Umschulung in Insolvenz unumgänglich(!), aber nicht erlaubt?

| 18. März 2025 16:37 |
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Insolvenzrecht


Beantwortet von


09:34
Sehr geehrte(r) Frau/Herr Anwalt,

folgende Problematik:
leider war ich im Frühjahr 2024 aufgrund der Inflation und, zweifellos, eigener Fehler gezwungen, ein neu eröffnetes Einzelunternehmen (im Franchise) wieder zu schließen. Wichtig ist hier "Einzelunternehmen", denn daraus resultierte private Haftung meinerseits und somit nunmehr eine Verbraucherinsolvenz.

Leider bin ich auch seitdem, fast ein Jahr, vergeblich auf Jobsuche und - deutlich gesagt - vom Bürgergeld abhängig. Ich habe einen stark geisteswissenschaftlichen Hintergrund, der jedoch an die fünfzehn Jahre zurückliegt. Fehlende "Hard Skills" plus Bürokratie machen es mir schwer, wobei ja ein Job nicht nur finanziell Not tut, sondern auch im Rahmen der Insolvenz ein absolutes Muss für die Restschuldbefreiung darstellt.

Letztlich wird es nicht Umschulung gehen - das ist seit Monaten klar und ich bin sowohl mit dem Jobcenter im Gespräch als auch "auf eigene Faust" diesbezüglich aktiv. Es scheitert bislang an der Finanzierung: Das Center hat laut eigener Aussage keine Gelder, kann mich aber auch nirgendwo so richtig hinvermitteln (die Motivation scheint auch begrenzt, warum auch immer), und selbst zahlen kann ich die (zu Recht) geforderten Beträge offensichtlich nicht.

Der Insolvenzantrag selbst wurde vor ein paar Wochen eingereicht; noch haben Gericht und Verwalter sich nicht bei mir gemeldet.

Der Tag, wo das geschieht, versetzt mich allerdings zunehmend in Angst. Ich habe nichts vorzuweisen und weiß partout nicht, wie ich das ändern soll. Ohne Job kein Geld, ohne Geld keine Umschulung, ohne Umschulung kein Job.

Ich drehe mich im Teufelskreis.

Und der Insolvenzverwalter, auch wenn er oder sie ein gewisses Grundverständnis aufbringen sollte, wird zu Recht mehr als das einfordern.

Erschwerend kommt nun noch hinzu, dass selbst bei ausreichender Finahzierung eine Umschulung wohl gar nicht so einfach "erlaubt" wäre, da sie eben erstmal Geld kostet. Ein guter Job würde potentiell mehr Geld einbringen - Betonung hier klar auf "potentiell". Für die Gläubiger wäre das besser. Btw., denen gönne ich die Rückzahlung durchaus. Könnte ich sie vollends in diesem Leben leisten, würde ich keine Insolvenz beantragen.

Ergo ein Teufelskreis auf zwei Ebenen.

Lange Rede, kurzer Sinn, hier meine Frage:
Ist mir in der gegebenen Situation eine Umschulung erlaubt (notfalls mit geliehenem Geld), um zumindest eine Ebene dieser Problematik abzubauen? Wie wird ein Insolvenzverwalter diese Gesamtlage einschätzen?

Ihnen bereits jetzt allerbesten Dank für Ihre Mühe und beste Grüße!
18. März 2025 | 17:34

Antwort

von


(5)
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Sehr geehrter Fragesteller,

vorab möchte ich Sie darauf hinweisen, dass es [b]von größter Wichtigkeit ist, dass Sie – falls noch nicht geschehen – unverzüglich selbst einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, verbunden mit einem Antrag auf Restschuldbefreiung[/b] stellen. Bitte erledigen Sie dies unverzüglich, da der Antrag auf Restschuldbefreiung nur in der Anfangsphase des Insolvenzverfahrens (dem "Eröffnungsverfahren") gestellt werden kann; danach wäre Ihr Antrag präkludiert und daher zurück zu weisen.

Weiter möchte ich vorausschicken, dass Sie sich noch am Anfang des Insolvenzverfahrens befinden. Sie sollten daher - als grober Überblick zum Verfahren - wissen, dass das gesamte Verfahren (mit Restschuldbefreiung) in der Regel 3 bis 4 Jahre dauert. Zu Beginn wird der Insolvenzverwalter Ihr Vermögen feststellen. Soweit dieses nicht den Pfändungsfreibeträgen unterliegt, gehört es zur Insolvenzmasse im Sinne des § 35 InsO und wird daher vom Insolvenzverwalter verwaltet (§§ 80, 148 InsO) und verwertet, um den Erlös an die Gläubiger auszukehren. Erst danach treten Sie in die sogenannte Wohlverhaltensphase ein.

Die Verpflichtung, eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben, trifft Sie erst in der Wohlverhaltensphase (LG Bielefeld, Beschl. v. 14.8.2014 – 23 T 548/14). Sie müssen sich also aktuell noch keine Sorgen machen, falls Sie momentan keine Beschäftigung finden. Dennoch ist es ratsam, mit dem Insolvenzverwalter offen zu kommunizieren und gemeinsam zu prüfen, wie eine Umschulung realisiert werden kann – insbesondere, wenn diese langfristig zu einer besseren finanziellen Situation und damit auch zu höheren Zahlungen an die Gläubiger führen könnte.

[b]Zur eigentlichen Frage[/b]: Während der Wohlverhaltensphase sind Sie gemäß § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO verpflichtet, eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben. Die Aufnahme einer Umschulung ist grundsätzlich möglich, jedoch nur, wenn sie noch innerhalb der Wohlverhaltensphase abgeschlossen wird, sodass sich die verbesserten Berufschancen auch für die Gläubiger rentieren. Ob dies der Fall ist, hängt von den Umschulungsmaßnahmen ab, die Sie ergreifen wollen.

Ggf. kann auch argumentiert werden, dass durch die Umschulung keine Beeinträchtigung der Gläubiger gemäß § 296 InsO eintritt, da Sie bereits vor der Insolvenz keine Arbeit hatten. Falls sich abzeichnet, dass Sie in der nächsten Zeit ohnehin keine Anstellung als ungelernte Kraft finden würden, entsteht den Gläubigern durch eine Umschulung kein zusätzlicher Nachteil.

Weiter empfiehlt es sich, weiterhin aktiv Bewerbungen für ungelernte Tätigkeiten zu schreiben und die Absagen sorgfältig zu dokumentieren. Damit könnten Sie im Zweifel belegen, dass eine sofortige Anstellung realistisch nicht möglich war.

Abschließend möchte ich Sie beruhigen: Insolvenzverwalter sind auch nur Menschen. Die meisten Verwalter, mit denen ich zusammengearbeitet habe, leisten wirklich gute Arbeit und verlangen auch nichts Unmögliches. Bleiben Sie offen in der Kommunikation, und zeigen Sie ehrliches Bemühen bei der Abzahlung Ihrer Schulden während des Insolvenzverfahrens.

Mit freundlichen Grüßen
Roland Schmidt


Rechtsanwalt Roland Schmidt

Rückfrage vom Fragesteller 18. März 2025 | 17:48

Sehr geehrter Herr Schmidt,

Vielen Dank zunöchst für Ihre Antwort, die mich in der Tat etwas beruhigt. Mit Ausnahme des - sehr wichtigen - Anfangs. Ich verstehe die Antwort hier dahingehend nicht, dass ich unsicher bin, ob ich mir in meinem Fall Sorgen machen muss oder nicht. Auf dem Antrag, den mein Anwalt mir zugeschickt und zurückerhalten hat, wurde die Reschschuldbefreiung beantragt (da war ein Kasten angekreuzt). Das habe ich natürlich unterschrieben. Aber, wie gesagt: Das war der Antrag des Inso-Anwalts.

Weder wpüsste ich, bei welchem gericht genau mein Verfahren stattfindet (da gibt es zwei Optionen), noch würde ich wissen, wo und wie ich einen solchen Antrag stelle, falls ich selbst es noch (dann quasi "ein zweites Mal") muss.

Muss ich?

Bisher wurde mein Verfahren nicht bekannt gemacht, das habe ich online geprüft. Mehr weiß ich nicht.

Ihnen nochmals vielen Dank, die Antwort war wirklich Gold wert. Falls diese Frage hier zu weit geht, stelle ich gern eine weitere Anfrage.

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 19. März 2025 | 09:34

Lieber Fragensteller,

wenn ein Insolvenzanwalt den Antrag gestellt hat, würde ich stark davon ausgehen, dass er diesen Punkt bedacht und den Antrag in Ihrem Namen bereits gestellt hat. Sollte dies nicht der Fall sein, werden Sie vom Gericht darauf hingewiesen (§ 20 Abs. 2 InsO). [b]Bitte lesen Sie sich daher insb. Gerichtspost aufmerksam durch[/b] - der Hinweis ist i.d.R. am Ende der Gerichtsschreiben, und ist auch optisch erkennbar ein "Standard-Textbaustein" des Gerichts, weshalb er oft "überlesen" wird. Dieser Hinweis ist aber sehr wichtig, weil Sie den Antrag innerhalb von 2 Wochen nach Erhalt des Hinweises (i.d.R. spätestens aber bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens) stellen müssen.

Sollten Sie sich unsicher sein, sollten Sie das Gericht anrufen, sobald Sie von dem Gericht Post haben. Oft wird dort auch die Durchwahl der zuständigen Geschäftsstelle angegeben. Bitte fragen Sie auch bei Ihrem Anwalt nach. Es kann sein, dass das Gericht die Post an ihn richtet.

Hinsichtlich der Zuständigkeit könnte es in Ihrem Fall durchaus etwas schwierig werden. Bei einer selbstständigen Tätigkeit geht das Gesetz grds. von einer alleinigen Zuständigkeit am Ort der selbstständigen Tätigkeit aus (§ 3 Abs. 1 S. 2 InsO). Wenn die selbstständige Tätigkeit zwar beendet ist, aber noch nicht alles abgewickelt wurde (insb. noch Verbindlichkeiten aus der selbstständigen Tätigkeit bestehen), nehmen die meisten Gerichte immer noch eine ausschließliche Zuständigkeit am Ort der selbstständigen Tätigkeit an. Es gibt aber auch Gerichte, die meinen, dass in diesem Fall das Gericht am Wohnsitz des Schuldners zuständig wäre. Hier werden Sie ggf. erst abwarten müssen, bis das Gericht Sie kontaktiert.

Bitte beachten Sie, dass mit "Gericht am Ort des..." immer das Amtsgericht meint, an dem auch ein Landgericht besteht. Online müssen Sie daher nachschauen, welches Landgericht für den jeweiligen Ort zuständig ist; zuständig ist dann das Amtsgericht am Ort (d.h. in der Regel in der selben Stadt, nicht zwingend an der selben Anschrift) des Landgerichts.

Ich hoffe, dass Ihnen diese Antwort weitergeholfen hat!


Beste Grüße,
Roland Schmidt

Bewertung des Fragestellers 18. März 2025 | 17:50

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BEWERTUNG VOM FRAGESTELLER 18. März 2025
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