Pfändungsfreigrenzen werden nicht beachtet

12. August 2013 19:18 |
Preis: 40€ Historischer Preis
Hier finden Sie einen
Aktuellen Kostenvorschlag
|

Arbeitsrecht


Beantwortet von

Rechtsanwalt Sebastian Scharrer, LL.M., Dipl.-Jur.

Bis Mitte 2009 hat sich etwas Unterhaltsvorschuss für meine beiden Kinder angestaut, weil ich bis dahin zu wenig Einkommen hatte, um Unterhalt zu zahlen. Ab da habe ich Unterhalt in schwankender Höhe, wie ich es mir halt leisten konnte, an die Mutter (Ex-Frau) für die Kinder gezahlt. Die Forderungen sind vom Jugendamt auf die Unterhaltsvorschussstelle (ab jetzt U) des Bundeslandes übergegangen. Ich selber bin bei diesem Bundesland im öffentlichen Dienst angestellt und bekomme meine Bezüge von der Bezügestelle (ab jetzt B).

Mitte 2011 erreicht mich ein Schreiben von U, dass man bei B eine Aufrechnung der Forderungen mit meinen Bezügen beantragt. B schreibt mir, dass man mir einen Selbstbehalt von 950 Euro belassen würde. In allen Schreiben werden keinerlei Rechtsgrundlagen genannt. U erwähnt auch nur die Höhe der Forderung, sonst nichts.

Da ich bei etwa 1700 Euro netto 200 Euro monatlich abdrücken kann, einige ich mich mit U auf 200 Euro monatlich, die von da an von B monatlich von meinen Nettobezügen abgezogen und an U überwiesen wird.

Im Janur 2013 fällt mein Nettogehalt auf etwa 1000 Euro. Trotzdem werden 200 Euro abgezogen. Mit 800 Euro kann ich natürlich nicht mehr leben, geschweige denn Unterhalt zahlen. Weder meine nachweisebare telefonische Reklamation vom 01.02.2013 noch meine beiden Schreiben an U und B von Anfang März hat die beiden beeindruckt, man zieht mir weiterhin die 200 Euro ab. U hat den Eingang bestätigt, verlangt von mir aber Kontoauszüge als Zahlungsnachweis für den Unterhalt. Da ich bar zahle geht das nicht. B meldet sich überhaupt nicht, wenn ich anrufe werde ich mit "Das hat alles seine Richtigkeit!" und "Wir machen das jetzt erst mal so weiter!" abgespeist.

Im April fordere ich schriftlich von B eine Stellungnahme, nach welchen Rechtsgrundlagen man verfährt und fordere die Einstellung der illegalen Aufrechnung. Ich weise darauf hin, dass die zu hohe Aufrechnung von monatlich 200 Euro meine Unterhaltszahlung an die Kinder gefährdet. Ich weise weiterhin darauf hin, dass man § 850c und dabei zwei unterhaltspflichtige Personen berücksichtigen soll. Wie üblich: Keine Reaktion.

Mitte Juli wiederhole ich das. Keine Antwort.

In der Bezügeabrechnung für Juli werden mir bei einem Netto von 1440 sogar 234,56 Euro abgezogen, also noch mehr als sonst. Ich verlange daraufhin eine Berechnungsgrundlage und weise wiederholt auf die falsche Aufrechnung hin. Mein Hinweis auf § 850d Abs. 1 Satz 2 ZPO „Dem Schuldner ist jedoch so viel zu belassen, als er für seinen notwendigen Unterhalt und zur Erfüllung seiner laufenden gesetzlichen Unterhaltspflichten ... bedarf; ..." verhallt ebenfalls ungehört. Trotz Fristsetzung (heutiger Tag) erhalte ich keine Antwort.

Ganz egal was ich mache, B interessiert sich einen feuchten Dreck um meine Belange!

Es gibt nur einen Titel über die Höhe des Unterhalts, jedoch keinen Beschluss, der irgendwie auf §§ 828 - 863 ZPO abzielen würde. Lediglich B legt fest, was überwiesen wird. Auch U hat dahingehend keine Angaben gemacht, was zu beachten wäre. Bei einer anderen Forderung (Finanzamt) im Jahr 2010 hat B geschrieben, dass nichts pfändbar sei, obwohl ich damals auch schon 1500 Euro netto hatte. Damals hat man also meine beiden Kinder berücksichtigt.

Ich bin jetzt gewillt mit Hilfe eines Anwalts gerichtlich gegen B vorzugehen, weil das was B treibt für mich inakzeptabel ist. Vorher will ich lediglich noch wissen, ob ich mit meinen Schreiben irgendwas falsches gefordert oder geschrieben habe. Habe ich Fehler gemacht oder Unsinn gefordert, weshalb man mich am ausgestreckten Arm weiterhin verhungern lassen kann?

Sehr geehrter Fragesteller,

Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegeben Informationen verbindlich wie folgt beantworten:


Grundsätzlich sind Ihre Ausführungen richtig. Allerdings ist hier keine Pfändung gegeben. Vielmehr ist nur eine Aufrechnung geben. Ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wurde nach Ihrer Sachverhaltsschilderung nicht erlassen. Vielmehr ist hier nur eine Aufrechnung gegeben. Gemäß § 394 BGB ist eine Aufrechnung hinsichtlich des unpfändbaren Einkommens unwirksam. Somit haben Sie Anspruch auf Auszahlung Ihres gesamten unpfändbaren Einkommens.

Für eine erweiterte Pfändung nach § 850d ZPO bedarf es eines Pfändungs- und Überweisungsbeschluss. Gegen diesen Beschluss ist die Erinnerung statthaft. Sollte doch ein solcher Beschluss gegeben sein, so bitte ich Sie, mir dies mittels der Nachfragefunktion mitzuteilen.

Sollten Sie eine weitere Unterstützung von mir wünschen, können Sie mich gerne beauftragen.


Ich hoffe, meine Antwort hat Ihnen weitergeholfen. Diese Beantwortung Ihrer Frage kann nicht eine individuelle Beratung ersetzten. Selbstverständlich können Sie sich für weitere Fragen, Beratungen und Vertretungen an mich wenden.


Rückfrage vom Fragesteller 12. August 2013 | 21:06

Dass nicht gepfändet, sondern aufgerechnet wird, ist klar.

Muss mir der Arbeitgeber (als B), der in dem Fall eben auch Gläubiger ist (als U), mir einfach so glauben dass ich Unterhalt zahle, wäre er verpflichtet von mir einen Nachweis zu fordern oder müsste ich den Nachweis unaufgefordert vorlegen?

Und eine Frage, die Sie mit einem Wort beantworten können: Welcher Gerichtstyp wäre im Rahmen einer Klage zuständig? Amtsgericht weil normale Forderung, Arbeitsgericht weil gegen Arbeitgeber, Familiengericht weil Unterhaltssache, Verwaltungsgericht weil gegen Behörde oder ...?

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 12. August 2013 | 21:18

Die Aufrechnung ist nur soweit möglich, wie eine gewöhnliche Pfändung möglich wäre, § 850c ZPO . Es ist hierbei sinnvoll, Ihre Unterhaltspflichten gegenüber Ihrem Arbeitgeber anzugeben. Die Unterhaltspflicht können Sie z.B durch die Vorlage von Unterhaltstitel nachweisen. Hierbei sind Sie nachweispflichtig.

Die Frage nach dem zuständigen Gericht ist nicht einfach hier zu beantworten. In Betracht kommen das Arbeitsgericht und das Verwaltungsgericht. Ist Ihr Vertrag öffentlich-rechtlicher Natur, so ist das Verwaltungsgericht zuständig. Ist Ihr Vertrag zivilrechtlicher Natur, so ist das Arbeitsgericht zuständig. Haben Sie bei einem falschen Gericht die Klage erhoben, so verweist es das Verfahren an das zuständige Gericht, § 17a Abs. 2 GVG .

Hinsichtlich einer Beschwerde gegen ein Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses wäre das Amtsgericht als Vollstreckungsgericht ausschließlich zuständig.

Ich hoffe, dass ich alle Ihre Fragen zu Ihrer Zufriedenheit beantworten konnte.

Mit freundlichen Grüßen



Sebastian Scharrer, LL.M.

www.anwalt-für-insolvenzrecht-mainz.de

FRAGESTELLER 5. Oktober 2025 /5,0
Durchschnittliche Anwaltsbewertungen:
4,8 von 5 Sternen
(basierend auf 119006 Bewertungen)
Aktuelle Bewertungen
5,0/5,0
Vielen Dank für die ausführlichen Informationen. ...
FRAGESTELLER
5,0/5,0
Antwort war schnell und gut nachvollziehbar. Vielen Dank. ...
FRAGESTELLER
5,0/5,0
Vielen Dank, einer der Besten hier, wenn nicht sogar der Beste! Immer wieder gerne! ...
FRAGESTELLER