehr geehrter Ratsuchender,
Gerne beantworte ich ihre Frage, unter Berücksichtigung des geschilderten Sachverhaltes, wie folgt.
Zunächst ist festzustellen, dass es sich bei ihrem Schweizer Führerschein nicht um einen EU Führerschein im Sinne des § 28 FeV handelt. Fahrerlaubnisrechtlich wird die Schweiz als Drittstaat verstanden, so dass die Regelungen des § 29 FeV einschlägig sind.
Hier besitzt besonders § 29 Abs. 3 Z. 3 FeV für sie besondere Relevanz. Nach dieser Norm gilt die Berechtigung zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland dann nicht, wenn hier die Fahrerlaubnis entzogen worden ist. Die Rechtsstellung des EuGH besitzt insoweit für Sie keinerlei Relevanz. Dies bedeutet, dass Sie derzeit mit ihrem Schweizer Führerschein auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland keine Kraftfahrzeuge führen dürfen. Hieran ändert auch nicht, dass die ehedem verhängte Sperrfrist inzwischen abgelaufen ist. Die Berechtigung zur Nutzung des Schweizer Führerscheins auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland lebt erst dann wieder auf, wenn sie bei einer deutschen Fahrerlaubnisbehörde einen Antrag nach § 29 Abs. 4 FeV gestellt haben, im Zuge dessen Wohl, nach ihrer Schilderung, mit der Beibringung einer MTU zu rechnen sein dürfte. Ohne diesen Antrag lebt das Recht zur Nutzung ihres Führerscheins in Deutschland nicht wieder auf.
Wenn Sie keinen Wohnsitz in Deutschland haben, ist für eine solche Antragstellung grundsätzlich jede Führerscheinstelle im Bundesgebiet zuständig (§ 73 Abs. 3 FeV). Sie können sich insoweit aussuchen, bei welcher Behörde sie den Antrag nach § 29 Abs. 4 FeV stellen wollen.
Auch eine Umschreibung ihres Schweizer Führerscheins in einen französischen (EU) Führerschein würde Ihnen im vorliegenden Fall nicht weiter helfen. Bei einer Umschreibung handelt es sich im Rechtssinne nicht um eine Neuerteilung, welcher die inzwischen mehrfach vom EuGH betonte Anerkennungspflicht auszulösen geeignet wäre. Diese Anerkennungspflicht bezieht sich nämlich lediglich auf solche Fälle, in denen eine Fahrerlaubnis erteilt worden ist. Erteilung im europarechtlichen Sinne versteht sich auf die Beibringung neuer Prüfungsleistungen, also einen kompletter Neuerwerb. Alleine die Umschreibung eines (in Deutschland nicht gültigen) Führerscheins löst diese Pflicht nicht aus, so dass sie auch mit dem durch Umschreibung erlangten französischen Führerschein in Deutschland keine Kraftfahrzeuge führen dürften. Erkennbar wäre dies durch die vor dem Entzug belegenen Erteilungsdaten auf der Rückseite des Führerscheins, sowie durch die Ordnungsziffer 70 i.V.m. der Nummer des Schweizer Führerscheins sowie des Länderkürzels CH.
Unabhängig davon besteht europarechtlich ohnehin keine Verpflichtung für Deutschland, Führerscheine aus Drittstaaten die in einen EU Führerschein ungeschrieben wurden anzuerkennen. Dies ist entsprechend in der dritten Führerscheinrichtlinie geregelt.
Solange die damalige Verkehrsstraftat im Fahreignungsregister eingetragen ist, dies dürfte bis zum Jahr 2027 der Fall sein, dürfen die deutschen Führerscheinstellen von Ihnen die Beibringung einer MPU fordern. Fahrpraxis im Ausland ist nicht geeignet, eine solche Forderung aus Rechtsgründen zu Fall zu bringen.
Aus dem gleichen Grund scheidet auch eine Umschreibung ihres Schweizer Führerscheins in einen deutschen Führerschein aus. Eine Umschreibung ihres Schweizer Führerscheins in einen deutschen Führerschein würde voraussetzen, dass dieser im Bundesgebiet gültig ist. Aufgrund der vorangegangenen Entziehung ist dies jedoch aktuell nicht mehr der Fall, so dass eine Umschreibung, selbst wenn sie ihren Wohnsitz wieder in Deutschland nehmen würden, nicht erfolgen könnte. Auch hier stünde gegebenenfalls zuvor eine MPU im Raum.
Rein taktisch haben sie insoweit nunmehr folgende Möglichkeiten.
1.
Sie stellen bei einer deutschen Führerscheinstelle ihrer Wahl den Antrag nach § 29 Abs. 4 FeV, bringen die sodann geforderte MPU bei, und können danach wieder Kraftfahrzeuge im Bundesgebiet mit behördlicher Erlaubnis führen.
2.
Soweit dies rechtlich in der Frankreich möglich ist, dies entzieht sich meiner Kenntnis, verzichten sie dort auf Ihren Schweizer Führerschein und erwerben sie in Frankreich vollständig einen Führerschein neu. Dieser, sodann durch Frankreich neu erteilte Führerschein mit Erteilungsdaten, die nach dem Entzug gelegen sind, würde sie berechtigen wieder Kraftfahrzeuge im Bundesgebiet zu führen. Inwieweit Ihnen die Republik Frankreich ohne weiteres einen Führerschein erteilt oder ob Ihnen dort, ob ihrer vorangegangenen Verfehlungen in Deutschland, ebenfalls Erschwernisse drohten, entzieht sich ebenfalls meiner Erkenntnis.
Andere Möglichkeiten wieder Kraftfahrzeuge im Bundesgebiet zu führen ersehe ich leider nicht.
Ich hoffe Ihnen weitergeholfen zu haben und stehe Ihnen gerne im Rahmen der kostenlosen Nachfragefunktion für Ergänzungen zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Marc N. Wandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Strafrecht
Danke für die umfassende und aufschlussreiche Auskunft.
Drei kürze Nachfragen hätte ich noch:
a) Gegenstand der MPU ist ja auch und vor allem die psychologische Begutachtung, in deren Zusammenhang massgeblich eben Verhalt und Verhaltensänderung zwischen Ereignis und Neuantrag auf dem Prüfstand stehen. Nun führen Sie oben aus, dass mein Verhalten im Ausland keinen Einfluss auf die Entscheidung der Führerscheinstellen haben wird. Da ich mich seit dem Ereignis lückenlos im Ausland aufgehalten habe, kann Gegenstand des psychologischen Teils der MPU aber nur mein Verhalten im Ausland sein. Inwieweit kann die Führerscheinstelle dann überhaupt auf dem Standpunkt stehen, dass ihr eine MPU hilft meine charakterliche Eignung festzustellen?
b) Wenn ich in Frankreich nun einen Motorradführerschein gewissermassen oben drauf setzen würde, würde die bestandene Motorradführerscheinprüfung, sprich der Umtausch des CH-Führerscheins plus Ergänzung der neuen Klasse mit Erwerbsdatum nach dem Ereignis, dann in D die gleiche Wirkung entfalten können wie das erneute Bestehen der Prüfung für PKW? Oder würden die D-Behörden dann auf dem Standpunkt stehen, dass die Zweifel an der charakterlichen Eignung zur Führung eines PKWs fortbestünden und ich in D dann entsprechend nur mit dem Motorrad unterwegs sein könne?
c) Sind Ihnen angesichts der doch nicht unerheblichen Entfernung nicht doch Härtefall-Entscheidungen oder Möglichkeiten, die MPU zu substituieren, bekannt?
Ich verbleibe mit bestem Dank!
Sehr geehrter Ratsuchender,
gerne beantworte ich Ihre Nachfrage wie folgt.
Wie bereits ausgeführt, ist leider Ihr lückenloser Auslandsaufenthalt kein Grund, eine MPU nicht beibringen zu müssen. Wie Sie zutreffend ausführen, ist die Überprüfung einer Verhaltensänderung im Zusammenhang mit dem Konsum von Alkohol Sinn der MPU. Diese ist aber unabhängig von Ihrem Wohnsitz zu sehen. Wenn Sie insoweit dem Psychologen darlegen können, dass Sie eine solche erfolgreich vollzogen haben, spielt insoweit natürlich auch eine unauffällige Fahrweise im Ausland eine positive Rolle. Es wird jedoch zunächst Wert darauf gelegt werden, wie Sie Ihr Verhalten entsprechend geändert haben. Wenn dies nachvollziehbar und schlüssig ist, genügt dies für eine positive Begutachtung aus.
Die Frage, ob eine Erweiterung in der gleichen Fahrzeuggruppe die Eignung wieder herstellt, ist rechtlich umstritten. Hier ist von Belang, dass nach Rechtsprechung des BVerwG die Fahrerlaubnis unteilbar ist, also nicht zwischen einzelnen Fahrerlaubnisklassen einer Gruppe differenziert werden kann.
Aufgrund der unklaren Rechtslage, es gibt keine entsprechenden obergerichtlichen Entscheidungen, ist in diesem Fall jedoch mit einem langwierigen Verwaltungsrechtsstreit über mehr als eine Instanz zu rechnen, um eine solche Frage abschließend zu klären.
Leider gibt es bislang keine entsprechenden Entscheidungen, die bei einem Auslandsaufenthalt und entsprechendem Wohnsitz das Absehen von einer MPU stützen könnten.
Mit freundlichen Grüßen
Marc N. Wandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Strafrecht