Rückzahlung Fördergelder Weiterbildung Allgemeinmedizin bei Kündigung

| 31. August 2016 13:37 |
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Arbeitsrecht


Zusammenfassung

Muss ich als Assistenzärztin in Weiterbildung die Fördergelder an die Kassenärztliche Vereinigung zurückzahlen, wenn ich innerhalb der ersten 12 Monate kündige?

Es wäre gut vertretbar eine solche Klausel für unwirksam zu halten, da sie den Arbeitnehmer einseitig benachteiligt und eine Rückzahlung von Entgelt trotz erbrachter Arbeitsleistungen darstellt. Daher müsste die Assistenzärztin im Fall ihrer Kündigung während der Probezeit nichts zurückzahlen.

Ich bin seit 15.8.2016 als Assistenzärztin in Weiterbildung zur Fachärztin für Allgemeinmedizin in einer hausärztlichen Praxis (Inhaberin ist eine Ärztin mit KV-Zulassung und Weiterbildungsermächtigung) mit einer 50%-Stelle (20 Wochenstunden) tätig.
Meine Weiterbildung in der Praxis wird durch die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein gefördert: bei 50% mit 2400 Euro/Monat. Dieser Förderbetrag wird an die Weiterbilderin (Praxisinhaberin) ausgezahlt. Diese muss den Betrag an mich weiterleiten, bezahlt den AG-Anteil der SV und führt entsprechend Lohnsteuer ab. Somit kann man sagen, dass die Förderung meinem Gehalt entspricht in Brutto. Grundlage des Vertrages zwischen mir und der Weiterbilderin ist, dass die KV meine Weiterbildung fördert, was ja der Fall ist.

Zur Info: Die KV fördert die Weiterbildung in der ambulanten Versorgung um langfristig die Versorgung mit Hausärzten zu decken.

Nun möchte ich kündigen, da ich einige ethisch nicht vertretbaren Umstände vorfinde. Z.B. ist die Weiterbildern nicht immer anwesend, obwohl dies die KV vorschreibt, wenn sie Assistenzärzte weiterbildet. So kommt sie morgens 2 Stunden später in die Praxis während ich und meine Kollegin, ebenfalls 50%-Assistenzärztin, die Akutsprechstunde bearbeiten.

Laut des Vertrages mit der Weiterbilderin habe ich eine Probezeit von 6 Monaten. Die KV verlangt von der Weiterbilderin, dass sie die bereits ausgezahlten Fördergelder wieder zurückzahlt, wenn ich innerhalb von 6 Monaten kündige. Das hat meine Chefin dort unterschrieben. Nun hat meine Weiterbilderin in ihrem Vertrag mit mir diese Verpflichtung weitergegeben. Sprich in meinem Vertrag steht, wenn ich innerhalb der ersten 12 Monate kündige, muss ICH die Fördergelder an die KV zurückzahlen (zivilrechtliche Vereinbarung?!).
Meine Frage: Ist dies wirklich zulässig? Dann hätte ich umsonst gearbeitet und müsste dann auch die 14 Tage des Kündigungsfristzeitraumes der Probezeit(ich nehme an es sind 14 Tage, steht nichts im Vertrag) umsonst arbeiten?
Vielen Dank für Ihre Antwort.
Mit freundlichen Grüßen

Sehr geehrte Ratsuchende,

Ihre Frage beantworte ich wie folgt:
arbeitsrechtlich handelt es sich meines Erachtens nicht um die Rückzahlung von Fortbildungskosten. Ihre Arbeitgeberin (folgend: ArbG) ist finanziell im Fall Ihrer Kündigung nicht in derselben Lage wie ein Arbeitgeber, der seinem Arbeitnehmer unter Fortzahlung des Gehalts eine Fortbildung finanziert hat, also doppelt zahlt. Dies trifft auf Ihre ArbG nicht zu, wenn Sie kündigen sollten und Ihre ArbG die Förderung zurückzahlen müsste. Dann müsste Ihre Arbeitgeberin lediglich indirekt Ihr Gehalt zahlen, da sie die Förderung verliert. Solange Sie nicht kündigen, hat Ihre ArbG faktisch eine Arbeitnehmerin ohne das Gehalt zahlen zu müssen. Damit finden die Maßstäbe für die Rückzahlung von Fortbildungskosten keine Anwendung.

Meiner Einschätzung nach geht es damit tatsächlich um die Rückzahlung von Gehalt, zumal Sie für die ArbG tatsächlich Arbeitsleistungen erbringen und sich sozusagen nebenbei fortbilden. Grundsätzlich ist die Rückzahlung von Gehalt bei erbrachten Arbeitsleistungen rechtlich nicht möglich. Zu bedenken ist allerdings, dass auch Ihre ArbG eine Leistung erbringt, indem sie Sie fortbildet. Auch wenn sie dies tatsächlich nicht tut, ändert dies an der rechtlichen Einordnung nichts, da es schwer zu beweisen, dass Ihre ArbG sich gar nicht oder nur in geringem Umfang um Sie gekümmert hat. Die Übernahme des Gehalts durch die KV ist daher auch eine finanzielle Vergütung für den Fortbildungsaufwand, den Ihre ArbG - zumindest theoretisch -hat.
Dieser Gesichtspunkt spielt eine Rolle bei der Beurteilung der hier in Rede stehenden Klausel. Die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung orientiert sich u.a. daran, ob eine arbeitsvertragliche Klausel eine Partei einseitig benachteiligt oder bevorzugt.Hier könnte man eine einseitige Bevorzugung Ihrer Arbeitgeberin annehmen, wenn Sie als Arbeitnehmerin das gesamte Gehalt zurückzahlen müssten, obwohl Sie während der Fortbildung Arbeitsleistungen für die Arbeitgeberin erbracht haben. Interessengerecht wäre demnach eventuell eine anteilige Rückzahlungsregelung, die der Höhe nach so bemessen ist, dass Sie noch eine angemessene Vergütung für die von Ihnen erbrachten Arbeitsleistungen erhalten.Dies ist aber in Ihrem Vertrag nicht enthalten.
Im Ergebnis könnte man es meines Erachtens gut vertreten, die Klausel für unwirksam zu halten, da sie den Arbeitnehmer einseitig benachteiligt und eine Rückzahlung von Entgelt trotz erbrachter Arbeitsleistungen darstellt. Das bedeutet, dass Sie im Fall Ihrer Kündigung während der Probezeit nichts zurückzahlen müssten.

Für eine genaue Einschätzung Ihres Sachverhalts wäre die Erstellung eines Gutachtens beim Rechtsanwalt vor Ort oder im Rahmen einer Direktanfrage erforderlich, da die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung im Hinblick auf entsprechende Urteile geprüft werden müsste. Dies ist im Rahmen dieser Erstberatung nicht möglich.

Falls Sie aber zu meinen Ausführungen Fragen haben, können Sie gerne die Nachfragefunktion kostenfrei nutzen. Ich hoffe, ich konnte Ihnen eine verständliche Ersteinschätzung bieten.

Mit freundlichem Gruß

Schröder
Rechtsanwältin
Rückfrage vom Fragesteller 2. September 2016 | 07:37

Herzlichen Dank für Ihre Antwort, die sehr ausführlich und fundiert beantwortet wurde.
Ich habe heute gekündigt, demnach bin ich noch bis 16.9. in der Praxis tätig und erbringe dort Arbeitsleistung.
Meine Chefin hat mich daraufhin auf die Klausel im Vetrag hingewiesen, dass ich die Fördergelder an die KV zurückzahlen muss.
Was raten Sie mir? Soll ich unter Vorbehalt zahlen und die Sache an einen Rechtsanwalt übergeben? Verständlicherweise bin ich etwas unsicher weshalb ich in den nächsten 14 Tagen evtl. unentgeltlich arbeiten soll.
Nochmals vielen Dank für Ihre Mühe!!!

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 2. September 2016 | 17:18

Sehr geehrte Ratsuchende,

aufgrund meiner rechtlichen Einschätzung würde ich Ihnen dringend dazu raten, nicht zu zahlen und sich durch einen Arbeitsrechtler vertreten zu lassen. Sie haben grundsätzlich auch einen Anspruch auf Zahlung Ihres Gehalts bis zum 16.09.. Selbst wenn die vertragliche Klausel wirksam sein sollte, wovon ich nicht ausgehe, darf der Arbeitgeber grundsätzlich nicht gegen Gehaltsansprüche aufrechnen, also das Gehalt einfach einbehalten.Das bedeutet, Sie sollten auch dann zum Anwalt, wenn Ihre Arbeitgeberin Ihnen das Gehalt für September nicht zahlt, weil Sie aufrechnen will.
Falls das Arbeitsklima zu unangenehm werden sollte, haben Sie die Möglichkeit, sich krankschreiben zu lassen. Sie haben dann allerdings leider keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 3 des Entgeltfortzahlungsgesetzes, da Sie noch nicht vier Wochen ohne Unterbrechung beschäftigt sind.
Ich wünsche Ihnen gutes Gelingen, mit freundlichem Gruß

Schröder
Rechtsanwältin

Bewertung des Fragestellers 2. September 2016 | 07:40

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