Sehr geehrte Fragestellerin,
eingangs möchte ich festhalten, dass die hier geleistete Beurteilung der Rechtslage ausschließlich aufgrund der Ihrerseits gemachten Angaben erfolgen kann. Bitte beachten Sie, dass das Weglassen relevanter Angaben oder eine geringfügige Änderung des Sachverhalts eine völlig neue rechtliche Beurteilung zulässt. Aufgrund des Ihrerseits dargestellten Sachverhalts möchte ich Ihre Frage gerne wie folgt beantworten.
Sie sprechen richtigerweise bereits das sog. Hammerschlags- und Leiterrecht an, welche im deutschen Nachbarschaftsrecht - so also auch in Ihrem Fall - Anwendung finden. Eine gesetzliche Regelung dieser Bauherrenrechte findet sich beispielsweise für das Land Nordrhein Westfalen in § 24 NachbG NRW (Nachbarrechtsgesetz). Aufgrund der mir zugeflossenen Informationen über den Ihre Person gehe ich davon aus, dass sich Ihr Grundstück in Baden Württemberg befindet, so dass hier das NachbG BW einschlägig ist. Dieses sieht im dortigen § 7d Folgendes vor:
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§ 7d NachbG BW
Hammerschlags- und Leiterrecht
(1) Kann eine nach den baurechtlichen Vorschriften zulässige bauliche Anlage nicht oder nur mit erheblichen besonderen Aufwendungen errichtet, geändert, unterhalten oder abgebrochen werden, ohne dass das Nachbargrundstück betreten wird oder dort Gerüste oder Geräte aufgestellt werden oder auf das Nachbargrundstück übergreifen, so haben der Eigentümer und der Besitzer des Nachbargrundstücks die Benutzung insoweit zu dulden, als sie zu diesen Zwecken notwendig ist.
(2) Die Absicht, das Nachbargrundstück zu benutzen, muss dem Eigentümer und dem Besitzer zwei Wochen vor Beginn der Benutzung angezeigt werden. Ist der im Grundbuch Eingetragene nicht Eigentümer, so genügt die Anzeige an den unmittelbaren Besitzer, es sei denn, dass der Anzeigende den wirklichen Eigentümer kennt. Die Anzeige an den unmittelbaren Besitzer genügt auch, wenn der Aufenthalt des Eigentümers kurzfristig nicht zu ermitteln ist.
(3) Der Eigentümer des begünstigten Grundstücks hat dem Eigentümer des Nachbargrundstücks den durch Maßnahmen nach Absatz 1 entstandenen Schaden zu ersetzen. Auf Verlangen des Berechtigten ist vor Beginn der Benutzung eine Sicherheit in Höhe des voraussichtlich entstehenden Schadens zu leisten.
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Bevor ich auf Ihre Fragen eingehe, möchte ich Ihnen vorab Grundsätzliches zum Hammerschlags- und Leiterrecht erläutern.
Das Hammerschlagsrecht meint das Betreten des Nachbargrundstücks, um von dort Arbeiten an einem Gebäude auf dem eigenen Grundstück auszuführen. Darüberhinaus beschreibt das Leiterrecht das Recht, zum gleichen Zweck eine Leiter oder ein Gerüst auf dem nachbarlichen Grundstück abzustellen.
Das Betreten und Benutzen des Nachbargrundstücks setzt drei Dinge voraus:
Zum einen muss das Bauvorhaben baurechtlich zulässig sein, wovon ich hier mangels anderweitiger Angaben einmal ausgehe.
Weiterhin müssen alle Alternativen zum Betreten des Nachbargrundstücks geprüft worden sein und im Ergebnis einen unverhältnismäßig hohen Aufwand erfordern. Dies kann ich aufgrund Ihrer Angaben nur schwerlich beurteilen, unterstelle jedoch, dass keine verhältnismäßigen Alternativen gegeben sind.
Schließlich muss der Vorteil des Bauherren zu einem etwaigen Nachteil des duldenden Nachbarn in einem angemessenen Verhältnis stehen. Das beudeutet, dass beispielsweise für das Ausbessern eines Farbflecks mit Hilfe der Leiter dadurch nicht die Gemüseernte des Nachbarn vernichtet werden darf.
Der bauende Nachbar darf das fremde Grundstück zum Materialtransport oder für Gerüst oder Leiter zwar benutzen, muss dabei aber schonend vorgehen und etwaige Schäden selbstverständlich ersetzen. «Schonend» bedeutet zügig zu arbeiten und zu angemessenen Zeiten, also nicht spät abends, mittags oder sonntags. Nun zu Ihren konkreten Fragen:
Ad 1.
Das Hammerschlags- und Leiterrecht gilt für die gesamte Dauer der Baumaßnahme. Das bedeutet aber nicht, dass Sie etwa das gesamte Jahr Ihren Stellplatz zur Verfügung stellen müssen. Soweit eine Notwendigkeit des Betretens bzw. der Nutzung Ihres Grundstücks nicht mehr gegeben ist, müssen die Gerätschaften abgebaut und das Betreten Ihres Grundstücks eingestellt werden.
Ad 2.
Für die Geltendmachung des Hammerschlags- und Leiterrechts besteht eine Anzeigepflicht Ihnen gegenüber, und zwar zwei Wochen vor deren Ausübung, § 7d Abs. 2 NachbG BW
. Dabei gilt grundsätzlich Folgendes: Untersagt der Nachbar die Ausübung der Betretung und Benutzung seines Grundstücks, darf das Grundstück nicht ohne Weiteres betreten werden. Stattdessen ist eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen. Entsteht durch die Verzögerung ein Schaden, so ist dieser vom Nachbarn zu ersetzen, wenn die Untersagung rechtswidrig war.
Ad 3.
Der Ihnen entstandene Schaden ist in jedem Falle ersatzpflichtig, etwa gem. § 7d Abs. 3 NachbG BW
oder gem. § 823 Abs. 1 BGB
.
Ich hoffe, Ihnen weitergeholfen zu haben, und verbleibe mit einem Dank für das mir entgegengebrachte Vertrauen
mit freundlichen Grüßen
Oliver Daniel Özkara
Rechtsanwalt
Vielen Dank für die Infos.
Wenn ich richtig verstandn habe, ist mind. 2 Wochen vor Beginn die Anzeige zu machen. Wie verhalte ich mich, wenn die Anfrage für ein Gerüst heute kommt, und morgen soll es schon aufgestellt werden. Muss ich einem Gerüst auf meinem Grundstück zustimmen, wenn ich selbst zu der Zeit Baumaßnahmen plane und die gesamte Einfahrtsbreite für einen Bagger benötige?
Sehr geehrte Fragestellerin,
betreffend die zweiwöchige Anzeigepflicht vor Inanspruchnahme der Hammerschlags- und Leiterrechte haben Sie mich richtig verstanden. Sollte diese Anzeige für das Aufstellen eines Gerüstes einen Tag vor der geplanten Aufstellung erfolgen, so ist diese zweiwöchige Frist nicht gewahrt und Sie können die Ausübung der Betretung und Benutzung Ihres Grundstücks untersagen, zumindest für den Fristzeitraum. Es kann dann zu einer entsprechenden gerichtlichen Klärung dieser Rechtsfrage kommen.
Ob Sie allein aus dem Grund, dass Sie selbst eine Baumaßnahme planen, Ihre Zustimmung untersagen dürfen, dürfte eine Frage des Einzelfalls sein. Denn bei berechtigter Geltendmachung des Hammerschlags- und Leiterrechts durch den Bauherrn unterliegen Sie grundsätzlich einer Duldungspflicht, die bei einem Überwiegen Ihrer Interessen an der Durchführung Ihrer eigenen Baumaßnahme wiederum erlöschen kann. All dies erwächst aus dem im Grundgesetz verankerten Art. 14 Abs. 2 GG
, namentlich dass "Eigentum verpflichtet" und "sein Gebrauch zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen soll". Ob Ihr Interesse an der Durchführung Ihrer eigenen Baumaßnahme vorrangig ist, kann hier mangels konkreter Angaben nicht abschließend und seriös beurteilt werden.
Abgesehen von allen rechtlichen Erwägungen empfehle ich Ihnen gerade in derartigen Nachbarrechtsstreitigkeiten, die häufig auch mit persönlichen Befindlichkeiten einhergehen, den freundlichen Dialog mit Ihrem bauenden Nachbarn. Dies fördert insbesondere auch das künftige Nachbarschaftsverhältnis, das meist höherwertig ist als ein reines Rechthaben.
Ich hoffe, Ihnen auch mit der Beantwortung Ihrer Nachfrage weitergeholfen zu haben, und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Oliver Daniel Özkara
Rechtsanwalt