Sehr geehrter Fragesteller:
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Ich möchte anhand des geschilderten Sachverhaltes im Rahmen einer Erstberatung wie folgt beantworten:
1) Ist obige Ausführung grob korrekt?
Ja.
2) Ist es trotz Besitz einer Niederlassungserlaubnis möglich, den Ausländer aufgrund von finanziellen Verhältnissen, wie das Nicht-Bestreiten des Lebensunterhaltes, auszuweisen?
Ja, wenn Bezug von Sozialhilfe erfolgt. Die Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld II wird nicht erfasst (§ 55 Abs. 2 Nr. 6 AufenthG
). Nach § 56 AufenthG
genieß allerdings der Inhaber einer NE nach 5 Jahren Aufenthalt in der BRD besonderen Ausweisungsschutzes.
3) Ist obige Erkenntnis so grob korrekt?
Ja, aber: die 1-Jahr-Verlängerung geht nur, wenn 2 (nunmehr ab 01.0.2011 3) Jahre seit Zusammenleben in BRD mit Aufenthaltserlaubnis vergangen sind. Eine Scheidung kann in Ausnahmefällen früher erfolgen.
Entscheiden ist nicht das Scheidungsurteil, sondern die Trennung.
4) Soweit ich sehe, ist Aufenthaltsgesetz § 31, Absatz 2 hier zu untersuchen. Ist aufgrund der Tatsache, dass die Frau bei Rückkehr in ihr Heimatland, mit 2 minderjährigen Kindern und ohne Job, ein Härtefall gegeben, so dass es nicht zur Ausweisung kommt? Dies wird wahrscheinlich Ermessenssache der Ausländerbehörde sein? Welche Faktoren wird die Ausländerbehörde untersuchen? Spielen die folgenden Faktoren eine Rolle?
Integrationsgrad der minderjährigen Kinder in Deutschland: Schulbesuch, Noten, Deutschkenntnisse und Umfeld
Möglichkeit der Frau, für die Kinder im Heimatland zu sorgen
Beabsichtigter oder tatsächlicher Bezug von Sozialleistungen für den Lebensunterhalt
Finanzielle Situation des Ex-Mannes
Verpflichtungserklärung für den Unterhalt der Kinder seitens Personen außerhalb der Familie
Die besondere Härte ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Bei der Darlegung einer besonderen Härte hat die Behörde sprachlichen, kulturell bedingten oder psychischen Problemen des betroffenen Ehegatten Rechnung zu tragen. Sie ist dann zu bejahen, wenn der Ehegatte durch die Rückkehr ins Herkunftsland **ungleich härter getroffen wird als andere Ausländer, die nach kurzen Aufenthaltszeiten Deutschland verlassen müssen**. § 31 Abs. 2 definiert den Härtebegriff insoweit nicht abschließend ("... insbesondere ..."), stellt aber Auslegungskriterien zur Verfügung (Müller in Hofmann/Hofmann AufenthG § 28
, Rn. 18).
Nachteile, die nicht wegen der Auflösung der Ehe, sondern wegen der im Herkunftsstaat vorherrschenden allgemeinen politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse drohen, nicht zur Begründung einer besonderen Härte herangezogen werden können.
Als Beispiele besonderer Härte seien genannt:
Eine zu erwartende Verschlechterung der geistigen und körperlichen Entwicklung des Kindes, das mit dem betroffenen Ehegatten in familiärer Lebensgemeinschaft lebt, insbesondere weil das Kind aufgrund einer Behinderung auf die Beibehaltung seines spezifischen sozialen Umfeldes angewiesen ist;
Eigenarten des Rechts- und Kulturkreises im Herkunftsstaat, die zu einer erheblichen rechtlichen oder gesellschaftlichen Diskriminierung des betroffenen Ehegatten wegen der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft führen können.
Als gefährdete schutzwürdige Belange kommen auch in Betracht: Erziehungsverantwortung gegenüber einem Kind; Sorge für ein eigenes Kind, wenn der Verlegung des gemeinsamen Wohnsitzes ins Ausland tatsächl u. rechtl Hindernisse entgegenstehen; Verschlechterung der Erziehungssituation oder des Gesundheitszustands eines Kindes, insb. eines behinderten Kindes; Nachteile für die Betreuung eines behinderten Kindes, das auf die Beibehaltung eines bestimmten sozialen Umfelds existentiell angewiesen ist.
In der Regel lassen sich nach nur 2 Jahren solche Aspekte nicht begründen. Insoweit halte ich für nicht ausreichend, wenn das Kind gute Leistungen in D. vorweisen kann. Dass eine Ausreise Beeinträchtigungen mit sich bringt, kann von jedem Kind in einer solchen Situation gesagt werden, damit scheidet in der Regel die Argumentation von vorneherein, sodass nicht auf die schulische Leistungen ankommt. Die andere von Ihnen genannten Gründen sind m.E. auch nicht einschlägig. Die Erfordernisse sind hoch bemessen.
Sollte allerdings die Kinder die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, kann einen Titel nach § 28 Abs. 1 Nr. AufenthG
erlangt werden, wenn die Mutter die Personensorge ausüben muss.
Ich hoffe, Ihnen eine erste rechtliche Orientierung gegeben zu haben.
Mit freundlichen Grüßen.
Antwort
vonRechtsanwalt Ernesto Grueneberg, LL.M.
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Rechtsanwalt Ernesto Grueneberg, LL.M.
Fachanwalt für Migrationsrecht
Vielen Dank für die rasche Antwort. Ich hätte da nur noch kleine Nachfragen:
Zu 2)
Wenn die Frau die Niederlassungserlaubnis für sich und die Kinder hat, dann ist der Bezug von Arbeitslosengeld II (Hartz 4) und Kindergeld unproblematisch bezüglich eines Ausweisungsgrundes, korrekt?
Zu 3)
Leben die Eheleute vor Ablauf von 2 Jahren getrennt, so kann die Frau ab Trennung ausgewiesen werden, korrekt?
Leben die Eheleute mehr als 2 Jahre zusammen, so erhält die Frau mit der Trennung eine Aufenthaltserlaubnis von 1 Jahr, korrekt?
Die 2 Jahresfrist wurde auf 3 Jahre angehoben, wodurch sie mit der Frist für den Erhalt der Niederlassungserlaubnis übereinstimmt. Gilt diese Änderung für Ehen, die seit der Änderung geschlossen werden oder auch rückwirkend. Bitte noch einmal das Datum angeben, es fehlt eine Ziffer im Monat.
Vielen Dank, Herr Grüneberg, Sie helfen mir sehr.
Zu 2: Korrekt
Zu 3: Leben die Eheleute vor Ablauf von 2 Jahren getrennt, so kann die Frau ab Trennung ausgewiesen werden, korrekt?
Nicht ausgewiesen, sondern der Aufenthaltserlaubnis wird nach Kenntnis durch die Behörde befristet.
Leben die Eheleute mehr als 2 Jahre zusammen, so erhält die Frau mit der Trennung eine Aufenthaltserlaubnis von 1 Jahr, korrekt?
Ja, vorausgesetzt, es liegen keine Ausweisungsgrunde.
Die 2 Jahresfrist wurde auf 3 Jahre angehoben, wodurch sie mit der Frist für den Erhalt der Niederlassungserlaubnis übereinstimmt. Gilt diese Änderung für Ehen, die seit der Änderung geschlossen werden oder auch rückwirkend. Bitte noch einmal das Datum angeben, es fehlt eine Ziffer im Monat.
Ab. 01.07.2011. Da bitte ich um Nachsicht, die Antwort ist eine erste Einschätzung. Diese Änderung sollte alle Ehen betreffen, denn es wurde nur eine Übergangsregelung getroffen, die nicht für das Thema relevant ist ("Die Aufhebung einer vor dem 1. Juli 2011 geschlossenen Ehe ist ausgeschlossen, wenn die Ehe nach dem bis dahin geltenden Recht zu diesem Zeitpunkt nicht mehr hätte aufgehoben werden können."). Im Umkehrschluss sollte dies bedeuten, dass die Änderung für alle Fälle sofort anwendbar sind.
Mir freundlichen Grüßen