Untreue eines Kirchenrechners

14. Februar 2006 21:50 |
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Strafrecht


Beantwortet von


23:05

Ein Kirchenrechner, der diese Tätigkeit bereits 40 Jahre tadellos ausgeübt hat, wird mit dem Vorwurf der Untreue konfrontiert, nachdem er über einen Zeitraum von zwei Jahren Kirchengelder in einer Gesamthöhe von 400.000 Euro bei einer Immobilien und Beteiligungs-AG angelegt hat, deren Seriosität als zweifelhaft eingeschätzt wird. In Aussicht gestellte Aktientausche und Gewinnrealisierungen werden durch diese Firma immer wieder mit fadenscheinigen Argumenten verschoben. Ein Verlust der Einlagen ist bislang allerdings nicht festgestellt worden.
* alle Einzahlungen zugunsten der AG tauchen in der Kirchenrechnung als "Aktienanlage Firma XXX" auf, die Kirchenrechnung 2003 wurde diesbezüglich nicht beanstandet
* der Kirchenrechner (Steuerberater im Ruhestand) hat nahezu sein gesamtes privates Vermögen (etwa 600.000 Euro)ebenfalls in Vorzugsaktien dieser Fa. angelegt
* nach Androhung strafrechtlicher Verfolgung wurde dem Kirchenrechner ein notarielles Schuldanerkenntnis mit Unterwerfungserklärung abverlangt, die Schuldsumme durch Grundschuldeinträge gesichert.
Fragen: Könnte das Verhalten den Tatbestand der Untreue erfüllen?
Gibt es Möglichkeiten das Schuldanerkenntnis anzufechten?
Besteht die Möglichkeit des Regresses gegen Personen, die am Verfahren beteiligt waren (Verwaltungsrat, Rechnungsprüfer) ?

14. Februar 2006 | 22:30

Antwort

von


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Sehr geehrte(r) Ratsuchende(r),

Ihre Anfrage möchte ich wie folgt beantworten:

Nach § 266 StGB wird mit Freiheitsstrafe bsi zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, missbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem , dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt.

Dem Kirchenrechner obliegt eine Vermögensbetreuungspflicht, die ihm entweder durch behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumt ist.
Diese Pflicht hat er auch verletzt, in dem er Kirchengelder bei der Immobilien- und Beteiligungs AG angelegt hat.

Das weitere Erfordernis der Zufügung eines Vermögensnachteils bei dem denjenigen, dessen Vermögensinteressen der Kirchenrechner zu betreuen hat, dürfte auch erfüllt sein.
Der Begriff des Vermögensnachteils ist gleichbedeutend mit einem Vermögensschaden im Sinne des Betrugstatbestandes, so dass bereits eine schadensgleiche Vermögensgefährdung hiefür ausreicht.
Bei einem entgangenen Gewinn muss es sich um den Entgang konkreter Erwerbsmöglichkeiten und nicht bloß mehr oder minder unsicherer Aussichten handeln, letztere stellen keinen Vermögenswert dar.
Aber auch diese Voraussetzung dürfte nach summarischer Prüfung vorliegen, so dass der Kirchenrechner sich einer Untreue schuldig gemacht hat.

Eine Anfechtung des notariellen Schuldanerkenntnisses kommt nach meiner Rechtsauffassung nur dann in Betracht, wenn er in unrechtmäßiger Weise zu dessen Abgabe veranlasst worden ist.
Das wäre aber nur dann der Fall, wenn der Kirchenrechner sich unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt strafbar gemacht hat. Dies ist aber gerade zweifelhaft.

Vor diesem Hintergrund erübrigen sich dann auch Überlegungen dahingehend, weitere an dem Verfahren beteiligte Dritte in Regress nehmen zu wollen.

Ich hoffe, dass ich Ihnen weiterhelfen konnte.

Mit freundlichen Grüßen

Karlheinz Roth
- Rechtsanwalt -

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Rechtsanwalt Karlheinz Roth

Rückfrage vom Fragesteller 14. Februar 2006 | 22:48

Sehr geehrter Herr Roth,
vielen Dank für die rechtliche Würdigung.
Zum Thema Rückgriff interessiert mich doch noch, ob die Personen die diese Art der Anlageform gewußt, ja gebilligt haben bzw. die Jahresrechnung unbeanstandet geprüft haben, sich ebenfalls dem Verdacht der Untreue aussetzen und welche Möglichkeiten es gibt, hier ggf. doch Mithaftung geltend zu machen.

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 14. Februar 2006 | 23:05

Sehr geehrter Herr Henss,

Die Untreue ist Sonderdelikt. Täter, also auch Mittäter, kann nicht jedermann sein, sondern nur derjenige, dem die Vermögensbetreuungspflicht obliegt, sie ist strafbegründendes persönliches Merkmal.

Dies kann ich bei dem Verwaltungsrat nicht erkennen. Bei dem Rechungsprüfer dürfte dies anders sein, da er die Jahresrechnungen zu prüfen hatte.
Gleichwohl kann man hier die Auffassung vertreten, dass nicht der Rechnungsprüfer, sondern der Kirchenrechner originär den Vermögensnachteil zugefügt hat, in dem er die entsprechenden Gelder angelegt hat.

Wenn ein Dritte Unseriosität der Anlage wusste und hierbei vorsätzlich Hilfe geleistet hat, läge eine Beihilfe zur Untreue vor.
Bei dieser Konstellation wäre der Dritte in der strafrechtlichen Verantwortung mit drin.

Ich hoffe, Ihre Fragen hinreichend beantwortet zu haben.

Mit freundlichen Grüßen
Karlheinz Roth
- Rechtsanwalt -

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