Versicherungsforderung nach Verkehrsunfall unter Alkohol

8. Januar 2014 11:21 |
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Versicherungsrecht, Privatversicherungsrecht


Beantwortet von

Rechtsanwalt André Meyer

Guten Tag,

vor gut vier Monaten habe ich einen schweren Fehler gemacht und bin mit 1,3 %o Auto gefahren; dabei hat es gekracht; Schaden am anderen Kfz wohl gut 10 T€. Das Strafverfahren gegen mich läuft; damit und dem vorläufigen Verlust der Fahrerlaubnis habe ich mich abgefunden. Heute dagegen erhalte ich einen Brief meiner Versicherung, die 5 T€ von mir fordert, weil ich gegen eine Obliegenheit verstoßen hätte und mich in dieser Höhe am Schaden des Anderen beteiligen müsse.

Was mich wundert: Ich hab sofort den Schadensmeldebogen korrekt ausgefüllt und nach 4 Tagen unter Angabe des gemessenen Alkoholgehaltes per Einschreiben zur Versicherung geschickt. Die haben das also seit mindestens 3 1/2 Monaten. Ich hab mal gehört, die Versicherung müsse in diesen Fällen binnen Monatsfrist nach Kenntnis vom Verstoß den Versicherungsvertrag kündigen, wenn sie Regress nehmen will. Stimmt das? Hilft es mir?

Sehr geehrter Fragesteller,

Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegeben Informationen verbindlich wie folgt beantworten:


Da mir Ihre konkreten Versicherungsbedingungen nicht vorliegen, beantworte ich Ihre Frage auf Grundlage der aktuellen Musterbedingungen für die Kraftfahrversicherung. Die genannten Klauseln dürften Ihren Versicherungsbedingungen allerdings entsprechen. Abschließend ließe sich dies jedoch erst nach Durchsicht Ihrer Vertragsunterlagen feststellen.

Nach der Klausel D.2.1 darf das Fahrzeug nicht gefahren werden, wenn der Fahrer aufgrund alkoholischer Getränke hierzu nicht in der Lage ist. Dabei muss der Fahrer vor Antritt der Fahrt seine Fahrtüchtigkeit prüfen und bei dem geringsten Zweifel von der Fahrt Abstand nehmen. Diese Pflicht haben Sie verletzt, womit sich für die Versicherung grundsätzlich der Regressanspruch begründet.

Bei einem Promillewert von über 1,1 wird die Fahruntüchtigkeit und die Kausalität für den Schadenfall vermutet. Zudem wird bei diesem Promillewert die vorsätzliche Begehung angenommen, so dass die Regressquote (wie immer bei Vorsatz) bei 100 % liegt, wenngleich gekappt bei 5.000,00 €. Der Vorsatz könnte nur dann ausgeschlossen werden, wenn Sie sich im Zustand der Unzurechnungsfähigkeit befunden hätten. Zu dieser Annahme besteht aufgrund des hierfür zu geringen Promillewertes allerdings kein Anhaltspunkt.

Um sich dem Regress des Versicherers zu entziehen, könnten Sie daher nur versuchen, den Kausalitätsgegenbeweis zu führen und nachzuweisen, dass der Schadenfall auch ohne Ihre alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit eingetreten wäre. Dafür müssen Sie wiederum Gründe darlegen können, dass der Unfall für Sie im Grunde unabwendbar war. Ob dies in Ihrem Fall möglich sein könnte, kann anhand der Sachverhaltsangaben nicht gesagt werden. Ohnehin wird der Nachweis vor dem Hintergrund des hohen Promillewertes schwierig sein.

Etwas anderes Ergebnis ergibt sich leider auch nicht aus der Tatsache, dass sich der Versicherer nicht innerhalb einer Monatsfrist auf seine Leistungsfreiheit berufen hat. Die von Ihnen angesprochene Frist bezieht sich auf die Fälle der vorvertraglichen Obliegenheitsverletzungen (§ 19 VVG ). Bei Ihnen liegt jedoch eine nachvertragliche Obliegenheitsverletzung vor. Für diese gelten die allgemeinen Verjährungsregelungen. Mithin tritt Verjährung erst nach drei Jahren ein.

Bedauerlicherweise kann ich Ihnen keine für Sie günstigere Auskunft erteilen. Die einzige Möglichkeit die Ihnen bleibt, ist demnach, den Kausalitätsgegenbeweis zu führen. Ob dies Aussicht auf Erfolg haben könnte, kann abschließend erst nach Kenntnis der vollständigen Sachlage eingeschätzt werden.

Sollten Sie weiteren Beratungsbedarf in der Angelegenheit haben, stehe ich Ihnen gerne zur weiteren Vertretung zur Verfügung. Das hier gezahlte Honorar würde auf die weiteren anfallenden Gebühren angerechnet werden. Kontaktieren Sie mich einfach unter der angegebenen E-Mail-Adresse.


Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.

Mit freundlichen Grüßen
André Meyer, Rechtsanwalt

Rückfrage vom Fragesteller 8. Januar 2014 | 14:30

Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt Meyer,
vielen Dank für ihre schnelle Antwort, die mir einen ersten Eindruck über die Rechtslage gegeben hat. Dennoch; die Sache wurmt mich, wie sie vielleicht verstehen werden; ich habe daher das VVG zu Rate gezogen und den § 28 gefunden, dessen Abs. 1 lautet:
§ 28 Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit
(1) Bei Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit, die vom Versicherungsnehmer vor Eintritt des Versicherungsfalles gegenüber dem Versicherer zu erfüllen ist, kann der Versicherer den Vertrag innerhalb eines Monats, nachdem er von der Verletzung Kenntnis erlangt hat, ohne Einhaltung einer Frist kündigen, es sei denn, die Verletzung beruht nicht auf Vorsatz oder auf grober Fahrlässigkeit.

Also kann die Versicherung mir fristlos kündigen, wenn sie dies binnen Monatsfrist ab Kenntnis vom Versicherungsfall ( Unfall ) tut? Hat sie aber nicht, jedenfalls nicht fristgerecht. Und damit habe ich für den Zeitpunkt des Unfalles einen wirksamen Vertrag, für den ich auch die Prämie bezahlt habe. Dies würde ich als Rechtsgrund für die Zahlung der Versicherung an meinen Gegner ansehen.
Mein Vertrag schützt mich doch normalerweise vor derartigen Regressen. Es muss auch früher mal im VVG geregelt gewesen sein, dass erst die Kündigung durch die Versicherung den Regress eröffnet.
Noch abschießend vielleicht ein Link:
http://www.verkehrslexikon.de/StrVerkRecht/VR0129.php
Hier äußert das Verkehrslexikon gerade die Ansicht:
Was ist der Unterschied zwischen einer Obliegenheitsverletzung vor oder nach dem Versicherungsfall?

„Hier nun zeigt sich der Unterschied zwischen den beiden Arten der Obliegenheitsverletzung. Während bei der Obliegenheitsverletzung im bzw. nach dem Versicherungsfall die Leistungsfreiheit unmittelbar gegeben ist,
kann sich die Versicherung bei einer Obliegenheitsverletzung vor dem Versicherungsfall nur dann auf ihrer Leistungsfreiheit berufen, wenn sie den Vertrag binnen einer Frist von einem Monat nach Kenntniserlangung kündigt.

Durch das Verstreichenlassen dieser Kündigungsmöglichkeit lässt die Versicherung erkennen, dass durch die Gefahrerhöhung oder durch die Obliegenheitsverletzung das Vertrauensverhältnis zu ihrem Kunden noch nicht so weit gestört ist, dass sie keinen Versicherungsschutz mehr gewähren will.

Besteht für mich vielleicht doch noch Hoffnung? Bitte verzeihen Sie, dass ich nerve.

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 8. Januar 2014 | 15:08

Sehr geehrter Herr Fragesteller,
gerne gehe ich auf Ihre Ausführungen ein.

Sie sprechen § 28 Abs. 1 VVG an, der jedoch die Kündigung und nicht die Leistungsfreiheit regelt. Diese wird im zweiten Absatz geregelt. Wenn Sie sich den Absatz durchlesen, werden Sie merken, dass die Rechtsfolge von keiner Fristsetzung abhängig ist. Es ist auch nicht so, dass die Leistungsfreiheit von einer vorherigen Kündigung abhängig ist. Vielmehr hätte eine solche keinerlei Auswirkung auf die Frage, ob der Versicherer leisten muss. Kündigungen wirken, anders als Rücktritte, nämlich nur für die Zukunft.

Das von Ihnen genutzte Zitat aus „verkehrslexikon.de" sagt genau dies aus. Bei Ihnen handelt es sich um eine Verletzung der Vertragsobliegenheit im (!) Versicherungsfall. Dazu steht eindeutig geschrieben, dass „sich die Versicherung bei einer Obliegenheitsverletzung vor (!) dem Versicherungsfall nur dann auf ihrer Leistungsfreiheit berufen kann, wenn sie den Vertrag binnen einer Frist von einem Monat nach Kenntniserlangung kündigt". Anders als im früheren Recht hat das Kündigungsrecht außer für das Lösungsrecht keine Bedeutung für die weiteren Folgen der Obliegenheitsverletzung.

Darüber hinaus möchte ich Ihre Aufmerksamkeit auf § 81 VVG richten, wonach die vorsätzliche oder grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls ebenfalls zu einem Ausschluss bzw. Kürzung des Leistungsanspruchs führt. Die Voraussetzungen sind hierbei weitgehend deckungsgleich mit den obigen Ausführungen zu den Versicherungsbedingungen. Ihre Versicherung kann sich daher auch hilfsweise auf diese Norm stützen.

Letztlich bleibt es daher leider bei dem bereits beschriebenen Ergebnis. Ich muss Sie daher auf die genannten Lösungsansätze verweisen. Wie bereits gesagt, können Sie sich diesbezüglich gerne an mich wenden.

Ich hoffe, dass ich Ihnen darin weiterhelfen konnte, einen Überblick über die rechtliche Lage zu gewinnen und verbleibe mit freundlichen Grüßen,


A. Meyer

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