Sehr geehrter Ratsuchender,
in der Tat wurde durch das Gesetz zur Verbesserung des zivilgerichtlichen Schutzes bei Gewalttaten und Nachstellungen sowie zur Erleichterung der Überlassung der
Ehewohnung bei Trennung vom 11.12.2001 der Opferschutz durchaus erheblich gestärkt, insbesondere schon durch die Ersetzung der „schweren Härte“ durch eine „unbillige Härte“ als Voraussetzung für die Wohnungszuweisung gemäß § 1361b Abs. 1 BGB
.
In Fällen wie Ihrem, in denen eine Gewalttat vorliegt, sieht außerdem § 1361 Abs. 2 Satz 1 BGB
ausdrücklich vor, dass eine nur teilweise Überlassung der Wohnung die Ausnahme bildet. Abs. 1 ist insoweit nicht anwendbar.
In der Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung (<a class="textlink" rel="nofollow" href="http://209.85.135.104/search?q=cache:aeZYLc0lDZ4J:dip.bundestag.de/btd/14/054/1405429.pdf" target="_blank">BT-Drucksache 14/5429</a>, S.21) heißt es hierzu, sowie zu der Parallelvorschrift des § 2 Abs. 3 Nr. 3 GewSchG
:
„Die Ergebnisse der rechtstatsächlichen Untersuchung haben gezeigt, dass eine teilweise Wohnungsüberlassung in den Fällen von häuslichen Gewalttaten nicht dazu geeignet ist, das Opfer vor weiteren Taten ausreichend zu schützen. Die Wohnverhältnisse sind häufig beengt, so dass es bei einer teilweisen alleinigen Nutzung zu häufigen, weitere Gewalttätigkeiten auslösenden Treffen kommt. Deshalb ist in Absatz 2 Satz 1 festgelegt, dass bei Gewalttaten einschließlich der widerrechtlichen Drohung mit solchen in der Regel nur eine alleinige Nutzung der gesamten Wohnung in Betracht kommt. Eine Ausnahme wird nur in den Fällen gemacht werden können, in denen die Wohnverhältnisse der Ehegatten so
großzügig bemessen sind, dass mit einem Zusammentreffen der zerstrittenen Eheleute nicht zu rechnen ist.“
Der Bundesrat konnte sich nicht mit seinem nachfolgenden Ansinnen durchsetzen, in § 1361b Abs. 2 Satz 1BGB die hier fallentscheidenden Wörter „in der Regel“ zu streichen.
In seiner Begründung führte der Bundesrat (<a class="textlink" rel="nofollow" href="http://209.85.135.104/search?q=cache:aeZYLc0lDZ4J:dip.bundestag.de/btd/14/054/1405429.pdf" target="_blank">BT-Drucksache 14/5429</a>, S.39) aus:
“Wie die Begründung des Entwurfs zutreffend anführt (S. 35), haben die Ergebnisse der u. a. vom Bundesministerium der Justiz in Auftrag gegebenen rechtstatsächlichen Untersuchung von Vaskovics und Buba gezeigt, dass der Schutz des verletzten Ehegatten bei einem Getrenntleben in derselben Wohnung nicht gewährleistet werden kann, sondern Anlass für neue, in körperlichen Misshandlungen endende Konflikte bietet. Deshalb sollte angesichts der gerade im Krisenfall sehr begrenzten forensischen Prognosemöglichkeiten und vor allem mit Rücksicht auf das Opfer ihm auf sein Verlangen die Ehewohnung zugewiesen werden, um die sich aus der Zuweisung eines Teils der Wohnung ergebenden Gefährdungen nicht mehr zuzulassen. Diese Konsequenz ist in dem die Zuweisung der gesamten Wohnung zwingend vorsehenden § 2 GewSchG
bereits gezogen worden (vgl. auch S. 21 der Begründung). Für eine abweichende Regelung in Zusammenhang mit der Ehewohnung ist angesichts der im Übrigen gleichen Voraussetzungen keine Rechtfertigung ersichtlich.“
Die Gegenäußerung der Bundesregierung stellt dagegen auf die Verhältnismäßigkeit der Zuweisungsregelung ab (<a class="textlink" rel="nofollow" href="http://209.85.135.104/search?q=cache:aeZYLc0lDZ4J:dip.bundestag.de/btd/14/054/1405429.pdf" target="_blank">BT-Drucksache 14/5429</a>, S.42/43) und lässt Ausnahmen zu:
“Die Bundesregierung rät von der vorgeschlagenen Streichung ab. Während für das geltende Recht zu § 1361b BGB
die Auffassung vertreten wird, eine teilweise Wohnungsüberlassung sei als der geringere und damit „verhältnismäßigere“ Eingriff der Regelfall, soll künftig die Überlassung der gesamten Wohnung an das Opfer einer Gewalttat die Regel sein. Es erscheint unverhältnismäßig, die teilweise Überlassung der Wohnung dann auszuschließen, wenn das Opfer in Ausnahmefällen auch bei einer teilweisen Wohnungsbenutzung – etwa bei außerordentlich großzügigen Wohnverhältnissen – sicher ist. Im Übrigen kann auch bei der Wohnungsüberlassung nach § 2 GewSchG-E über den Ausschlusstatbestand in Absatz 3 Nr. 3 in Ausnahmefällen eine teilweise Überlassung der Wohnung in Betracht kommen.“
Nach § 2 Abs. 3 Nr. 3 GewSchG
ist der Anspruch auf Wohnungsüberlassung ausgeschlossen, „soweit der Überlassung der Wohnung an die verletzte Person besonders schwerwiegende Belange des Täters entgegenstehen“.
Diese Regelung entspricht dem von Ihnen entwickelten Gedanken, eine teilweise Wohnungszuweisung nur in solchen Fällen anzuordnen, in denen sich der Täter seinerseits auf einen Härtefall berufen kann.
Ein solcher Härtefall liegt indessen nach Ihren Angaben nicht vor.
Jedoch wird bei § 1361b Abs. 2 Satz 1 BGB
darüber hinaus zu berücksichtigen sein, ob Sie als Opfer bereits durch eine zumutbare räumliche Abtrennung innerhalb der Wohnung, die ein Zusammentreffen weitgehend ausschließt, wirklich hinreichend geschützt sind.
Die Voraussetzungen hierfür muss Ihre Ehefrau im Detail darlegen und beweisen.
Mangels Kenntnis der näheren Gegebenheiten vor Ort ist schwer vorherzusagen, ob Ihre Ehefrau sich insoweit wird durchsetzen können. Es kommt eben auch auf die Durchführbarkeit einer räumlichen Trennung an. Die Anforderungen an eine solche Ausnahmeregelung sind aber äußerst hoch anzusetzen, zumal in Fällen wie Ihrem ja die Wiederholungsgefahr weiterhin besteht, solange Ihre Ehefrau dies nicht auch noch entkräften kann (§ 1361b Abs. 2 Satz 2 BGB
).
Denn auch insoweit wird von der Rechtsprechung zu Recht eine sehr hohe Schwelle angesetzt, die Vermutung der Wiederholungsgefahr widerlegen zu können (vgl. OLG Saarbrücken (Beschluss vom 28.10.2004 - Az. 6 WF 70/04
).
Die Annahme einer Wiederholungsgefahr und zugleich einer nur teilweisen Wohnungszuweisung schließt sich daher meines Erachtens gegenseitig weitgehend aus, hier müsste es sich schon um ein ziemlich großzügiges Anwesen handeln, das Sie bewohnen, um eine solche Lösung ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Die bloße Teilung des 133m²-Bungalows, soweit diese überhaupt in zumutbarer Weise realisierbar ist, erscheint mir vorbehaltlich einer eingehenden Prüfung der Angelegenheit eher zweifelhaft, um künftige Grenzverletzungen vollständig auszuschließen.
Wenn Sie noch weiteren Bedarf an Rechtsberatung zu diesem Thema haben, können Sie sich gerne direkt an mich wenden, wenn Sie möchten. Ebenso übernehme ich gerne Ihre weitere Vertretung.
Zunächst können Sie aber auch einfach hier eine Rückfrage stellen, falls Sie Etwas noch näher erläutert haben möchten.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfram Geyer
Rechtsanwalt
Der Bungalow befinder sich in einer größeren WOhnanlage und ist als so genannter "Kettenbungalow" gestaltet, mit einer EG-Terrasse und einer Dachterrasse sowie einem kleinen Garten/Grünfläche um das Gebäude. Den Bungalow hatte ich seinerzeit steuerlich als "Zweifamilienhaus" deklariert, aber nicht baurechtlich. In dem kleineren abtrennbaren Teil (ca 35 m²) befand sich damals eine kleine 1,5 m lange Küchenzeile.
Mein Problem liegt vor allem darin, bei Wohnungsteilung täglich die Frau zu sehen und provoziert zu werden, die mich nach 38 Jahre Ehe, ohne ersichtlichen Grund vergiften wollte bzw. mich durch die Medikamentengabe in geistiger Umnachtung enden sehen wollte. Diese emmotionale Belastung fände ich unerträglich und unzumutbar. Wäre das nicht meienrseits ein Härtefall?
Vielleicht finden Sie aus Ihrer reichen Erfahrung noch ähnliche Argumente?
Sehr geehrter Ratsuchender,
- die emotionale Belastung bei einer bloßen Wohnungsaufteilung ist auf jeden Fall ein ganz zentrales für Sie sprechendes Argument, eine vollständige räumliche Trennung herbeizuführen, um eine „unbillige Härte zu vermeiden“, zumal nach dem erklärten Ziel des Gesetzgebers das Opfer eben auch vor weiteren Zusammentreffen geschützt werden soll. Dabei darf es keinen Unterschied machen, welchen Geschlechts das Opfer ist, auch wenn hier die statistisch seltenere Variante vorliegt, in der die Frau der Täter ist.
- aus § 1361b Abs. 2 Satz 2 BGB
ergibt sich, dass bei Fehlen einer Wiederholungsgefahr die Schwere der Tat ausschlaggebend ist für einen Anspruch auf (vollständige oder teilweise) Wohnungsüberlassung, wenn deswegen das weitere Zusammenleben für das Opfer unzumutbar ist. Erst recht muss dieser Gedanke natürlich beachtet werden, wenn - wie hier - eine Wiederholungsgefahr bejaht wurde. Der Versuch, Sie zu vergiften, dürfte eine solche Schwere der Tat begründen, auch wenn das Strafgericht (wie Sie bei Ihrer letzten Anfrage mitteilten) seinerzeit nur eine einfache, und keine gefährliche Körperverletzung als erwiesen erachtet hat. Denn es wäre insofern nur eine Schwere der Tat, keine besondere Schwere der Tat erforderlich, außerdem gelten hier nicht ohne Weiteres die strafrechtlichen Maßstäbe und Abgrenzungen. Vielmehr wird hier auf den Grad des Vertrauensbruchs abzustellen sein, der bei einer solchen Dauerstraftat nach 38 Jahren Ehe doch als sehr schwerwiegend einzustufen wäre. Auch dieser Rechtsgedanke muss erst recht dann gelten, wenn es nicht um die Unzumutbarkeit weiteren Zusammenlebens geht, sondern wenn schon das mögliche Zusammentreffen auf dem selben Grundstück für Sie unerträglich ist.
- nach Ihren Angaben erscheint die gelegentliche Möglichkeit des Zutritts zu Ihren Räumen, z.B. über den Garten, nicht ausgeschlossen. Nachdem Ihre Ehefrau offensichtlich Ihr eigenes Unrecht nicht einsieht, müssen Sie auch damit rechnen, dass Ihrer Ehefrau innerhalb der aufgeteilten Wohnung andere Wege findet, Ihnen zu schaden oder zumindest widerrechtliche Drohungen auszusprechen.
Damit ist dann aber auch die Wiederholungsgefahr nicht beseitigt, was nach der Systematik des § 1361b Abs. 2 BGB
aber Voraussetzung wäre, um Ihren Anspruch auf alleinige Wohnungszuweisung zu Fall zu bringen.
- im Übrigen ist es meines Erachtens jedenfalls nicht einzusehen, warum Ihnen nur ein so viel kleinerer Teil des ehemals gemeinsam bewohnten Bungalows zugewiesen werden sollte. Anscheinend kann auf andere Weise keine räumliche Trennung geschaffen werden, aber dann stellt sich die Frage, wieso sich Ihre Position gegenüber vorher auch noch verschlechtern soll. Ich sehe keine rechtliche Grundlage dafür, Ihnen als Opfer auf diese Weise letztlich die Verwirklichung des Opferschutzes aufzubürden. Eine solche Einschränkung dürfte die Grenzen Ihrer Schadensminderungspflicht doch erheblich übersteigen.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfram Geyer
Rechtsanwalt