Sehr geehrte Ratsuchende,
vielen Dank für Ihre Anfrage!
Nachfolgend möchte ich gerne unter Berücksichtigung Ihrer Sachverhaltsschilderung sowie Ihres Einsatzes Ihre Frage wie folgt beantworten:
Für Verträge über die Stromversorgung von Haushalten gilt die Strom-Grundversorgungs-Verordnung (StromGVV), die mit zum Inhalt des Vertrages wird.
1. Für das Zutrittsrecht des Stromversorgers besagt § 9 StromGVV, dass der Versorger zum Zwecke der Ablesung des Stromzählers einen Anspruch hat, Zugang zum Zähler zu verlangen.
Über ein Zutrittsrecht zu dem Zweck, den Strom abzuschalten, sagt die StromGVV explizit nichts aus.
Jedoch sind in § 19 StromGVV die Voraussetzungen geregelt, unter denen der Versorger die Stromlieferung zu unterbrechen berechtigt ist. Dabei ist davon auszugehen, dass der Versorger auch alle Maßnahmen ergreifen darf, die zur Unterbrechung erforderlich sind, d.h. auch Ihr Grundstück betreten.
Zwar haben Sie als Eigentümer des Grundstückes und Hauses ein umfassendes Abwehrrecht aus § 903 BGB
, das auch dazu berechtigt, ein Betretungs- und Hausverbot auszusprechen. Das Versorgungsunternehmen ist jedoch Inhaber eines zivilrechtlichen Zahlungsanspruches und „Eigentümer" des Stromes, so dass er sich auf einen Rechtfertigungsgrund berufen kann, wenn er den Strom an Ihrem Haus abstellt.
Mit einem Hausverbot lässt sich die Stromsperre daher nicht abwenden.
2. Maßgeblich ist vielmehr, ob die Voraussetzung für die Versorgungsunterbrechung gemäß § 19 StromGVV vorliegen.
Nach § 19 Abs. 2 StromGVV ist die Unterbrechung der Versorgung (Stromsperre) im Falle von Zahlungsrückständen trotz Mahnung dann möglich, wenn diese vier Wochen vorher angedroht wurde.
Damit lässt sich bereits festhalten, dass das Schreiben vom 18.11. (Donnerstag) mit Fristsetzung bis zum 02.12. keine wirksame Fristsetzung ist, und die Sperre frühestens an Donnerstag, dem 16.12. verhängt werden kann.
Die Sperre ist aber unzulässig, wenn deren Folgen außer Verhältnis zur Schwere der Zuwiderhandlung stehen. Die stets auftretenden Nachteile, keine Stromversorgung zu haben, sind damit nicht gemeint, sondern darüber hinausgehende Nachteile. Etwa, wenn Strom benötigt wird um spezielle Nahrung für Babys, ältere oder kranke Menschen herzustellen. Wenn bei der winterlichen Jahreszeit Räume nur mit Hilfe eines zusätzlichen Heizwärmers beheizt werden können, wäre auch dies ein Argument.
Auf der anderen Seite stehen jedoch Zahlungsrückstände von insgesamt 1700 €. Zwar können Sie zu diesem Punkt darauf hinweisen, dass der Versorger mit seiner nicht kommunizierten Ablehnung eines Anbieterwechsels zur Verwirrung mit beigetragen hat. Der Versorger wird Sie jedoch dann fragen können, an wen Sie in dieser Phase Abschlagszahlungen geleistet haben. Wenn Sie an niemanden Abschlagszahlungen geleistet haben, dann kann ein ursächlicher Zusammenhang zwischen fehlender Information des Versorgers zum Anbieterwechsel und Zahlungsrückstand nur schwer dargestellt werden und die schlechte Informationspolitik des Versorgers wiegt als Argument nicht sehr schwer.
Um die Stromsperre abzuwenden können Sie gemäß § 19 Abs. 2 StromGVV auch glaubhaft machen, den Zahlungsrückstand kurzfristig auszugleichen, etwa mittels einer Bürgschaft oder ggf. mittels eines Kredites (siehe AG München, Urteil vom 19.09.2007,
Aktenzeichen: 242 C 4590/07
).
3. Ob der Versorger seinerseits Ihrer Aufforderung, alle Vertragsunterlagen zu übersenden, fristgerecht nachkommt, steht mit dem Recht zur Versorgungsunterbrechung in keinem gegenseitigen Zusammenhang.
4. Ich würde Ihnen daher zusammenfassend empfehlen, das Versorgungsunternehmen auf die gesetzliche 4-Wochen-Frist für die Sperrung hinzuweisen. Überlegen Sie dann, ob Sie mit der Bank, Freunden oder Familie einen Großteil der offenen Summe aufbringen können. Ist die Rest-Zahlung innerhalb eines überschaubaren Zeitraumes möglich, muss der Versorger dies nach § 19 Abs. 2 StromGVV akzeptieren – er ist nicht frei darin, eine Zahlungsvereinbarung anzunehmen, maßgeblich ist, dass „hinreichende Aussicht besteht, dass der Kunde seinen Verpflichtungen nachkommt" (§ 19 Abs. 2 StromGVV).
Wenn besondere Gründe vorliegen, die die Stromsperre als unverhältnismäßigen Nachteil erscheinen lassen, können Sie dies natürlich auch vorbringen - ob solche vorliegen, kann von hieraus nicht beurteilt werden. Bedenken Sie dabei aber, dass bei Rückständen in der Größenordnung von 1700,- € gute Argumente nötig erscheinen.
Weitere Möglichkeiten, die Stromsperre komplett abzuwenden, sind leider nicht ersichtlich.
Ich hoffe Ihnen eine erste rechtliche Orientierung ermöglicht zu haben und wünsche Ihnen viel Erfolg und alles Gute!
Ich möchte Sie gerne noch abschließend auf Folgendes hinweisen:
Die von mir erteilte rechtliche Auskunft basiert ausschließlich auf den von Ihnen zur Verfügung gestellten Sachverhaltsangaben. Bei meiner Antwort handelt es sich lediglich um eine erste rechtliche Einschätzung des Sachverhaltes, die eine vollumfängliche Begutachtung des Sachverhalts nicht ersetzen kann.
Ich hoffe, dass Ihnen meine Ausführungen geholfen haben. Sie können mich natürlich gerne über die Nachfrageoption mit mir Verbindung aufnehmen, wenn noch Unklarheiten bestehen.
Mit freundlichen Grüßen
Ingo Driftmeyer
Rechtsanwalt
Hallo, Hr. Driftmeyer
Wann ist es sinnvoll, ein absolutes Hausverbot zu erteilen? Kann ich dieses schon im Vorfeld tun per Fax? Schriftlich geht es auf jeden Fall noch raus an den örtlichen Energieversorger.
Bis jetzt konnte noch keine Einigung erzielt werden, den Hinweis auf die nicht korrekte Einhaltung der Ankündigungsfrist habe ich schon abgeschickt.
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Herr Fragesteller,
ein Hausverbot allein ist leider nicht geeignet, den Versorger an der Sperre zu hindern.
Ich möchte Sie insoweit auf Punkt 1 meiner Antwort verweisen, wo ich dies im Einzelnen ausgeführt habe.
Gleichzeitig auf dem Verhandlungsweg eine Lösung zu suchen und weitere Hausverbote zu erteilen, fördert auch nicht die Handlungsbereitschaft der anderen Seite.
Besteht der Versorger trotz Hinweises auf die 4-Wochen-Frist auf Stromsperre, kontaktieren Sie ggf. kurzfristig einen Anwalt vor Ort zum Erlass einer einstweiligen Verfügung, die zur Wahrung der genannten Frist dienen kann.
Er muss diese auf jeden Fall drei Werktage vorher ankündigen, § 19 Abs. 3 StromGVV, so dass Ihnen jedenfalls etwas Reaktionszeit für einen Anwaltsbesuch verbleibt.
Ich hoffe, ich konnte Ihre Nachfrage hiermit beantworten.
Mit freundlichen Grüßen
Ingo Driftmeyer
Rechtsanwalt
Ich habe vergessen, Absätze einzufügen und kann dies nachträglich leider nicht mehr - liest sich jetzt wahrscheinlich etwas zäh.