Vollgeschossberechnung nach alter Definiton

20. Juli 2023 12:24 |
Preis: 66,00 € |

Baurecht, Architektenrecht


Beantwortet von

Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt,
Sehr geehrte Frau Rechtsanwaältin,

wir hatten 2021 einen Bauantrag eingereicht, der auch problemlos genehmigt wurde. (Bebauungsplan von 1971, nur ein Vollgeschoss erlaubt, NRW). Die Vollgeschossberechnung erfolgte durch meinen Architekten nach der neuen Definition (3/4 der Fläche des darunterliegenden Geschosses). Hierzu gab es keinen Kommentar seitens des Bauamtes. Der Bauantrag wurde genehmigt.

Nach einiger Zeit haben wir eine Tektur eingereicht, da wir zusätzliche Gauben hinzugefügt haben um das Grundstück voll auszunutzen. Auch hier wurde die 3/4 Berechnung angewandt. Das Bauamt hat widersprochen und meint, dass es einen Bebauungsplan gibt und die damalige Vollgeschossdefiniton gilt (was nach einiger Recherche zeigt, dass das Bauamt damit richtig liegt).
Die Vollgeschossdefiniton von damals lautet:
Vollgeschosse sind Geschosse, die vollständig über der festgelegten Geländeoberfläche liegen und über mindestens 2/3 ihrer Grundfläche die für Aufenthaltsräume erforderliche lichte Höhe haben.

Ich habe aber wiederum erwidert, dass die alte Definiton den Begriff Aufenthaltsräume beinhaltet und wir somit - wenn wir nur die Aufenthaltsräume zählen- immer noch unter 2/3 der Grundfläche liegen, also das DG somit kein Vollgeschoss ist,d.h. Treppen, Flur und dergleichen haben wir nicht mitgezählt, da diese keine Aufenthaltsräume sind.

Das Bauamt meint nun, dass die Definition nicht nur für Aufenthaltsräume gilt, sondern für alle Räume.
Ferner noch folgendes vom Bauamt:
„Die Befreiung wird in Aussicht gestellt, muss jedoch förmlich von Ihnen beantragt werden."

Meine Fragen hierzu:

1. Wenn die Definiton nicht nur für Aufenthaltsräume gilt, warum werden dann Aufenthaltsräume erwähnt? In der neuen Definiton ist es nämlich nicht so. Es wird nur von 3/4 der Grundfläche des darunterliegenden Geschosses erzählt.
2. Wenn die 3/4 Berechnung von Anfang an falsch war, warum wurden wir nicht darauf hingewiesen? Oder wurden wir nicht darauf hingewiesen, weil sowohl mit der alten als auch mit der neuen Definiton das DG immer noch kein Vollgeschoss war?
3. Kann eine Befreiung problemlos beantragt werden? Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit diese zu erfüllen.


Vielen Dank

Mit freundlichen Grüßen
20. Juli 2023 | 22:19

Antwort

von


(1656)
Bertha-von-Suttner-Straße 9
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Sehr geehrter Fragesteller,

Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:

1.) Der Gesetzgeber hatte auf die Definition des Aufenthaltsraumes abgestellt, weil dort präzise Maßangaben getroffen wurden. Es handelt sich bei der Verweisung um eine übliche Gesetzgebungstechnik. Nicht gemeint war, dass die genannten Räume zwingend Aufenthaltsräume sein mussten.

2.) Die Räume eines oberen Vollgeschosses müssen "mindestens" zu 2/3 eine größere lichte Höhe als 2,29 m haben. Ob der Vollgeschossbegriff der aktuellen Bauordnung (3/4-Regelung) für diese Altfälle gilt, ist unter den Bausenaten des Oberverwaltungsgerichtes für das Land Nordrhein-Westfalen streitig (Stichwort "statische" oder "dynamische" Verweisung). Hier scheint die Bauaufsichtsbehörde in ihrer Rechtsauffassung zu schwanken, möchte das Rechtsproblem aber offensichtlich pragmatisch im Wege einer Befreiung vermeiden.

3.) Wenn die Befreiung in Aussicht gestellt wurde, dann können Sie erst einmal davon ausgehen, dass eine Befreiung antragsgemäß bewilligt werden wird.

Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben, und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.

Mit freundlichen Grüßen


Rechtsanwalt Gero Geißlreiter
Fachanwalt für Verwaltungsrecht

Rückfrage vom Fragesteller 21. Juli 2023 | 09:28

Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt,

vielen Dank für die schnelle Antwort.

Das Bauamt hat eine Befreiung in Aussicht gestellt, möchte dies jedoch begründet haben ( 3-fache Ausfertigung), daher hier meine Nachfragen:

1. Wie muss er beantragt werden? Formlos? Muss dies mein Architekt machen oder kann ich das auch selber machen, da ich derzeit im Ausland bin.
2. Was wäre eine gute Begründung, damit die Befreiung tatsächlich erfolgt. Laut Internetrecherche ist dies anscheinend nicht so einfach.

Vielen Dank.

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 21. Juli 2023 | 11:29

Sehr geehrter Fragesteller,

der Antrag ist schriftlich zu stellen und zu begründen (§ 69 Abs. 2 der Landesbauordnung 2018 - BauO NRW 2018). Das ist Aufgabe Ihres Entwurfsverfassers.

Was Gründe für die Befreiung sein können, kann ich nicht im Wege einer Ferndiagnose beantworten. Hier kommt es nämlich ganz entscheidend einzelfallbezogen auf die tatsächliche und rechtliche Lage vor Ort und die beabsichtigte Konstruktion und ihre Rechtfertigung an. Dies zu leisten, ist ebenfalls Aufgabe Ihres Entwurfsverfassers.

Beste Grüße von Gero Geißlreiter, Rechtsanwalt

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