Eigenbedarf/Schadensersatz/Vergleich (nicht im Bezug zum Eigenbedarf) Mediation

30. Mai 2012 13:02 |
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Mietrecht, Wohnungseigentum


Beantwortet von

Rechtsanwalt Michael Kohberger

Hallo,
wir (meine Ehefrau und ich) haben ohne Erfolg auf Beseitigung des im Schlafzimmer (in dem sich meine Frau ca. 20 von 24 Stunden aufhält, sie ist schwer pflegebedürftig Pfl.-Stufe 3, Rollstuhl, 100 % mit sämtl. Merkmalen) befindlichen Schimmelbefalls gedrungen.

Nach entspr. Fristgebung (über Mieterbund) haben wir 20 % der der mtl. Warmmiete einbehalten (ein Gutachter hat auf unsere Kosten ein Gutachten gefertigt). Die hohe Emission von Aspergillus u. a. hat der Gutachter schriftlich bestätigt. Die hohe Gesundheitsgefährdung [schon bei gesunden Menschen] hat der Gutachter hierin ebenfalls bestätigt. Meine Frau hat u. a. schwerste chronische rheumatoide Polyarthritis und Osteoporose.
Der Bevollmächtigte des Vermieters (Schwager Herr Prinz) hat uns (mir und meiner Ehefrau) anlässlich einer von ihm durchgeführten Begehung der Wohnung mitgeteilt, dass er uns wegen "Eigenbedarf" kündigen würde, wenn wir weiter auf die Schimmel-Beseitigung bestehen und die Miete kürzen würden. Dies geschah dann auch am 01.10.2010 zum 30.06.2011. Dem Kündigungsschreiben lag ein ärztliches Attest der Ärztin unseres Vermieters bei, in dem sämtliche Diagnosen des Vermieters (u. a. Schlaganfall etc. aufgeführt waren).
Gegen diese Kündigung haben wir frist- und formgerecht Widerspruch eingereicht. Dieser Widerspruch wurde bis heute nicht zurückgenommen bzw. beschieden.
Gleichzeitig erhob der Vermieter Klage gegen uns wegen Mietrückständen (es handelte sich hier jedoch nicht um Mietrückstände, sondern um Mietreduzierung wegen Schimmelbefall [a.a.O.]).

Diese Klage vom 26.01.12011 war Gegenstand einer am 30.06.2011 stattgefundenen Mediation.

Hier wurde u. a. verhandelt:

 Mietminderung von 20 % bleibt bis zum Auszug bestehen
 Mietverhältnis endet spätestens am 31.12.2011, solange keine schweren Krankheiten der Beklagten entgegenstehen.
 Beklagte können das Mietverhältnis (Ein-Monats-Frist) auch früher beenden
 Die Beklagten verzichten auf den Räumungsrechtsschutz gem. § 721 ZPO
 Rechte gem. § 765a ZPO
 Umzugskostenbeitrag vom Kläger an Beklagte: 6000 Euro am Tage der Rückgabe der Wohnung
 Kosten gegenseitig

Inzwischen konnten wir eine barrierefreie Mietwohnung (Erstbezug) zum 13.01.2012 anmieten. Da ich (Rainer Lehr) kurzfristig (22.11.2011) eine schwere Herz-OP (3 Bypsässe), 1 Herzinfarkt, 1 Lungenembolie mit anschließender REHA durchmachen musste, konnte der Umzug auch nicht vorher stattfinden.

Bei Übergabe der bisherigen Wohnung am 31.01.2012 teilte mir der Bevollmächtigte des Vermieters (Herr Prinz, a.a.O.) so nebenbei unter Zeugen mit, dass er bereits sehr nette Nachmieter für unsere Wohnung gefunden hätte, kein Wort des Eigenbedarfes mehr.
Am 25.02.2012 ist in der hiesigen Tageszeitung unsere bisherige Wohnung in der Rubrik "Vermietungen - 4-Zimmer-Wohnung" angeboten worden. Am 01.05.2012 bezog ein junges Paar diese Wohnung (definitiv kein Eigenbedarf!!!, wo lebt jetzt der Vermieter? Weiterhin in seinem Haus?).

Ich bitte um Mitteilung, welche rechtlichen Möglichkeiten in diesem Fall für uns bestehen, da uns erhebliche Mehrkosten wg. Umzug und behindertengerechten Um- und Ausbau entstanden sind.
Der Vergleich bezog sich lediglich auf die Mietminderung etc., jedoch wurde die Eigenbedarfskündigung und deren Widerspruch m. E. hierdurch nicht berührt.
Eine Räumungsklage hat auch nicht stattgefunden.

Vielen Dank für rasche Antwort

Sehr geehrte(r) Fragesteller(in),

vielen Dank für die Anfrage via frag-einen-anwalt.

Vorweg möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, dass dieses Forum dafür angedacht ist, einen ersten Eindruck zu der Rechtslage zu vermitteln.

Durch Weglassen oder Hinzufügen von wesentlichen Tatsachen kann die Beurteilung Ihres Anliegens völlig anders ausfallen.

Auf Grundlage Ihrer Angaben beantworte ich die Frage weiter wie folgt:

1)

Ein in einem Zivilprozess begangener (versuchter) Betrug, bei dem der Täter durch eine erschlichene gerichtliche Maßnahme sich oder einen anderen rechtswidrig auf Kosten der anderen Partei bereichern will, z.B. durch bewusst wahrheitswidriges Parteivorbringen, ist nach § 263 StGB als "Prozessbetrug" strafbar.

Zunächst bleibt es Ihnen also unbenommen, gegen den Vermieter gemäß § 158 StPO Strafantrag wegen dem Verdacht des Prozessbetruges zu stellen.

2)

Der Vermieter würde sich jedoch bei einer anstehenden Vernehmung durch die Polizei voraussichtlich damit herausreden, dass er zum Zeitpunkt des Mediation / Vergleichsabschlusses Eigenbedarf gehabt hat.

Im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens /Strafverfahrens wird die Staatsanwaltschaft Ihnen entstandene Vermögensnachteile nicht einfordern.

Hierfür müssten Sie unter Umständen erneut den Zivilrechtsweg beschreiten.

3)

Gemäß § 123 Abs. 1 BGB kann derjenige, der durch arglistige Täuschung zur Abgabe einer Willenserklärung bestimmt worden ist, die Willenserklärung mit der Nichtigkeitsfolge des § 142 Abs. 1 BGB anfechten.

Fraglich ist also, ob Sie den Vergleich mit der Begründung anfechten können, dass Sie während der Vergleichsverhandlungen arglistig getäuscht wurden.


" Darf der Mieter das Räumungsverlangen des Vermieters materiell für berechtigt halten, wird sein Schadensersatzanspruch nicht dadurch ausgeschlossen, dass er - in der Vorstellung, zur Räumung des Mietobjekts verpflichtet zu sein - sich mit dem Vermieter auf eine einvernehmliche Beendigung des Mietverhältnisses einigt."

So: BGH, Urteil vom 8. 4. 2009 - VIII ZR 231/07


Die erfolgreiche Anfechtung des Vergleiches hätte wohl zur Folge, dass das Verfahren vor dem Gericht fortgesetzt würde.

Eine Anfechtung des Vergleiches kommt also durchaus in Betracht.

Da seinerzeit eine pauschale Abgeltung Ihrer Umzugskosten in den Vergleich mit aufgenommen wurde stellt sich damit auch die Frage, in welcher Höhe mit dem Umzug Kosten angefallen sind und ob diese bei Wiederaufnahme des Verfahrens letztlich auch durchsetzbar wären.

Es kommen Schadensersatzansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB in Betracht.

Wie gesagt müssten Sie jedoch beweisen, dass Sie getäuscht wurden.

Bedenken Sie bitte, dass ich Ihnen hier im Rahmen einer Erstberatung ohne Kenntnis aller Umstände keinen abschließenden Rat geben kann.

Bei Unklarheiten benutzen Sie bitte die kostenfreie Nachfragefunktion.

Ich hoffe, Ihnen eine erste hilfreiche Orientierung ermöglicht zu haben.

Mit freundlichen Grüßen

Rückfrage vom Fragesteller 1. Juni 2012 | 08:58

Bei Übergabe der Wohnung hat der Bevollmächtigte unseres Vermieters mir noch zugerufen: "Wir haben sehr nette Mieter als Nachfolge für Sie gefunden.!"
Wie ist dies zu be- bzw. verwerten?

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 1. Juni 2012 | 09:47

Sehr geehrte(r) Fragesteller(in),

vielen Dank für die Nachfrage, die ich wie folgt beantworte:

Der Zuruf bei Wohnungsübergabe war eine üble Provokation. Hinsichtlich der Frage, ob der Vermieter in betrügerischer Absicht gehandelt hat, ist weniger der Zeitpunkt der Wohnungsübergabe als vielmehr der Zeitpunkt der Vergleichsverhandlungen maßgebend.

Alles in allem spricht auch die Provokation bei Wohnungsübergabe als Indiz dafür, dass Sie vom Vermieter arglistig getäuscht wurden.

Ich verweise diesbezüglich insbesondere nochmals auf die zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofes:


" Darf der Mieter das Räumungsverlangen des Vermieters materiell für berechtigt halten, wird sein Schadensersatzanspruch nicht dadurch ausgeschlossen, dass er - in der Vorstellung, zur Räumung des Mietobjekts verpflichtet zu sein - sich mit dem Vermieter auf eine einvernehmliche Beendigung des Mietverhältnisses einigt."

So: BGH, Urteil vom 8. 4. 2009 - VIII ZR 231/07

Mit freundlichen Grüßen

Michael Kohberger
Rechtsanwalt

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