4. Dezember 2018
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12:52
Antwort
vonRechtsanwalt Dr. Andreas Neumann
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vielen Dank für Ihren interessanten Sachverhalt und die damit verbundenen Fragen.
Zunächst einmal sind hier zwei verschiedene Dinge auseinander zu halten, nämlich die [u]Begründung[/u] von Sondernutzungsrechten nach den §§ 13 ff. WEG zum einen und die Vereinbarungen zu den Kosten der [u]Instandhaltung und Instandsetzung[/u] der betroffenen Flächen zum anderen.
Beides ist grundsätzlich zwar auch konkludent bzw. schlüssig, also durch [i]tatsächliches[/i] Verhalten möglich. Allerdings wirkt die lediglich schlüssige Begründung eines Sondernutzungsrechtes grundsätzlich nicht gegenüber neu in die Gemeinschaft eintretenden Mitgliedern der Wohnungseigentümergemeinschaft. Wird ein solches [i]lediglich schuldrechtliches Sondernutzungsrecht[/i] nicht im Grundbuch eingetragen, so kann es späteren Eigentümern nicht entgegengehalten werden, OLG Düsseldorf, Urteil vom 09.06.2017 - 3 Wx 46/17 - siehe auch eine meiner früheren Antworten zum Themengebiet auf diesem Portal unter https://www.frag-einen-anwalt.de/Kauf-von-allgemeinem-Eigentuemer-Wohnraum--f310835.html
Zwar tritt der neu eintretende Miteigentümer nicht nur in die Rechte und Pflichten der grundbuchlich gewahrten Teilungserklärung samt Gemeinschaftsordnung und sonstige Vereinbarungen ein, sondern auch [u]in sämtliche Beschlüsse[/u] der Wohnungseigentümergemeinschaft. Daraus könnte geschlossen werden, dass aus bestehenden Beschlüssen eine konkludente Begründung von Sondernutzungsrechten der jeweiligen Erdgeschoss-Eigentümer an den Terrassenflächen abgeleitet werden könnte. Denn jeder Erwerber hat ja das Recht, vor dem Immobilienkauf bei Ihnen die Beschluss-Sammlung einzusehen. Der neue Eigentümer hätte sich also bei Ihnen vor dem Immobilienkauf informieren können. Standardmäßig weisen Notarinnen und Notare in ihren Kaufvertragsmustern auch auf diesen Eintritt in die Beschlüsse hin und die Möglichkeit sich entsprechend bei der Verwaltung zu informieren.
Allerdings liegt es so, dass das Sondernutzungsrecht nach § 15 Abs. 1 WEG - wie von Ihnen richtig erkannt - eben eine [u]Vereinbarung[/u] voraussetzt, nicht lediglich einen Beschluss. Beschlüsse können allenfalls [u]Indiz[/u] für eine solche Vereinbarung sein, die - wie oben dargelegt - auch schlüssig getroffen worden sein kann.
[b]Vereinbarungen wirken nach § 10 Abs. 3 WEG aber leider [u]nur dann[/u] gegenüber Rechtsnachfolgern, wenn sie als Inhalt des jeweiligen Sondereigentums im Grundbuch eingetragen sind. Das ist hier nicht gegeben. Es mag also vorliegend durchaus ein lediglich schuldrechtliches Sondernutzungsrecht zu bejahen sein. Es kann dem neuen Eigentümer aber leider nicht entgegengehalten werden. Zur Eintragung ins Grundbuch wäre auch seine Bewilligung unabdingbar.[/b]
Die Bildung von Gewohnheitsrecht aufgrund langjähriger Übung und gemeinschaftlicher Rechtsüberzeugung ist in diesem Zusammenhang ebenfalls [u]leider nicht[/u] anerkannt. Die Regeln des Gewohnheitsrechtes sind nach allgemeiner Auffassung hier nicht anwendbar, weil dieses Recht lediglich [u]Quelle[/u] allgemein verbindlicher Rechtsregeln ist, nicht aber ein Tatbestand, der ohne Grundbucheintragung ein eintragungsbedürftiges Recht schaffen kann, siehe Beschluss des Kammergerichts vom 17.11.1986 - 24 W 2614/86. Am fehlenden Grundbucheintrag kommt man mit dem Argument des Gewohnheitsrechts hier also nicht vorbei.
Problematisch ist dann im zweiten Schritt zudem die Frage der Kosten der Instandsetzung und Instandhaltung. Grundsätzlich liegt es nämlich so, dass auch Sondernutzungsflächen von der Gemeinschaft instandgehalten und instandgesetzt werden müssen, sofern in der Teilungserklärung nicht ausdrücklich anderes vereinbart ist, nicht etwa von den jeweiligen Inhabern der Sondernutzungsrechte. Aus der (auch schlüssig möglichen) Begründung von Sondernutzungsrechten folgt daher nicht zwangsläufig eine entsprechende Kostentragungspflicht des Berechtigten.
Zumindest insoweit wird man die Beschlussammlung und insbesondere die Wirtschaftspläne heranziehen können. Aus meiner Sicht wäre aber noch wichtig zu prüfen, ob das Vorhandensein der Terrassen bei der Bemessung der Miteigentumsanteile berücksichtigt worden ist. Sollte dies der Fall sein, so spricht dies eindeutig gegen eine schlüssige Begründung einer zusätzlichen Kostentragungslast für die schuldrechtlichen Sondernutzungsrechtsflächen, da die entsprechenden Mehrkosten dann ja bereits im Verteilungsschlüssel berücksichtigt wären. Im Rahmen eines Mandates würde ich daher auch die Teilungserklärung samt Gemeinschaftsordnung noch einmal näher prüfen.
Somit komme ich vor dem Hintergrund dieser Rechtslage zu Ihren konkreten Fragen:
[quote]Hat sich hier ein Gewohnheitsrecht entwickelt?[/quote]
Leider ist dies nicht möglich.
[quote]Wenn das so sein sollte, muss der neue Eigentümer, der in die Rechte und Pflichten des Vorgängers eintritt, daher die bisherige Praxis übernehmen?[/quote]
Mangels Grundbucheintrag ist dies leider ausgeschlossen. Der neue Eigentümer müsste in jedem Falle mitwirken.
[quote]Darf oder muss die Gemeinschaft ab sofort alle o. g. Kosten für all diese Gemeinschaftsflächen aufkommen?[/quote]
Ja, das ist korrekt. Daraus ergibt sich in der Tat, dass eine neue Vereinbarungen und - soweit zulässig - Beschlüsse getroffen werden können. Im Falle von Unmut müssten Sie dann mit Anfechtungsklagen rechnen.
[quote]Sicherlich bliebe dann nur noch eine vorzunehmende Vereinbarung über, z. B., dass den Erdgeschosseigentümern klar definierte Sondernutzungsrechte eingeräumt werden und diese Vereinbarung ins Grundbuch, für etwaige Rechtsnachfolger, eingetragen wird, oder?[/quote]
Das wäre die beste Lösung. Diese Vereinbarung sollte notariell im Wege eines Nachtrags zur Teilungserklärung getroffen werden.
[quote]Aber falls eine solche Vereinbarung nicht gelingt, wie sieht es dann aus?[/quote]
Dann bleiben die Terrassenflächen unbelastetes Gemeinschaftseigentum, für die die allgemeinen Regelungen der Teilungserklärung samt Gemeinschaftsordnung, sonstigen Vereinbarungen und der getroffenen Beschlüsse gelten.
Es tut mir leid, Ihnen keinen Königsweg aufzeigen zu können, aber so stellt sich die Rechtslage dar. Sollte etwas unklar sein, so fragen Sie gerne nach, damit ich Sie dennoch in jedem Falle rundum zufrieden stellen kann.
Mit den besten Grüßen aus Münster in Westfalen
Dr. Andreas Neumann
Rechtsanwalt
Rechtsanwalt Dr. Andreas Neumann