Defektes Musikinstrument gekauft

| 15. November 2010 22:44 |
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Kaufrecht


Beantwortet von

Rechtsanwalt Felix M. Safadi


Sehr geehrte Frau Anwältin,
sehr geehrter Herr Anwalt,

ich habe eine Frage zum Thema Rückgaberecht bei technischen Mängeln.

Eine bekannte Musiklehrerin hat in einem Fachhandel ein Instrument gekauft. Sie hat im Ladengeschäft verschiedene Hersteller ausprobiert und sich für eines entschieden. Danach hat sie das Instrument geliefert bekommen, der Kaufpreis von 6000 Euro wurde per Lastschrift eingezogen.

Nach der Lieferung, also zuhause, hat sich herausgestellt, dass das es fehlerhaft ist. Es gibt Fehler in der Tonhöhe, einzelne Töne haben eine etwas abweichende Lautstärke, hinzu kommen Nebengeräusche.

Auf diese Mängel angesprochen hat das Fachgeschäft angeboten, die Fehler reparieren zu lassen. Nun hat aber meine Bekannte zu diesem Instrument das Vertrauen verloren. Wenn es gleich nach dem Kauf derart viele Fehler aufweist, ist das Risiko sehr hoch, immer wieder Ärger zu bekommen. Ausserdem kann man in dieser Preisklasse ein fehlerfreies Produkt erwarten.

In einem zweiten, etwas unglücklich emotional verlaufenen Telefonat hat es das Fachgeschäft abgelehnt, das Instrument zurückzunehmen: auf die Bitte, den Kaufpreis zurückzuerstatten, meinte der Verkäufer: Es geht Ihnen also darum, das Instrument zurückzugeben, es geht also nicht um die Mängel. Dann muss ich es ja auch nicht abholen lassen.

Wir haben nun folgende Fragen:

1. Gibt es eine Möglichkeit für meine Bekannte, das Instrument zurückzugeben und den Kaufpreis erstattet zu bekommen, also vom vertag zurückzutreten?

2. Welche gesetzlichen Ansprüche der Mängelbehebung hat sie?

3. Wie ist die Rechtslage, wenn das Fachgeschäft das Instrument reparieren lässt, meine Bekannte aber immer noch Fehler hört?

4. Welches Risiko entsteht, wenn sie den Lastschrifteinzug rückgängig macht und das Instrument einfach originalverpackt zurückschickt?

Herzlichen Dank!

Sehr geehrter Ratsuchender,

gerne nehme ich zu Ihrer Anfrage unter Berücksichtigung Ihrer Angaben und Ihres Einsatzes wie folgt Stellung:

Zu 1. und 2.:

Ich unterstelle zunächst, dass die Auslieferung des Musikinstruments nicht länger als 6 Monate her ist (wenn nicht, bitte richtigstellen). Zeigt sich innerhalb eines halben Jahres nach Übergabe der Sache ein Mangel, greift beim Verbrauchsgüterkauf (Verkäufer = Unternehmer, Käufer = Verbraucher) die sog. Beweislastumkehr des § 476 BGB , also die Vermutung zu Gunsten des Käufers, dass ihm die Sache bereits mangelhaft übergeben wurde.

Weiterhin unterstelle ich, dass auch ein Mangel vorliegt.

Ein Sachmangel im Sinne von § 434 BGB liegt vor, wenn die Beschaffenheit der Sache für den Käufer nachteilhaft von dem abweicht, was kaufvertraglich vereinbart wurde (§ 434 Abs. 1 Satz 1 BGB ). Soweit vertraglich keine bestimmte Beschaffenheit vereinbart wurde, ist die Sache frei von Sachmängeln, wenn Sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB ), ansonsten wenn sie sich für die „gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann" (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB ). In der Regel ist der letztgenannte Mangelbegriff einschlägig, da Verkäufer und Käufer eher selten eine bestimmte Beschaffenheit der Sache oder ihre Eignung für eine bestimmte Verwendung vereinbaren. Damit würde es darauf ankommen, ob sich das Musikinstrument für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Vergleichsmaßstab wäre dann die Beschaffenheit von Musikinstrumenten gleicher Art. Das können vergleichbare Musikinstrumente anderer Hersteller in derselben Preisklasse sein.

Selbst wenn ich wüsste, um welches Instrument es sich handelt, könnte ich aus der Ferne (und wohl auch aus der Nähe) nicht beurteilen, ob die von Ihnen geschilderten Probleme (Fehler in der Tonhöhe, abweichende Lautstärke einzelner Töne, Nebengeräusche) einen Mangel im vorgenannten Sinne darstellen. Dies könnte Ihre Bekannte als Musiklehrerin weitaus besser beurteilen, wobei es bei der Beurteilung der Erwartung aber auf die Sicht eines objektiven „Durchschnittskäufers" ankommen würde. Bleibt die Frage, ob ein Mangel vorliegt, streitig, müsste im Falle einer gerichtlichen Klärung ein Sachverständigengutachten eingeholt werden. Nach Ihrem Vortrag sieht es aber zunächst nicht so aus, als würde der Verkäufer einen Mangel bestreiten, sondern möchte das Musikinstrument reparieren.

Dies vorausgeschickt, ergeben sich die Rechte des Käufers bei Mängeln aus § 437 BGB . Zunächst kann ihre Bekannte Nacherfüllung verlangen (a)). Nach Fristsetzung ist auch ein Rücktritt vom Kaufvertrag möglich (b)):

a) Nacherfüllung, § 439 BGB

Ihre Bekannte kann als Nacherfüllung nach ihrer Wahl die Beseitigung des Mangels (Reparatur) oder die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen, § 439 Abs. 1 BGB .
Die Betonung liegt auf „NACH IHRER WAHL". Grundsätzlich kann sie verlangen, dass ihr ein anderes baugleiches, mangelfreies Instrument übergeben wird. Auf eine Reparatur müsste sie sich damit nicht einlassen.

Eine Neulieferung könnte der Verkäufer verweigern, wenn sie für ihn einen unverhältnismäßigem Kostenaufwand bedeuten würde (§ 439 Abs. 3 BGB ) oder aber das gleiche Instrument als Ersatz nicht mehr zu beschaffen ist. Da mir die genauen Verhältnisse nicht bekannt sind, kann ich dies nicht abschließend beurteilen. Den Verkäufer trifft allerdings die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des Leistungsverweigerungsrechts. Er muss also insbesondere darlegen und beweisen, welche Kosten ihm die verweigerte Art der Nacherfüllung verursachen würde.

b) Rücktritt vom Kaufvertrag:

Bevor Ihre Bekannte zurücktreten kann, muss sie dem Verkäufer allerdings eine angemessene Frist zur Nacherfüllung (nach ihrer Wahl Reparatur oder Ersatzlieferung) setzen, denn ihm steht grundsätzlich ein Recht auf ein zweites Andienen zu. Erst wenn der Verkäufer diese Frist erfolglos verstreichen lässt, könnte Ihre Bekannte vom Kaufvertrag zurücktreten und den Kaufpreis zurückverlangen, vorher allerdings nicht. Das ergibt sich aus §§ 437 Nr. 2 , 440 , 323 Abs. 1 BGB .

„3. Wie ist die Rechtslage, wenn das Fachgeschäft das Instrument reparieren lässt, meine Bekannte aber immer noch Fehler hört?"

Wenn nach dem ersten Reparaturversuch der Mangel noch fortbesteht, darf der Verkäufer grundsätzlich noch einen zweiten (und letzten) Reparaturversuch unternehmen. Erst nach dem erfolglosen zweiten Reparaturversuch würde die Nachbesserung als fehlgeschlagen gelten, so dass ihre Bekannte in diesem Fall ohne weitere Fristsetzung vom Kaufvertrag zurücktreten könnte (§ 440 BGB ).

„4. Welches Risiko entsteht, wenn sie den Lastschrifteinzug rückgängig macht und das Instrument einfach originalverpackt zurückschickt?"

Nach Ihrem Vortrag ist wie gesagt davon auszugehen, dass dem Verkäufer das Recht zur Nacherfüllung zusteht. Ihre Bekannte kann damit (noch) nicht den Rücktritt vom Kaufvertrag erklären. Der Verkäufer hat damit auch noch Anspruch auf den Kaufpreis. Solange dem Verkäufer dieser Anspruch noch zusteht, sollte der Lastschrifteinzug nicht widerrufen werden, denn damit würde sich Ihre Bekannte vertragswidrig verhalten und dem Verkäufer Anlass geben, seinerseits Schadensersatz einzufordern. Ein solcher Schritt dürfte der Herbeiführung einer gütlichen, außergerichtlichen Einigung auch nicht zuträglich sein. Diese sollte aber wenigstens versucht werden.

Abschließend ist Ihrer Bekannten zu raten, auf einen Austausch der Kaufsache zu bestehen, wenn Sie kein Vertrauen in das gelieferte Instrument hat, was sehr verständlich ist. Grundsätzlich steht ihr ein Austausch wie dargelegt zu.

Ich hoffe, Ihnen hiermit einen ersten Überblick über die Rechtslage verschafft zu haben, und wünsche Ihnen für Ihre Bekannte alles Gute.

Mit freundlichen Grüßen

Felix M. Safadi
Rechtsanwalt

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Rückfrage vom Fragesteller 18. November 2010 | 10:06

Sehr geehrter Herr Safadi,

herzlichen Dank, Sie haben uns sehr weitergeholfen!

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 18. November 2010 | 13:09

Das freut mich sehr!

Viele Grüße, RA Safadi

Bewertung des Fragestellers 18. November 2010 | 10:10

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