Sehr geehrter Fragesteller:
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Ich möchte anhand des geschilderten Sachverhaltes im Rahmen einer Erstberatung wie folgt beantworten:
Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass bei dieser ersten Beratung und ohne Durchsicht der gesamten Unterlagen, keine abschließende Prüfung vorgenommen werden kann.
1. Wie beurteilen Sie die Aussicht auf Erfolg für den Einspruch
und ggf. spätere Klage wegen Verjährung der Forderungen nach
§ 228 ?
Nur fällige Ansprüche unterliegen der Zahlungsverjährung. Grundlage für die Verwirklichung dieser Ansprüche ist idR die formelle Festsetzung der Steuer beispielsweise durch Steuerbescheid (§ 155 AO
). Diese Ansprüche unterliegen sowohl der Festsetzungs- als auch der Zahlungsverjährung. Ist die Festsetzungsverjährung bereits eingetreten, ist für die Zahlungsverjährung kein Raum, da der Steueranspruch bereits erloschen ist (§ 47 AO
).
Für den Beginn der Zahlungsverjährung ist die erstmalige Fälligkeit des Anspruchs entscheidend. Wird die (eingetretene) Fälligkeit später durch AdV (§ 361
, § 69 FGO
), Stundung (§ 222 AO
) oder Zahlungsaufschub (§ 223 AO
) hinausgeschoben, so hat dies keinen Einfluss auf den Verjährungsbeginn, führt aber zur Verjährungsunterbrechung (§ 231 I AO
).
Wesen und Wirkung der Unterbrechung nach § 228 AO
besteht darin, dass der Fristlauf durch ein im Gesetz bestimmtes Ereignis, das nach dem Beginn der Verjährung (§ 229) eingetreten sein muss, abgebrochen wird und damit eine neue fünfjährige Verjährung beginnt (BFH VII R 81/77
, BStBl. II 1980, 306
)
Aber nur wenn AdV, Stundung und Zahlungsaufschub vor Eintritt der ersten Fälligkeit gewährt werden, beginnt die Verjährungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die betreffende Maßnahme endet (Schwarz § 229 AO
, Rz. 3)
Es ist aber noch nicht abschließend abgeklärt, ob die AdV die Fälligkeit ändert. Im Schrifttum wird dies ua. mit dem Hinweis bejaht, dass die Entstehung von Säumniszuschlägen durch die AdV verhindert werden soll; Dies könne nur durch Aufhebung der Fälligkeit geschehen, da die Entstehung der Säumniszuschläge gem. § 240 I 1 an die Nichtzahlung bei Fälligkeit anknüpfe. Demgegenüber war der BFH zunächst der Auffassung, dass eine AdV die Fälligkeit weder beseitige noch hinausschiebe (BFH VII R 50–51/86, BStBl. II 1988, 366
). Inzwischen scheint der BFH hiervon abrücken zu wollen, zumindest lässt er die Frage ausdrücklich offen (BFH VII R 58/94
, BStBl. II 1996, 55
, 58). Klar ist aber jedenfalls, dass werde der Einspruch gegen den Steuerbescheid noch der Antrag, diesen von der Vollziehung auszusetzen, die Fälligkeit des Steueranspruchs beeinflussen kann (Palke/Koenig, § 220 AO
, Rn 12)
Dies bedeutet, dass in Ihrem Fall die Entscheidung über eine AdV nicht unbedingt relevant ist, da diese die Fälligkeit des Steueranspruches nicht beeinflussen werden kann, wenn diese in Rahmen eines Einspruchs gewährt wurde. Auf jeden Fall liege die Beweislast, dass die AdV entsprochen wurde, beim FA. Aufgrund dessen ist die Verjährung denkbar.
Da aber mehrere Tatbestände für eine Unterbrechung der Verjährung (nach § 231 AO
) bei Ihrem Fall denkbar hätten eintreten können (sie führen aus, Sie hätten vieles unternommen) bleibt eine abschließende Prüfung –wie gesagt- nicht möglich.
2. Ist es möglich die Klage fristgemäß beim Finanzgericht in der
Hauptsache (inhaltlich) einzureichen und das Verfahren solange
auszusetzen, bis die Rechtsbehelfstelle einen Bescheid über die
Verjährung erteilt, so dass nachfolgend vor dem Finanzgericht
ggf. sowohl in der Hauptsache (inhaltlich) als auch über die
Verjährung geurteilt werden kann ? Was passiert in solchem Fall mit dem Streitwert?
Zum einen wäre zu prüfen, inwieweit eine Klage gegen noch statthaft wäre (siehe § 47 AO
).
Sie haben aber Recht: Wenn zwischen dem Steuerpflichtigen und der Finanzbehörde Meinungsverschiedenheiten darüber bestehen, ob eine Zahlungsverpflichtung erloschen oder aber die Verjährung unterbrochen ist, so ist diese Frage durch einen Abrechnungsbescheid gem. § 218 II 1 AO
zu klären. Dieser ist entweder auf Antrag oder ggf. von Amts wegen zu erlassen (BFH VII B 137/97
, BFH/NV 1998, 686
). Gegen den Abrechnungsbescheid stehen dem Stpflichtigen Einspruch (§ 347) und Anfechtungsklage (§ 40 I FGO
) zur Verfügung; eine Feststellungsklage ist aber unzulässig (BFH III R 125/73
, BStBl. II 1977, 396
).
Zur Frage: Nach § 74 FGO
kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.
Dies hat keinen Einfluss auf den Streitwert per se. Es kann aber einen Hinweis seitens des Gerichts erlassen werden, der Ihnen die Möglichkeit erlaubt, die Klage zurückzuziehen (Folge: Gerichtskosten werden reduziert). § 138 FGO
käme auch in Betracht.
3. Gibt es Referenzurteile zu den o.a. Fragen und auf welchem
Weg erhalte ich diese?
Ja, es gibt mehrere Kommentare zur AO, die bei den öffentlichen Bibliotheken erhältlich sind. Dort werden auch relevante Urteile zitiert.
Mit freundlichen Grüßen
Antwort
vonRechtsanwalt Ernesto Grueneberg, LL.M.
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Fachanwalt für Migrationsrecht