Unterhaltsvorschuss bei unechtem Wechselmodell?

| 30. Juni 2011 08:49 |
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Familienrecht


Beantwortet von

Rechtsanwalt Michael J. Zuern

Guten Morgen,

mein Mann und ich leben dauernd getrennt. Unsere beiden Kinder (7 und 9) wohnen 4 Tage pro Woche bei mir und 3 Tage pro Woche bei meinem Mann (abwechselnd eine Woche Di, Do, Fr, Sa bei mir und in der anderen Woche Di, Do, Sa, So bei mir und so weiter). Mein Mann müsste ja nun eigentlich Kindesunterhalt zahlen, aber er ist nicht leistungsfähig, da sein Einkommen zu gering ist. Daher möchte ich beim Jugendamt Unterhaltsvorschuss beantragen.

Fragen:
1. Habe ich Anspruch auf Unterhaltsvorschuss obwohl die Kinder nicht ausschließlich bei mir leben?

2. Wenn ich momentan keinen Anspruch hätte, wieviele Tage pro Woche oder Monat könnten die Kinder bei meinem Mann wohnen, ohne den Anspruch auf Unterhaltsvorschuss zu verlieren?

3. Müssen beide Kinder bei mir gemeldet sein um Anspruch auf Unterhaltsvorschuss zu haben?

4. Wenn meine Mann später wieder leistungsfähig sein sollte, muss er dann den gewährten Unterhaltsvorschuss zurückzahlen?

5. Wenn mein Mann später wieder leistungsfähig sein sollte, so dass er zumindest teilweise den Kindesunterhalt zahlen würde, fällt denn der Unterhaltsvorschuss komplett weg oder wird er nur reduziert?

6. Muss Kindesunterhalt beim Jugendamt tituliert werden, um Anspruch auf Unterhaltsvorschuss zu haben?

Vielen Dank im Voraus

Sehr geehrter Fragesteller,

gerne beantworte ich Ihre Fragen aufgrund des dargelegten Sachverhalts wie folgt:

1. Habe ich Anspruch auf Unterhaltsvorschuss obwohl die Kinder nicht ausschließlich bei mir leben?

Ein Anspruch auf Unterhaltsvorschuss besteht dann, wenn der barunterhaltspflichtige Elternteil seine Zahlung nicht vollständig oder gar nicht leisten kann, das Kind also nicht oder nicht regelmäßig Unterhalt von dem anderen Elternteil bekommt.

Der BGH hat in einem Fall, in dem der Vater die Kinder zu 36% betreut hat, den vollen Barunterhalt zugesprochen mit der Begründung, eine Ausnahme von § 1606 BGB könne nur gemacht werden, wenn tatsächlich beide Elternteile gleiche Betreuungsanteile hätten (Az. XII ZR 161/04 ).

Für die Entscheidung, welcher Elternteil die Hauptverantwortung trägt, kommt es zwar auf mehrere Gesichtspunkte an, die zeitliche Komponente, d.h. wie lange ein Kind von ihm betreut wird, ist jedoch ein maßgebliches Indiz. In der Praxis muss hier jedoch jeder Einzelfall gesondert geprüft werden.

Maßgeblich ist danach, wer die Hauptverantwortung trägt.

In Ihrem Fall hat der Vater bei 3 Tagen (falls das konsequent durchgeführt würde) nur 43% Anteil und damit keinen hälftigen Anteil. Damit wäre er barunterhaltspflichtig und bei entsprechender Leistungsunfähigkeit würde Unterhaltsvorschuss gezahlt werden.

Anders bei einem echten Wechselmodell, z.B. 4 Tage bei Ihnen, die nächste Woche nur 3 Tage.



2. Wenn ich momentan keinen Anspruch hätte, wieviele Tage pro Woche oder Monat könnten die Kinder bei meinem Mann wohnen, ohne den Anspruch auf Unterhaltsvorschuss zu verlieren?

Unterhaltsvorschuss wird auch dann gewährt, wenn der barunterhaltspflichtige Elternteil nur geringere Zahlungen als die Unterhaltsvorschuss Leistungen erbringen kann (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 UVG).

Voraussetzung ist eben nur die Barunterhaltspflicht des anderen Elternteils.


3. Müssen beide Kinder bei mir gemeldet sein um Anspruch auf Unterhaltsvorschuss zu haben?

Voraussetzung ist nur, dass die Kinder bei einem alleinerziehenden Elternteil leben. Der Nachweis kann auch anders als durch die Anmeldung beim Einwohnermeldeamt erfolgen.


4. Wenn meine Mann später wieder leistungsfähig sein sollte, muss er dann den gewährten Unterhaltsvorschuss zurückzahlen?
Ja, das muss er.


5. Wenn mein Mann später wieder leistungsfähig sein sollte, so dass er zumindest teilweise den Kindesunterhalt zahlen würde, fällt denn der Unterhaltsvorschuss komplett weg oder wird er nur reduziert?

Dann tritt eine Reduzierung ein.


6. Muss Kindesunterhalt beim Jugendamt tituliert werden, um Anspruch auf Unterhaltsvorschuss zu haben?

Nein, aber das Amt hat dann verjährungsrechtliche Probleme (Titel gilt 30 Jahre, ansonsten tritt Verjährung nach 3 Jahren ein), sodass es einen solchen aus praktischen Gründen verlangen wird.


Ihnen kann ich nur raten, den gesamten Vorgang durch einen Rechtsanwalt Ihrer Wahl prüfen zu lassen. Selbstverständlich stehe ich Ihnen dazu zur Verfügung, wobei die von Ihnen hier gezahlte Erstberatungsgebühr angerechnet würde.

Einen ersten Überblick über die bestehende Rechtslage hoffe ich gegeben und Ihnen damit weitergeholfen zu haben. Über eine positive Bewertung würde ich mich in jedem Fall freuen.

Sofern Sie weitere Hilfestellung benötigen, können Sie sich gerne an mich wenden.

Mit freundlichem Gruß

Michael J. Zürn
Rechtsanwalt

Rückfrage vom Fragesteller 30. Juni 2011 | 10:46

Sehr geehrter Herr Zürn,

herzlichen Dank für die rasche Antwort. Ich habe noch folgende Nachfrage:

zu 1.
Das Jugendamt sagte mir kürzlich, dass bei einer Betreuungsverteilung von 4 zu 3 Tagen der Lebensmittelpunkt der Kinder nicht eindeutig bei mir liegt und daher kein Anspruch besteht. Dies widerspricht nach meinem Verständnis Ihren Erklärungen. Wie könnte ich weiter vorgehen um eventuell doch noch Unterhaltvorschuss zu bekommen? Zumal ich ja auch alle Kosten der Kinder trage.

zu 3.
Wenn in Zukunft ein Kind bei mir und ein Kind beim Vater gemeldet wäre (damit bei jedem 1 Kind für die Nebenkostenberechnung gezählt wird), könnte ich dann trotzdem Unterhaltsvorschuss für beide Kinder bekommen?

zu 4.
Das Jugendamt sagte mir am Telefon, dass der Vater nicht zurückzahlen muss, wenn er nicht leistungsfähig ist. Für mich ist es nun unklar welche Aussage nun tatsächlich stimmt oder ob es im Ermessen des Jugendamtes liegt wie das gehandhabt wird.

Mit freundlichen Grüßen

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 30. Juni 2011 | 12:17

Sehr geehrter Fragesteller,

besten Dank für Ihre Nachfrage, die ich wie folgt beantworte:

zu 1.
Das Jugendamt sagte mir kürzlich, dass bei einer Betreuungsverteilung von 4 zu 3 Tagen der Lebensmittelpunkt der Kinder nicht eindeutig bei mir liegt und daher kein Anspruch besteht. Dies widerspricht nach meinem Verständnis Ihren Erklärungen. Wie könnte ich weiter vorgehen um eventuell doch noch Unterhaltvorschuss zu bekommen? Zumal ich ja auch alle Kosten der Kinder trage.

Massgeblich ist, wer die Hauptverantwortung hat. Für ein Verhältnis von 36 zu 64% hat der BGH die Hauptverantwortung nicht als geteilt gesehen. IIhr Fall (43% zu 57%) ist höchstrichterlich noch nicht entschieden, daher ist eine Vohersage nur schwer möglich. Wenn die Kinder aber in den Ferien z.B. mehr bei Ihnen wären, würde man kaum von hälftiger Hauptverantwortung ausgehen.

Letztlich ist das eine Frage der genauen Umstände, die mir nicht bekannt sind.


zu 3.
Wenn in Zukunft ein Kind bei mir und ein Kind beim Vater gemeldet wäre (damit bei jedem 1 Kind für die Nebenkostenberechnung gezählt wird), könnte ich dann trotzdem Unterhaltsvorschuss für beide Kinder bekommen?

Das ist dann kein Wechselmodell, sondern das Modell der "aufgeteilten" Kinder. Dabei liegt kein Ausbleiben von Unterhaltsleistungen vor, weil davon auszugehen sei, dass der sorgeberechtigte Elternteil ohnehin bereit war und ist, den bei ihm lebenden Kindern den vollen Unterhalt zu gewähren.

Ist ein Elternteil aber leistungsunfähig, dann hat das bei ihm lebende Kind einen Barunterhaltsanspruch gegen den anderen Elternteil. Das bei dem anderen Elternteil lebende Kind hat dann einen Anspruch auf Unterhaltsvorschuss. Sind beide Elternteile leistungsunfähig, haben alle Kinder Anspruch auf Unterhaltsvorschuss Leistungen (Unterhaltsvorschussrichtlinien Rn. 1.5.2.)

zu 4.
Das Jugendamt sagte mir am Telefon, dass der Vater nicht zurückzahlen muss, wenn er nicht leistungsfähig ist. Für mich ist es nun unklar welche Aussage nun tatsächlich stimmt oder ob es im Ermessen des Jugendamtes liegt wie das gehandhabt wird.

Die Aussage des Jugendamts ist natürlich richtig. Solange der Vater nicht leistungsfähig ist, kann er nicht zurückzahlen. Wird er leistungsfähig, muss er zahlen.


Ich hoffe, ich habe damit Ihre Nachfrage beantworten können und würde mich über eine gute Bewertung freuen, andernfalls müssten Sie sich einfach nochmals melden.

Mit freundlichem Gruß

Michael J. Zürn
Rechtsanwalt

Bewertung des Fragestellers 1. Juli 2011 | 06:49

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